Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Wie entstehen persönliche Rechte auf der Grundlage von Arbeit?

Tatsächlich steht dieser Unterschied in engem Zusammenhang mit den Rechtfertigungen, an welche die Theorie glaubt, wenn sie dem Einzelnen persönliche Rechte an natürlichen Reichtümern auf der Grundlage von Arbeit zugesteht. Um den von der Theorie gemachten Unterschied zwischen den einzelnen Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung aus der Anzahl der von uns vorgestellten Aktivität mit wirtschaftlichem Charakter völlig zu verstehen, müssen wir die theoretische Spezifizierung der persönlichen Rechte kennen, die an Arbeit gebunden sind, und wissen, wie und in welchem Umfang die Arbeit eine positive Rolle in der Theorie spielt. Weiterhin, nach welchem Prinzip werden durch die Arbeit persönliche Rechte des Arbeitenden an den Gütern, die er bearbeitet, begründet? Wenn wir dieses Prinzip kennen, dann können wir mit seiner Hilfe zwischen den einzelnen Arbeiten der Nutzung aus der vorgestellten Anzahl differenzieren.

Wir können dieses Prinzip im Lichte des vollständigen von uns angeführten Überbaus der Theorie folgendermaßen zusammenfassen: Dem Arbeitenden gehört das Ergebnis seiner Arbeit, das er durch seine Mühe und mit seinen Fähigkeiten aus den rohen Materialien der Natur geschaffen hat. Dieses Prinzip lässt sich auf alle Arten der Nutzung und Ausbeutung, die der Einzelne an der Natur und ihren “rohen“ Produktionsquellen verrichten, anwenden, ohne Unterscheidung zwischen der Tätigkeit der Neukultivierung von Ödland, der Freilegung einer Mine, dem Schöpfen von Wasser, dem Feldbau auf von Natur aus belebtem Land, oder dessen Nutzung als Weideland und zur Anzucht von Tieren. Bei all diesen und allen sonstigen Arbeiten an rohem Material der Natur hat der Arbeitende das Recht, deren Früchte zu ernten und sich deren Ergebnis anzueignen. Aber auch wenn der Arbeitende das Recht hat, sich das Ergebnis seiner Arbeit an einer natürlichen Produktionsquelle anzueignen, so bedeutet das nicht, dass alle dieser Arbeiten zu einander entsprechenden Ergebnissen führen würden, so dass auch die Art der Rechte, die daraus entstehen, einander entsprechen müssten, vielmehr unterscheiden sie sich in ihren Ergebnissen, und folglich auch in der Art der persönlichen Rechte, die sie entstehen lassen. So ist z.B. die Urbarmachung von Land eine Tätigkeit, die eine Person an einem Stück toten Landes, das sich nicht zur unmittelbaren Produktion und Nutzung eignet, ausführt, indem sie die Steine und Verhärtungen von seiner Oberfläche beseitigt und all die Bedingungen schafft, die es zur Nutzung und Produktion geeignet machen, womit sie auf diese Weise ein wichtiges Ergebnis ihrer Erschließung des Landes hervorbringt, das vorher nicht vorhanden war. Dieses Ergebnis ist nicht die Existenz des Landes selbst, denn die Tätigkeit der Urbarmachung erschafft nicht das Land, sondern es ist die Gelegenheit, welche die Person durch ihre Arbeit und Mühe geschaffen hat. So führt die Urbarmachung von Ödland zur Schaffung der Gelegenheit, das Land zu nutzen und auszubeuten, d.h. diese Gelegenheit bestand vor der Urbarmachung nicht, sondern sie entsteht als Ergebnis der Tätigkeit der Urbarmachung.

Dem Arbeitenden gehört gemäß der allgemeinen Theorie diese Gelegenheit, in ihrer Eigenschaft als Ergebnis seiner Arbeit, und sein Eigentumsrecht an dieser Gelegenheit hat die Konsequenz, dass es anderen verboten wird, ihn dieser Gelegenheit zu berauben und sie ihm zunichte zu machen, indem sie ihm das Land wegnehmen und an seiner Stelle nutzen; denn damit würde sie ihm die Nutzung der Gelegenheit vorenthalten, die er mit seiner Mühe im Verlauf der Tätigkeit der Urbarmachung geschaffen hat, und die sein durch legitime Arbeit entstandenes Eigentum ist. Deshalb wird der Einzelne durch seine Erschließung des Landes vorrangig zu dessen Nutzung befugt, damit er die von ihm selbst geschaffene Gelegenheit wahrnehmen kann, und diese vorrangige Befugnis macht sein ganzes Recht an dem Land aus. Damit erkennen wir, dass das Recht des Einzelnen an dem von ihm neukultivierten Land in der Theorie darauf zurückgeführt wird, dass es anderen nicht erlaubt sein darf, ihn des Ergebnisses seiner Arbeit zu berauben, und ihm die Gelegenheit, die er mit seiner legitimen Arbeit geschaffen hat, zunichte zu machen. Die Erschließung einer in den Tiefen der Erde verborgenen Mine oder Wasserquelle entspricht in dieser Hinsicht ganz der Erschließung von Ödland. Denn der Arbeitende, der die Erschließung vornimmt, schafft eine Gelegenheit zur Nutzung der von ihm erschlossenen natürlichen Produktionsquelle, und ihm gehört diese Gelegenheit, die das Resultat seiner Bemühungen darstellt, also darf kein anderer ihm diese Gelegenheit zunichte machen. Der Arbeitende hat das Recht, andere daran zu hindern, falls sie versuchen, ihm die jeweilige Ressource wegzunehmen, und dies wird als das Anrecht auf das Land, die Mine oder die Quelle bezeichnet, mit den Differenzierungen, die wir sogleich untersuchen werden.

Was aber die Ausübung des Ackerbaus durch eine Person auf bereits von Natur aus belebtem Land oder die Verwendung des Landes als Viehweide betrifft, so sind dies zwar Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung an natürlichen Produktionsquellen, aber sie rechtfertigen nicht die Existenz eines Anrechts des Ackerbaus oder des Hirten auf das Land, denn diese haben weder das Land selbst, noch eine allgemeine Nutzungsmöglichkeit geschaffen, wie diejenige, die durch die Urbarmachung von Ödland entsteht. Es stimmt, dass der Ackerbauer oder der Hirte Feldfrüchte produziert, bzw. Werte in Form tierischer Produkte schafft, indem er an dem Land arbeitet, aber dies rechtfertigt nur seine Aneignung der von ihm produzierten Feldfrüchte, oder des Reichtums an Tieren, für die er Sorge trägt, und es rechtfertigt nicht, dass ihm das Land gehört oder er ein Anrecht darauf hat. Der Unterschied zwischen den letztgenannten Arbeiten und den Arbeiten der Erschließung besteht also darin, dass die Arbeit der Erschließung eine Gelegenheit zur Nutzung des Landes, der Mine oder der Wasserquelle schaffte, die vor der Erschließung nicht vorhanden war, und die folglich der arbeitenden Person gehört, womit sie durch ihr “Eigentum an dieser Gelegenheit“ ein Anrecht auf die von ihr erschlossene Produktionsquelle erwirbt. Dagegen war bei dem von Natur aus belebten oder von Natur aus grünem Land, auf dem der Einzelne Ackerbau oder Weidewirtschaft betreibt, die Gelegenheit der Nutzung durch Ackerbau oder Weidewirtschaft schon vorher vorhanden, und wurde nicht durch eine besondere Arbeit geschaffen. Das, was aus der Arbeit, z.B. des Ackerbaus, hervorgeht, ist die Ernte, und auf diese hat er zweifellos ein persönliches Anrecht, denn sie ist das Ergebnis seiner Arbeit.

In diesem Sinne können wir nunmehr eine weitere Voraussetzung für solche Arbeit, die ein persönliches Anrecht auf Ressourcen der Natur schafft, schlussfolgern. Wir haben zuvor die erste Vorbedingung herausgefunden, nämlich dass die Arbeit wirtschaftlichen Charakter haben muss, und erschließen jetzt die zweite Vorbedingung, nämlich dass diese Arbeit einen bestimmten neuen Zustand oder eine neue Gelegenheit schafft, die dann dem Arbeitenden gehört, womit er ein Recht an der natürlichen Produktionsquelle erwirbt. Auf diese Tatsache weist al-Schafi´i hin, wenn er seine Auffassung, dass die “schwer zugänglichen verborgenen Bodenschätze“ nicht durch ihre Erschließung zum Eigentum der Person, die diese Arbeit ausführt, werden, damit begründet, dass als “erschlossen“ nur gelten könne, was – nachdem es durch die Erschließung einmal nutzbar gemacht worden ist – kontinuierlich genutzt werden könne, ohne die Nutzungsmöglichkeit ständig neu zu schaffen, und dass dies bei Bodenschätzen nicht der Fall sei, da die Nutzungsgelegenheit, die durch die Erschließung der Lagerstätte geschaffen wird, begrenzt sei; folglich müsse auch das durch diese Arbeit erworbene Recht begrenzt sein. Aus dieser Entdeckung des Zusammenhangs zwischen dem Anrecht des Arbeitenden auf eine natürliche Produktionsquelle und der Gelegenheit zur Nutzung, die durch die Arbeit an dieser Produktionsquelle geschaffen wird, ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass das Anrecht einer Person darauf verfällt, wenn jene Gelegenheit, die sie geschaffen hat, nicht mehr besteht, denn ihr Recht an jener natürlichen Produktionsquelle beruhte, wie wir festgestellt haben, auf ihrem “Eigentum an der Gelegenheit“; wenn diese also nicht mehr gegeben ist, verfällt auch ihr Anrecht. Genau das finden wir in den Abschnitten 4) und 5) des von uns vorgestellten Überbaus bestätigt.

Nehmen wir uns nun die besagten Arbeiten der Erschließung vor, die dem einzelnen Arbeiter zu einem persönlichen Recht an der jeweiligen natürlichen Produktionsquelle verhelfen, wie die Neukultivierung von Land, die Freilegung einer Mine und die Erschließung einer Wasserquelle, um den Standpunkt der Theorie ihnen gegenüber genau zu studieren, wobei wir sehen werden, ob sich ebendiese Arbeiten hinsichtlich der Rechte, die sie entstehen lassen, voneinander unterscheiden. Wir haben bereits den Unterschied zwischen diesen und sonstigen Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung untersucht, und noch davor den Unterschied zwischen den Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung ganz allgemein und den Handlungen der Monopolisierung und ausschließlichen Beanspruchung zur Kenntnis genommen. Als wir im Rahmen des auf der Theorie aufbauenden Überbaus die Rechte dargelegt haben, die sich auf Arbeiten der Erschließung begründen, fanden wir, dass sie sich voneinander unterscheiden. So darf, wenn eine Person Land urbar gemacht hat, keine andere Person es ohne deren Erlaubnis nutzen und darüber verfügen, solange der Person, die es urbar gemacht hat, ihr Anrecht auf das Land erhalten bleibt, während wir sehen, dass jemand, der eine Quelle zum Fließen bringt, ein Anrecht auf soviel von deren Wasser hat, wie er benötigt, aber dass andere alles Wasser der Quelle nutzen dürfen, das den Bedarf ihres Entdeckers übersteigt. Daher muss eine theoretische Betrachtung die Gründe erläutern, die dazu führen, dass sich das Recht des Arbeitenden an dem Land, das er urbar gemacht hat, von dem Recht des Arbeitenden an der Quelle, die er erschlossen hat, unterscheidet, und warum es jedermann erlaubt ist, das Wasser einer Quelle zu benutzen, falls es den Bedarf ihres Besitzers übersteigt, während niemand das Land, das ein anderer urbar gemacht hat, ohne dessen Erlaubnis bebauen darf, selbst wenn letzterer es nicht tatsächlich für den Ackerbau nutzt.

In Wirklichkeit ist die Antwort darauf im Lichte unserer Kenntnisse, die wir bis jetzt über die Theorie erworben haben, schon gegeben, denn dem Arbeitenden gehört vor allen Dingen das Ergebnis seiner Arbeit, nämlich die Gelegenheit der Nutzung einer natürlichen Ressource, und ein “Eigentum an dieser Gelegenheit“ bedeutet unweigerlich für andere das Verbot, ihn dieser Gelegenheit zu berauben und sie ihm zunichte zu machen. Daher erwirbt er ein persönliches Anrecht auf die natürliche Produktionsquelle. Das gilt für sämtliche Produktionsquellen, ohne dass dabei zwischen Land, Lagerstätten von Bodenschätzen und Wasserquellen unterschieden würde, d.h. die Rechte, die sich aus der Erschließung solcher natürlicher Ressourcen ergeben, sind untereinander gleich. Die Erlaubnis für andere, das Wasser einer Quelle, das den Bedarf desjenigen, der sie erschlossen hat, übersteigt, zu benutzen, die im Falle von Land nicht besteht, ist nicht auf unterschiedliche Zuerkennung von Rechten zurückzuführen, sondern erklärt sich aus der Natur jener Dinge. Denn die Nutzungsmöglichkeit, die einer Person zusteht, nachdem sie eine Quelle ausgegraben hat und auf Wasser gestoßen ist, geht ihr nicht verloren, indem sich eine andere Person an der Nutzung des Wassers beteiligt, sofern es sich um eine ergiebige Quelle handelt, die den Bedarf der ersteren übersteigt, denn eine wasserreiche Quelle reicht im allgemeinen aus, um zwei Personen mit Wasser zu versorgen und ihren Bedarf zu decken. Damit bleibt dem Arbeitenden die Gelegenheit, die er geschaffen hat, erhalten, und es ist nicht so, dass die Benutzung der Quelle durch einen anderen, der davon trinkt und sein Vieh damit tränkt, dazu führt, dass ihm jene Gelegenheit zunichte wird.

Anders verhält es sich mit dem Land, das jemand urbar gemacht, und an dem er durch seine Urbarmachung eine Gelegenheit zur Nutzung geschaffen hat, denn das Land lässt naturgemäß die gleichzeitige Nutzung durch zwei Personen nicht zu. Wenn sich also eine Person an die Nutzung bereits erschlossenen Landes machen würde, nähme sie damit dem Arbeiter, der es erschlossen hat, die von ihm geschaffene Gelegenheit weg, denn wenn das Land für die Produktion von Feldfrüchten verwendet wird, kann es keine gleichwertige sonstige Aufgabe erfüllen, und nicht noch von einer anderen Person für produktive Zwecke genutzt werden. Somit erkennen wir, dass es einem anderen als dem Arbeiter, der es erschlossen hat, deshalb nicht erlaubt ist, das neukultivierte Land zu nutzen und bewirtschaften, weil er damit dem Arbeiter die Gelegenheit zunichte macht, die ihm durch seine Arbeit gehört. Damit dem Arbeitenden diese Gelegenheit erhalten bleibt, wird es keinem anderen erlaubt, das Land zu nutzen, gleichgültig ob der Arbeitende daran denkt, die Gelegenheit tatsächlich wahrzunehmen, oder nicht, denn es ist auf jeden Fall seine Gelegenheit, die er selbst geschaffen hat, und er hat das Recht, sie zu behalten, solange seine Mühen, die er für die Urbarmachung des Landes aufgewendet hat, dort noch Auswirkungen zeigen.

Im Gegensatz dazu ist es im Falle einer Wasserquelle auch einem anderen als dem Arbeiter, der sie zugänglich gemacht hat, gestattet, davon zu profitieren, sofern das Wasser den Bedarf des Arbeiters übersteigt, denn damit wird dem Entdecker der Quelle die Gelegenheit, die er geschaffen hat, nicht weggenommen, da die Quelle in der Lage ist, gleichzeitig dem Bedarf des Arbeitenden, der sie entdeckt hat, nachzukommen, und auch die Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Die unterschiedliche Natur und Art und Weise der Nutzung von Land und von einer Quelle ist also der Grund, der erklärt, dass zwar bei der Quelle, aber nicht bei dem Land die Benutzung durch andere erlaubt ist.

Was freigelegte Lagerstätten von Bodenschätzen betrifft, so erlaubt es der Islam jedermann, davon zu profitieren, und zwar in einer Art und Weise, die dem Entdecker nicht die Gelegenheit vorenthält, die er geschaffen hat. Dies geschieht durch Grabung an einer anderen Stelle der Mine, oder indem man von derselben Ausgrabung Gebrauch macht, die der Entdecker der Bodenschätze angelegt hat, falls sie so ausgedehnt ist, dass ein anderer davon mitprofitieren kann, ohne dem Entdecker die Nutzungsmöglichkeit streitig zu machen. Das allgemeine Kriterium, nach dem es einem anderen als dem Arbeiter entweder erlaubt oder verboten wird, eine natürliche Ressource zu nutzen, die der Arbeiter erschlossen und an der er eine Gelegenheit zur Nutzung geschaffen hat, ist, in welchem Maße sich das auf die Gelegenheit auswirkt, die der Arbeiter mit seiner Erschließung der natürlichen Produktionsquelle geschaffen hat.

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