Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Zusammenhang des Verbotes der Zinsnahme mit negativem Aspekt des Prinzips

Ebenso wie das Verbot, von dem Agenten bei einem Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba] eine Garantie zu verlangen, mit der negativen Aussage des von uns untersuchten Prinzips im Zusammenhang steht, können wir auch das Verbot der Zinsnahme als ein Stockwerk des Überbaus, der auf diesem negativen Gehalt des Prinzips begründet ist, ansehen. Das Verbot der Zinsnahme gehört sogar zu den wichtigsten Teilen dieses Gebäudes, und wir haben dies bereits im Abschnitt 9) des Überbaus zur Kenntnis genommen, in dem erläutert wurde, dass der Islam alle Arten von Kreditvergabe gegen Zinsen verbietet. Zinsen gelten nach dem Verständnis des Kapitalismus, der sie erlaubt, als eine Leihgebühr für das Geldkapital, welches die Kapitaleigner für Handelsunternehmungen und dergleichen gegen eine jährliche Gebühr die als Prozentsatz des verliehenen Kapitals festgesetzt wird, verleihen, (wobei diese Gebühr als “Zins“ bezeichnet wird), und sich in ihrem rechtlichen Bedeutungsgehalt nicht viel von der Gebühr unterscheidet, welche die Besitzer von Immobilien und Produktionsgeräten für deren Vermietung erhalten. Ebenso wie man ein Haus mieten und eine Zeitlang darin wohnen, und es dann dem Besitzer zusammen mit einer bestimmten Gebühr zurückgeben kann, ist es nach einer Rechtsauffassung, die Zinsen legitimiert, gestattet, einen gewissen Geldbetrag für Geschäfte oder zum Eigenverbrauch auszuleihen, und später denselben oder einen gleichwertigen Betrag zuzüglich einer bestimmten Gebühr an die Person, von der man das Geld geliehen hat, zurückzuzahlen. Indem der Islam die Zinsen auf Kredite verbietet, während er die Einkünfte, die sich aus der Vermietung von Immobilien und Produktionsgeräten ergeben, erlaubt, weist er uns auf einen theoretischen Unterschied zwischen dem Geldkapital einerseits und Produktionsgeräten und Immobilien anderseits hin. Diesen Unterschied müssen wir im Lichte der Theorie und auf der Grundlage des Prinzips, welches wir gerade herausarbeiten, erklären, um den Grund zu erfahren, der die islamische Wirtschaftsideologie veranlasst, die Leihgebühr für Kapital, oder mit anderen Worten, das garantierte Einkommen, welches sich aus dem Eigentum an Geldkapital ergibt, für nichtig zu erklären, während sie die Leihgebühr für Produktionsgeräte erlaubt und die garantierten Einkünfte, die aus dem Eigentum an solchen Geräten entstehen, legitimiert. Warum ist es dem Eigentümer eines Gerätes gestattet, sich darüber hinaus, indem er es vermietet, ein gesichertes Einkommen ohne Mühe zu verschaffen, und warum darf der Kapitaleigner nicht zusätzlich zu seinem Geld ein gesichertes Einkommen ohne Mühe erhalten, indem er es verleiht? Diese Frage müssen wir jetzt unbedingt beantworten.

Tatsächlich braucht man, um die Antwort auf diese Frage zu finden, nur von dem besagten Prinzip in seiner von uns herausgefundenen Form und mit seiner positiven und negativen Aussage auszugehen. Für das garantierte Einkommen, die Gebühr, das aus dem Eigentum an Produktionsgeräten entsteht, ist die positive Aussage des Prinzips relevant, denn in den Geräten ist frühere Arbeit gespeichert, und derjenige, der sie mietet, wird das Recht haben, einen Teil davon aufzubrauchen, während er die Geräte bei seiner produktiven Tätigkeit benutzt. Die Gebühr, die er dem Besitzer der Geräte zahlt, ist in Wirklichkeit ein Lohn für frühere Arbeit, folglich gilt sie als ein Einkommen, das sich auf “aufgewendeter Arbeit“ begründet, und ist entsprechend der positiven Aussage des Prinzips zulässig. Dagegen gibt es für den garantierten Gewinn, der aus dem Eigentum an Geldkapital entsteht – die Zinsen – keine theoretische Rechtfertigung, denn ein Händler, der für ein Handelsvorhaben 1000 Dinare zu einem bestimmten Zinssatz ausleiht, wird dem Gläubiger zur festgesetzten Zeit die 1000 Dinare zurückzahlen, ohne ein Körnchen davon verbraucht zu haben. Unter diesen Umständen werden die Zinsen zu einem unrechtmäßigen Einkommen, weil sie nicht auf “aufgewendeter Arbeit“ beruhen, wofür die negative Aussage des Prinzips relevant ist.

Somit erkennen wir, dass der von der islamischen Gesetzgebung gemachte Unterschied zwischen Zinsen auf Geldkapital und der Mietgebühr für Produktionsgeräte durch die jeweils unterschiedliche Art der Nutzung von geliehenem Kapital und gemieteten Produktionsgeräten begründet ist. So führt die Nutzung des Kapitals durch den Kreditnehmer naturgemäß nicht dazu, dass etwas davon, bzw. von der darin verkörperten Arbeit, verbraucht wird, weil er Kraft des Kreditvertrages verpflichtet ist, den Betrag zu einer festgesetzten Zeit zurückzuzahlen, und weil das Geld, das er in Erfüllung des Vertrages erstattet, genau dem geliehenen Geld entspricht. Wenn aber der Mieter das von ihm gemietete Gerät z.B. für eine Produktionstätigkeit benutzt, so wird es dadurch in gewissem Maße abgenutzt und die darin verkörperte Arbeit verbraucht. Mithin hat der Besitzer des Gerätes das Recht, durch dessen Vermietung ein Einkommen zu erhalten, weil während der Benutzung des Gerätes Arbeit “aufgewendet“ und verbraucht wurde, wohingegen dem Kapitalgeber kein Einkommen dieser Art zusteht, weil er das Gut so wie es war und unverbraucht zurückbekommt.

Wir können der Anzahl von Bestimmungen, die wir bisher angeführt haben, um den Zusammenhang zwischen dem Überbau und der Theorie zu zeigen, eine weitere hinzufügen, nämlich die im Abschnitt 6) zitierte Bestimmung, derzufolge es einem Agenten, der einen Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba] abgeschlossen hat, nicht erlaubt ist, sich mit einem anderen Agenten darauf zu einigen, dass letzterer die Arbeit des ersteren übernimmt, und dafür einen Prozentanteil am Gewinn erhält, der geringer ist als der Anteil, welchen der erstere Agent vom Kapitalgeber bekommt. Es ist klar, dass sich das Verbot eines solchen Verfahrens in völliger Übereinstimmung mit der negativen Aussage des von uns herausgearbeiteten Prinzips befindet, nämlich der Ablehnung von Gewinn, der nicht auf “aufgewendeter Arbeit“ beruht, denn wenn der erste Agent eine solche Abmachung wie die oben erwähnte erzielt, wird er für sich selbst die Differenz zwischen den beiden Prozentanteilen behalten, und das wäre ein Einkommen ohne aufgewendete Arbeit, das entsprechend dem allgemeinen Prinzip natürlich unrechtmäßig wäre.

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