Zusammenhang des Verbotes der Zinsnahme mit negativem
Aspekt des Prinzips
Ebenso wie das Verbot, von dem Agenten
bei einem
Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba] eine
Garantie zu verlangen, mit der negativen Aussage des von uns
untersuchten Prinzips im Zusammenhang steht, können wir auch
das Verbot der Zinsnahme als ein Stockwerk des Überbaus, der
auf diesem negativen Gehalt des Prinzips begründet ist,
ansehen. Das Verbot der Zinsnahme gehört sogar zu den
wichtigsten Teilen dieses Gebäudes, und wir haben dies bereits
im Abschnitt 9) des Überbaus zur Kenntnis genommen, in dem
erläutert wurde, dass der Islam alle Arten von Kreditvergabe
gegen Zinsen verbietet. Zinsen gelten nach dem Verständnis des
Kapitalismus, der sie erlaubt, als eine Leihgebühr für das
Geldkapital, welches die Kapitaleigner für
Handelsunternehmungen und dergleichen gegen eine jährliche
Gebühr die als Prozentsatz des verliehenen Kapitals
festgesetzt wird, verleihen, (wobei diese Gebühr als “Zins“
bezeichnet wird), und sich in ihrem rechtlichen
Bedeutungsgehalt nicht viel von der Gebühr unterscheidet,
welche die Besitzer von Immobilien und Produktionsgeräten für
deren Vermietung erhalten. Ebenso wie man ein Haus mieten und
eine Zeitlang darin wohnen, und es dann dem Besitzer zusammen
mit einer bestimmten Gebühr zurückgeben kann, ist es nach
einer Rechtsauffassung, die Zinsen legitimiert, gestattet,
einen gewissen Geldbetrag für Geschäfte oder zum
Eigenverbrauch auszuleihen, und später denselben oder einen
gleichwertigen Betrag zuzüglich einer bestimmten Gebühr an die
Person, von der man das Geld geliehen hat, zurückzuzahlen.
Indem der Islam die Zinsen auf Kredite verbietet, während er
die Einkünfte, die sich aus der Vermietung von Immobilien und
Produktionsgeräten ergeben, erlaubt, weist er uns auf einen
theoretischen Unterschied zwischen dem Geldkapital einerseits
und Produktionsgeräten und Immobilien anderseits hin. Diesen
Unterschied müssen wir im Lichte der Theorie und auf der
Grundlage des Prinzips, welches wir gerade herausarbeiten,
erklären, um den Grund zu erfahren, der die islamische
Wirtschaftsideologie veranlasst, die Leihgebühr für Kapital,
oder mit anderen Worten, das garantierte Einkommen, welches
sich aus dem Eigentum an Geldkapital ergibt, für nichtig zu
erklären, während sie die Leihgebühr für Produktionsgeräte
erlaubt und die garantierten Einkünfte, die aus dem Eigentum
an solchen Geräten entstehen, legitimiert. Warum ist es dem
Eigentümer eines Gerätes gestattet, sich darüber hinaus, indem
er es vermietet, ein gesichertes Einkommen ohne Mühe zu
verschaffen, und warum darf der Kapitaleigner nicht zusätzlich
zu seinem Geld ein gesichertes Einkommen ohne Mühe erhalten,
indem er es verleiht? Diese Frage müssen wir jetzt unbedingt
beantworten.
Tatsächlich braucht man, um die Antwort
auf diese Frage zu finden, nur von dem besagten Prinzip in
seiner von uns herausgefundenen Form und mit seiner positiven
und negativen Aussage auszugehen. Für das garantierte
Einkommen, die Gebühr, das aus dem Eigentum an
Produktionsgeräten entsteht, ist die positive Aussage des
Prinzips relevant, denn in den Geräten ist frühere Arbeit
gespeichert, und derjenige, der sie mietet, wird das Recht
haben, einen Teil davon aufzubrauchen, während er die Geräte
bei seiner produktiven Tätigkeit benutzt. Die Gebühr, die er
dem Besitzer der Geräte zahlt, ist in Wirklichkeit ein Lohn
für frühere Arbeit, folglich gilt sie als ein Einkommen, das
sich auf “aufgewendeter Arbeit“ begründet, und ist
entsprechend der positiven Aussage des Prinzips zulässig.
Dagegen gibt es für den garantierten Gewinn, der aus dem
Eigentum an Geldkapital entsteht – die Zinsen – keine
theoretische Rechtfertigung, denn ein Händler, der für ein
Handelsvorhaben 1000 Dinare zu einem bestimmten Zinssatz
ausleiht, wird dem Gläubiger zur festgesetzten Zeit die 1000
Dinare zurückzahlen, ohne ein Körnchen davon verbraucht zu
haben. Unter diesen Umständen werden die Zinsen zu einem
unrechtmäßigen Einkommen, weil sie nicht auf “aufgewendeter
Arbeit“ beruhen, wofür die negative Aussage des Prinzips
relevant ist.
Somit erkennen wir, dass der von der
islamischen Gesetzgebung gemachte Unterschied zwischen Zinsen
auf Geldkapital und der Mietgebühr für Produktionsgeräte durch
die jeweils unterschiedliche Art der Nutzung von geliehenem
Kapital und gemieteten Produktionsgeräten begründet ist. So
führt die Nutzung des Kapitals durch den Kreditnehmer
naturgemäß nicht dazu, dass etwas davon, bzw. von der darin
verkörperten Arbeit, verbraucht wird, weil er Kraft des
Kreditvertrages verpflichtet ist, den Betrag zu einer
festgesetzten Zeit zurückzuzahlen, und weil das Geld, das er
in Erfüllung des Vertrages erstattet, genau dem geliehenen
Geld entspricht. Wenn aber der Mieter das von ihm gemietete
Gerät z.B. für eine Produktionstätigkeit benutzt, so wird es
dadurch in gewissem Maße abgenutzt und die darin verkörperte
Arbeit verbraucht. Mithin hat der Besitzer des Gerätes das
Recht, durch dessen Vermietung ein Einkommen zu erhalten, weil
während der Benutzung des Gerätes Arbeit “aufgewendet“ und
verbraucht wurde, wohingegen dem Kapitalgeber kein Einkommen
dieser Art zusteht, weil er das Gut so wie es war und
unverbraucht zurückbekommt.
Wir können der Anzahl von Bestimmungen,
die wir bisher angeführt haben, um den Zusammenhang zwischen
dem Überbau und der Theorie zu zeigen, eine weitere
hinzufügen, nämlich die im Abschnitt 6) zitierte Bestimmung,
derzufolge es einem Agenten, der einen
Kapitalbeteiligungsvertrag [mudaraba]
abgeschlossen hat, nicht erlaubt ist, sich mit einem anderen
Agenten darauf zu einigen, dass letzterer die Arbeit des
ersteren übernimmt, und dafür einen Prozentanteil am Gewinn
erhält, der geringer ist als der Anteil, welchen der erstere
Agent vom Kapitalgeber bekommt. Es ist klar, dass sich das
Verbot eines solchen Verfahrens in völliger Übereinstimmung
mit der negativen Aussage des von uns herausgearbeiteten
Prinzips befindet, nämlich der Ablehnung von Gewinn, der nicht
auf “aufgewendeter Arbeit“ beruht, denn wenn der erste Agent
eine solche Abmachung wie die oben erwähnte erzielt, wird er
für sich selbst die Differenz zwischen den beiden
Prozentanteilen behalten, und das wäre ein Einkommen ohne
aufgewendete Arbeit, das entsprechend dem allgemeinen Prinzip
natürlich unrechtmäßig wäre.