Gedichte im Islam
Der Zug durchs Meer

von
Friedrich Rückert

Als Pharao mit seinem Heer
Die Juden bis ans rote Meer
Verfolgt in einem Stücke,
Wo sich die Fluten teilten,
Da bebt er doch zurücke.
Er sah der Wogen hole Wand,
Die hoch zu beiden Seiten stand
Und drohte einzubrechen;
Und wär’ er davor umgekehrt,
Wie sollte Gott sich rächen?
Da ritt, den Zug von Israel
Beschließend, eben Gabriel
Zuhinderst auf der Stute.
Von ihm entfernt nicht zwanzig Schritt
Auf seinem Hengst der König ritt,
der Hengst war heiß von Blute.
Entbrannte der Stute rannte nach
Der Hengst, und riss den König jach
Ins türmende verderben,
Der König zog die Seinen nach,
und über sie die Woge brach,
Und alle mussten sterben.
Nun jubeln die Geretteten
Ob den im Meer gebetteten,
Doch fehlt noch das Vertrauen,
Ob sie auch ganz verfolgungsfrei,
Ob wirklich Tod der König sei,
Das mussten sie erst schauen.
Da schwomm, wiewohl sein Panzer schwer
Von Stahl ihn niederzog ins Meer,
Der Leichnam auf den Wogen,
Zum Strand, dass all’ ihn schauten,
Und ihren Augen trauten,
Und mutig weiter zogen.
Sie zogen, aus der Meeresflut
Gerettet, nun mit frohem Mut
Hindurch ein Meer von Sande;
Wer in den Wassern sie bewahrt,
Der ist sie auf der Wüstenfahrt
Zu schirmen auch im Stande.

von Friedrich Rückert aus
Sieben Bücher morgenländischer Sagen und Geschichten", Stuttgart 1837

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de