Gedichte im Islam
Der Mokla

von
Friedrich Rückert

Wie wunderbar! Die zierlich seine Schrift
Die sie statt kufisch grober Züge wählten,
Veranken Araber dem Schreibestift
Von einem Mann, dem beide Hände fehlten.
Doch freilich fehlten sie ihm damals nicht,
Da als Wesir er seines Herrn Vertrauen
Genoss, dis er einmal versäumt die Pflicht,
Da ließ man ihm die rechte Hand abhauen
Doch des Chalifen schnellverrauchter Zorn
Nahm den Verstraften wieder an zu Gnaden;
Ben Mokla lernt die Schreibekunst von vorn,
Der Tausch der Hände scheint ihr nicht zu schaden.
Doch mit der Linken schreibt er einen Brief,
Für die verlorne Rechte sich zu rächen;
Von seiner Leibwach’ abgesetzt wird der Chalif,
Lohn vom Nachfolger darf sich der der Wesir versprechen.
Kann der nicht wieder, wenn es ihm gefällt,
Den dritten heben, und den zweiten lassen sinken?
Daher der zwet’ es kurz fürs beste hält,
Den Schreiber auch zu stutzen an der Linken.
Ben Mokla klaget nun: Wie einem Dieb
Hat man die Hände schmählich abgehauen,
Mit welchen ich den Koran dreimal schrieb
So schön dass sich die Gläub’gen dran erbauen.
Wol macher künftig, der nicht ist im Stand
Die Mustervorschrift glücklich nachzuahmen,
Wünscht unterm Schreiben sich Ben Mokla’s Hand,
Und fragt nicht, wohin dessen beide kamen.

Aus: Sieben Bücher Morgenländischer Sagen und Geschichten

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