Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Zu den Argumenten der Gegner von Eigentum an Land

Die Einwände, die gewöhnlich von den Gegnern des Eigentums an Land vorgebracht werden, tendieren teilweise dazu, dessen historische Realität, bzw. dessen bis in die vorgeschichtliche Zeit zurückzureichenden Wurzeln in Frage zu stellen, und manchmal gehen sie noch weiter und bezichtigen das Konzept des Eigentums und des Anrechtes eines Einzelnen am Land selbst der Beleidigung der Grundsätze sozialer Gerechtigkeit. Wenn die Realität des Eigentums an Land, bzw. dessen historische Zurückführung auf eigene Arbeit des Ackerbauern in Zweifel gezogen werden, dann wird meistens auf Macht und Gewalt als dessen Voraussetzung verwiesen, von denen behauptet wird, dass sie im Laufe der Geschichte die Hauptrolle bei der ungerechten Verteilung des Bodens und der Gewährung von besonderen Rechten an Einzelpersonen gespielt haben. Und wenn Macht und Raub und (Faktoren der) Gewalt die tatsächliche Rechtfertigung und der historische Ursprung für das Eigentum an Land bzw. die persönlichen Rechte daran, wie es die menschliche Geschichte erlebt hat, gewesen sind ... dann ist es nur natürlich, diese Rechte moralisch abzulehnen und das im Laufe der Geschichte etablierte Eigentum an Land als eine Art von Diebstahl anzusehen.

Wir streiten die Faktoren der Gewalt und des Raubes und deren historische Rolle nicht ab, aber diese Faktoren führen nicht das ursprüngliche Auftreten von Landeigentum und persönlichen Rechten in der Geschichte herbei, denn um sich des Landes durch Gewalt und Raub bemächtigen zu können, muss dort jemand vorhanden sein, dem man das Land wegnimmt und den man gewaltsam vertreibt, um es dem eigenen Land hinzuzufügen. Dies setzt voraus, dass jenes Land, das Gewalt und Raub ausgesetzt ist, zuvor in den Besitz einer oder mehrerer Personen übergegangen, bzw. dass diesen ein Anrecht darauf entstanden war. Wenn wir dieses Recht, das schon vor den räuberischen Handlungen bestand, untersuchen wollen, dann müssen wir dessen Erklärung durch Macht und Gewalt beiseite lassen, um seinen Ursprung anhand der Beziehung herauszufinden, die zwischen dem Land und seinen rechtmäßigen Besitzern bestand. Außerdem wird es sich bei der raubenden Person, von der wir annehmen, dass sie sich irgendwann einmal des Landes mit Gewalt bemächtigt hat, meistens nicht um einen Heimatlosen, ohne Wohnplatz und eigenes Land gehandelt haben, sondern – wie es am wahrscheinlichsten ist – um jemanden, der auf einer Landfläche arbeiten und diese nutzen konnte, und dessen Möglichkeiten sich ausweiten, so dass er auf die Idee kam, sich mit Gewalt neuer Landflächen zu bemächtigen. Vor der Gewalt und Machtausübung gab es also die produktive Arbeit und das Recht, das auf eigener Arbeit und Nutzbarmachung des Landes beruhte. Am ehesten ist anzunehmen, wenn wir uns eine Gruppe von Menschen der primitiven Entwicklungsstufe vorstellen, die ein Stück Land besiedelt und dort Ackerbau betreibt ... dass jeder Einzelne von ihnen eine bestimmte Fläche dieses Landes, je nach seinen Möglichkeiten, in Anspruch nimmt und für deren Nutzung arbeitet. Aus dieser Aufteilung, die als Arbeitsteilung beginnt – falls nicht alle Ackerbauern am Ertrag der ganzen Fläche beteiligt werden – entstehen schließlich die persönlichen Rechte der Individuen, und jeder bekommt ein Anrecht auf das Land, dem er seine Mühe und Arbeit gewidmet hat. Erst später machen sich die Faktoren der Gewalt und Machtausübung bemerkbar, indem die Stärkeren und Mächtigeren die Ländereien der anderen erobern und sich ihrer Felder bemächtigen. Wir wollen damit nicht die persönlichen Rechte und Eigentümer am Land, die im Laufe der Geschichte entstanden sind, rechtfertigen, sondern wir wollen nur feststellen, dass die Urbarmachung – d.h. die Arbeit an dem Land – aller Wahrscheinlichkeit nach die primäre und alleinige Ursache gewesen ist, welche die ursprünglichen Gesellschaften als Ausgangspunkt des Anrechtes eines Einzelnen an dem Land, das er kultivierte hatte und auf dem er arbeitete, anerkannt haben, während alle anderen Ursachen sekundäre Faktoren waren, die sich aus den komplizierter werdenden Lebensumständen ergaben, durch welche die frühen Gesellschaften von ihrem natürlichen Instinkt für das Richtige entfremdet wurden. Die primäre Ursache verlor historisch immer mehr an Wirksamkeit, während die Bedeutung der sekundären Faktoren zunahm, und Macht und Willkür gegenüber der naturgegebenen Ordnung überhand nahmen, bis die Geschichte des privaten Eigentums am Land durch alle erdenklichen Spielarten von Unterdrückung und Monopolisierung geprägt war, und das Land für die Massen der Bevölkerung umso knapper wurde, je mehr davon den Privilegierten zur Verfügung stand. Der Islam stellte nun –wie wir gesehen haben – die Wirksamkeit der ursprünglichen Ursache wieder her, indem er die Neukultivierung zur alleinigen Voraussetzung für den Erwerb von Anrecht auf Land machte und alle anderen Ursachen verwarf. Damit ließ der Islam die Zeit der ursprünglichen Ordnung wiederaufleben, deren Spuren der seiner Natur entfremdete Mensch schon fast getilgt hatte.

Soweit zu den Einwänden gegen die historische Rückführung des Grundeigentums auf die eigene Urbarmachung des Boden. Aber der umfassendere und schwerwiegendere Einwand ist die kategorische Verurteilung des Konzeptes des Eigentums bzw. des persönlichen Anrechts am Land selbst, wie sie von einigen modernen oder halbmodernen – wenn diese Bezeichnung richtig ist – ideologischen Tendenzen, wie dem Agrarsozialismus, vorgebracht wird; in diesem Zusammenhang hören wir meistens, das Land sei ein natürlicher Reichtum, der nicht von Menschen geschaffen sondern eine der Gaben Allahs ist, also dürfe es niemand ausschließlich beanspruchen und anderen vorenthalten. Was immer in diesem Zusammenhang auch gesagt werden mag, das islamische Konzept – das wir vor dieser Erörterung vorgestellt haben – wird mit logischen Argumenten nicht anzufechten sein. Denn wir haben gesehen, dass das Land – in seinem Naturzustand betrachtet, so wie der Menschheit dieses Geschenk von Allah dem Erhabenen einmal übergeben wurde – nicht das Eigentum oder der rechtmäßige Besitz irgendeiner Person ist, sondern Eigentum des Imam – als stattliche Autorität und nicht als Person verstanden, wobei das Eigentum des Imam, so wie es die islamische Wirtschaftstheorie über das Land vorsieht, nicht aufhören kann, und das Land nicht durch gewaltsame Aneignung, ja nicht einmal durch eigenhändige Urbarmachung, zum Eigentum einer Person wird. Vielmehr gilt die Neukultivierung als Quelle des individuellen Anrechts auf das Land. Wenn also jemand mit gesetzlicher Erlaubnis die Erschließung einer Landfläche in Angriff nimmt und seine Mühe darauf wendet, dann wäre es ungerecht, anderen Personen, die auf dieses Land keinerlei Mühen verwandt haben, die gleichen Rechte wie dem ersteren zuzugestehen; vielmehr muss er als die Person mit dem größten Anrecht auf das Land und dessen Nutzung angesehen werden.

Der Islam gewährt also demjenigen, der das Land bearbeitet, ein Recht, das ihn vor den anderen bevorzugt, und erlaubt dem Imam theoretisch die Erhebung einer Abgabe oder Steuer auf das Land, damit alle rechtschaffenen Menschen an dessen Nutzung teilhaben, indem diese Steuern zu ihrem Nutzen verwendet werden. Und da dieses Recht in der Sicht des Islam auf der Arbeit beruht, die der Einzelne an das Land wendet, wird es – naturgemäß – hinfällig, wenn das Land diese Arbeit verbraucht hat, und erneute Anstrengungen erfordert, um seine Belebtheit und Produktivität zu erhalten, aber der Landbesitzer es versäumt, es zu kultivieren, d.h. es vernachlässigt, bis es verwahrlost. In diesem Falle endet seine Verbundenheit mit der Person, die es bisher bearbeitet hat, da die gesetzliche Rechtfertigung, aus der diese Ihr besonderes Anrecht auf das Land herleiten, nämlich ihre Arbeit, die sich in der Kultiviertheit und Belebtheit des Bodens verkörperte, nicht mehr besteht.

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