Gedichte im Islam
Des Sultans Schlaf

von
Friedrich Rückert

Der Sultan Maßud, Mahmuds Sohn,
Verlor eine Schlacht und verlor einen Thron
Nur weil er eine Stunde schlief,
Als ihn das Glück zu wachen berief.

Aus Indien mit siegreichen Scharen
Zurückgekehrt, hat er erfahren,
Daß Togrulbeg in Choraßan
Inzwischen große Macht gewann;
Eben weilt er sicher in Tuß,
Keines Überfalls gewärtig,
Wo ich (spricht Maßud) ihn fangen muß –
Und macht zum Zuge dahin sich fertig.

Aber auf seinem Kriegselefanten
Schläft Maßud ein im Ritte,
Und keiner wagt es von den Trabanten,
Das Tier anzutreiben im Schritte,
Aus Scheu dass er den Sultan wecke,
Und langsam geht die Riesenschnecke.

Der Sultan erfährt, zu spät erwacht,
Daß sein Feind ist entsprungen,
Und nun mit einer Heeresmacht
Ihm kommt entgegen gedrungen.
Scharf lässt er die Wächter bestrafen,
Die ihn ließen sein Glück verschlafen,
Doch er selbst ist nun gezwungen
Den Feind zu liefern eine Schlacht.

Er liefert sie an ungünstiger Stelle,
Bei Merw in der Wüste, wo jede Quelle
Von den Feinden ist verschüttet,
Und jeder Brunnen zerrüttet;
Und sein Heer, das den Durst empfand,
Entfloh nach schwachem Widerstand.

Maßud flieht nach Gasna zurück,
Aber ihn hat verlassen das Glück.
Sein Bruder Mohammed hat dort nicht geträumt,
Und inzwischen den Kerker geräumt,
Um auf den Thron zu steigen.
Maßud selbst, von Mohammed gefangen,
Ist nun in den Kerker gegangen,
Sein Thron bleibt dem Bruder eigen.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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