Wie entstehen persönliche Rechte auf der Grundlage von
Arbeit?
Tatsächlich
steht dieser Unterschied in engem Zusammenhang mit den
Rechtfertigungen, an welche die Theorie glaubt, wenn sie dem
Einzelnen persönliche Rechte an natürlichen Reichtümern auf
der Grundlage von Arbeit zugesteht. Um den von der Theorie
gemachten Unterschied zwischen den einzelnen Arbeiten der
Nutzung und Ausbeutung aus der Anzahl der von uns
vorgestellten Aktivität mit wirtschaftlichem Charakter völlig
zu verstehen, müssen wir die theoretische Spezifizierung der
persönlichen Rechte kennen, die an Arbeit gebunden sind, und
wissen, wie und in welchem Umfang die Arbeit eine positive
Rolle in der Theorie spielt. Weiterhin, nach welchem Prinzip
werden durch die Arbeit persönliche Rechte des Arbeitenden an
den Gütern, die er bearbeitet, begründet? Wenn wir dieses
Prinzip kennen, dann können wir mit seiner Hilfe zwischen den
einzelnen Arbeiten der Nutzung aus der vorgestellten Anzahl
differenzieren.
Wir können
dieses Prinzip im Lichte des vollständigen von uns angeführten
Überbaus der Theorie folgendermaßen zusammenfassen: Dem
Arbeitenden gehört das Ergebnis seiner Arbeit, das er durch
seine Mühe und mit seinen Fähigkeiten aus den rohen
Materialien der Natur geschaffen hat. Dieses Prinzip lässt
sich auf alle Arten der Nutzung und Ausbeutung, die der
Einzelne an der Natur und ihren “rohen“ Produktionsquellen
verrichten, anwenden, ohne Unterscheidung zwischen der
Tätigkeit der Neukultivierung von Ödland, der Freilegung einer
Mine, dem Schöpfen von Wasser, dem Feldbau auf von Natur aus
belebtem Land, oder dessen Nutzung als Weideland und zur
Anzucht von Tieren. Bei all diesen und allen sonstigen
Arbeiten an rohem Material der Natur hat der Arbeitende das
Recht, deren Früchte zu ernten und sich deren Ergebnis
anzueignen. Aber auch wenn der Arbeitende das Recht hat, sich
das Ergebnis seiner Arbeit an einer natürlichen
Produktionsquelle anzueignen, so bedeutet das nicht, dass alle
dieser Arbeiten zu einander entsprechenden Ergebnissen führen
würden, so dass auch die Art der Rechte, die daraus entstehen,
einander entsprechen müssten, vielmehr unterscheiden sie sich
in ihren Ergebnissen, und folglich auch in der Art der
persönlichen Rechte, die sie entstehen lassen. So ist z.B. die
Urbarmachung von Land eine Tätigkeit, die eine Person an einem
Stück toten Landes, das sich nicht zur unmittelbaren
Produktion und Nutzung eignet, ausführt, indem sie die Steine
und Verhärtungen von seiner Oberfläche beseitigt und all die
Bedingungen schafft, die es zur Nutzung und Produktion
geeignet machen, womit sie auf diese Weise ein wichtiges
Ergebnis ihrer Erschließung des Landes hervorbringt, das
vorher nicht vorhanden war. Dieses Ergebnis ist nicht die
Existenz des Landes selbst, denn die Tätigkeit der
Urbarmachung erschafft nicht das Land, sondern es ist die
Gelegenheit, welche die Person durch ihre Arbeit und Mühe
geschaffen hat. So führt die Urbarmachung von Ödland zur
Schaffung der Gelegenheit, das Land zu nutzen und auszubeuten,
d.h. diese Gelegenheit bestand vor der Urbarmachung nicht,
sondern sie entsteht als Ergebnis der Tätigkeit der
Urbarmachung.
Dem
Arbeitenden gehört gemäß der allgemeinen Theorie diese
Gelegenheit, in ihrer Eigenschaft als Ergebnis seiner Arbeit,
und sein Eigentumsrecht an dieser Gelegenheit hat die
Konsequenz, dass es anderen verboten wird, ihn dieser
Gelegenheit zu berauben und sie ihm zunichte zu machen, indem
sie ihm das Land wegnehmen und an seiner Stelle nutzen; denn
damit würde sie ihm die Nutzung der Gelegenheit vorenthalten,
die er mit seiner Mühe im Verlauf der Tätigkeit der
Urbarmachung geschaffen hat, und die sein durch legitime
Arbeit entstandenes Eigentum ist. Deshalb wird der Einzelne
durch seine Erschließung des Landes vorrangig zu dessen
Nutzung befugt, damit er die von ihm selbst geschaffene
Gelegenheit wahrnehmen kann, und diese vorrangige Befugnis
macht sein ganzes Recht an dem Land aus. Damit erkennen wir,
dass das Recht des Einzelnen an dem von ihm neukultivierten
Land in der Theorie darauf zurückgeführt wird, dass es anderen
nicht erlaubt sein darf, ihn des Ergebnisses seiner Arbeit zu
berauben, und ihm die Gelegenheit, die er mit seiner legitimen
Arbeit geschaffen hat, zunichte zu machen. Die Erschließung
einer in den Tiefen der Erde verborgenen Mine oder
Wasserquelle entspricht in dieser Hinsicht ganz der
Erschließung von Ödland. Denn der Arbeitende, der die
Erschließung vornimmt, schafft eine Gelegenheit zur Nutzung
der von ihm erschlossenen natürlichen Produktionsquelle, und
ihm gehört diese Gelegenheit, die das Resultat seiner
Bemühungen darstellt, also darf kein anderer ihm diese
Gelegenheit zunichte machen. Der Arbeitende hat das Recht,
andere daran zu hindern, falls sie versuchen, ihm die
jeweilige Ressource wegzunehmen, und dies wird als das Anrecht
auf das Land, die Mine oder die Quelle bezeichnet, mit den
Differenzierungen, die wir sogleich untersuchen werden.
Was aber die
Ausübung des Ackerbaus durch eine Person auf bereits von Natur
aus belebtem Land oder die Verwendung des Landes als Viehweide
betrifft, so sind dies zwar Arbeiten der Nutzung und
Ausbeutung an natürlichen Produktionsquellen, aber sie
rechtfertigen nicht die Existenz eines Anrechts des Ackerbaus
oder des Hirten auf das Land, denn diese haben weder das Land
selbst, noch eine allgemeine Nutzungsmöglichkeit geschaffen,
wie diejenige, die durch die Urbarmachung von Ödland entsteht.
Es stimmt, dass der Ackerbauer oder der Hirte Feldfrüchte
produziert, bzw. Werte in Form tierischer Produkte schafft,
indem er an dem Land arbeitet, aber dies rechtfertigt nur
seine Aneignung der von ihm produzierten Feldfrüchte, oder des
Reichtums an Tieren, für die er Sorge trägt, und es
rechtfertigt nicht, dass ihm das Land gehört oder er ein
Anrecht darauf hat. Der Unterschied zwischen den
letztgenannten Arbeiten und den Arbeiten der Erschließung
besteht also darin, dass die Arbeit der Erschließung eine
Gelegenheit zur Nutzung des Landes, der Mine oder der
Wasserquelle schaffte, die vor der Erschließung nicht
vorhanden war, und die folglich der arbeitenden Person gehört,
womit sie durch ihr “Eigentum an dieser Gelegenheit“ ein
Anrecht auf die von ihr erschlossene Produktionsquelle
erwirbt. Dagegen war bei dem von Natur aus belebten oder von
Natur aus grünem Land, auf dem der Einzelne Ackerbau oder
Weidewirtschaft betreibt, die Gelegenheit der Nutzung durch
Ackerbau oder Weidewirtschaft schon vorher vorhanden, und
wurde nicht durch eine besondere Arbeit geschaffen. Das, was
aus der Arbeit, z.B. des Ackerbaus, hervorgeht, ist die Ernte,
und auf diese hat er zweifellos ein persönliches Anrecht, denn
sie ist das Ergebnis seiner Arbeit.
In diesem
Sinne können wir nunmehr eine weitere Voraussetzung für solche
Arbeit, die ein persönliches Anrecht auf Ressourcen der Natur
schafft, schlussfolgern. Wir haben zuvor die erste
Vorbedingung herausgefunden, nämlich dass die Arbeit
wirtschaftlichen Charakter haben muss, und erschließen jetzt
die zweite Vorbedingung, nämlich dass diese Arbeit einen
bestimmten neuen Zustand oder eine neue Gelegenheit schafft,
die dann dem Arbeitenden gehört, womit er ein Recht an der
natürlichen Produktionsquelle erwirbt. Auf diese Tatsache
weist al-Schafi´i hin, wenn er seine Auffassung, dass die
“schwer zugänglichen verborgenen Bodenschätze“ nicht durch
ihre Erschließung zum Eigentum der Person, die diese Arbeit
ausführt, werden, damit begründet, dass als “erschlossen“ nur
gelten könne, was – nachdem es durch die Erschließung einmal
nutzbar gemacht worden ist – kontinuierlich genutzt werden
könne, ohne die Nutzungsmöglichkeit ständig neu zu schaffen,
und dass dies bei Bodenschätzen nicht der Fall sei, da die
Nutzungsgelegenheit, die durch die Erschließung der
Lagerstätte geschaffen wird, begrenzt sei; folglich müsse auch
das durch diese Arbeit erworbene Recht begrenzt sein. Aus
dieser Entdeckung des Zusammenhangs zwischen dem Anrecht des
Arbeitenden auf eine natürliche Produktionsquelle und der
Gelegenheit zur Nutzung, die durch die Arbeit an dieser
Produktionsquelle geschaffen wird, ergibt sich die logische
Schlussfolgerung, dass das Anrecht einer Person darauf
verfällt, wenn jene Gelegenheit, die sie geschaffen hat, nicht
mehr besteht, denn ihr Recht an jener natürlichen
Produktionsquelle beruhte, wie wir festgestellt haben, auf
ihrem “Eigentum an der Gelegenheit“; wenn diese also nicht
mehr gegeben ist, verfällt auch ihr Anrecht. Genau das finden
wir in den Abschnitten 4) und 5) des von uns vorgestellten
Überbaus bestätigt.
Nehmen wir uns
nun die besagten Arbeiten der Erschließung vor, die dem
einzelnen Arbeiter zu einem persönlichen Recht an der
jeweiligen natürlichen Produktionsquelle verhelfen, wie die
Neukultivierung von Land, die Freilegung einer Mine und die
Erschließung einer Wasserquelle, um den Standpunkt der Theorie
ihnen gegenüber genau zu studieren, wobei wir sehen werden, ob
sich ebendiese Arbeiten hinsichtlich der Rechte, die sie
entstehen lassen, voneinander unterscheiden. Wir haben bereits
den Unterschied zwischen diesen und sonstigen Arbeiten der
Nutzung und Ausbeutung untersucht, und noch davor den
Unterschied zwischen den Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung
ganz allgemein und den Handlungen der Monopolisierung und
ausschließlichen Beanspruchung zur Kenntnis genommen. Als wir
im Rahmen des auf der Theorie aufbauenden Überbaus die Rechte
dargelegt haben, die sich auf Arbeiten der Erschließung
begründen, fanden wir, dass sie sich voneinander
unterscheiden. So darf, wenn eine Person Land urbar gemacht
hat, keine andere Person es ohne deren Erlaubnis nutzen und
darüber verfügen, solange der Person, die es urbar gemacht
hat, ihr Anrecht auf das Land erhalten bleibt, während wir
sehen, dass jemand, der eine Quelle zum Fließen bringt, ein
Anrecht auf soviel von deren Wasser hat, wie er benötigt, aber
dass andere alles Wasser der Quelle nutzen dürfen, das den
Bedarf ihres Entdeckers übersteigt. Daher muss eine
theoretische Betrachtung die Gründe erläutern, die dazu
führen, dass sich das Recht des Arbeitenden an dem Land, das
er urbar gemacht hat, von dem Recht des Arbeitenden an der
Quelle, die er erschlossen hat, unterscheidet, und warum es
jedermann erlaubt ist, das Wasser einer Quelle zu benutzen,
falls es den Bedarf ihres Besitzers übersteigt, während
niemand das Land, das ein anderer urbar gemacht hat, ohne
dessen Erlaubnis bebauen darf, selbst wenn letzterer es nicht
tatsächlich für den Ackerbau nutzt.
In
Wirklichkeit ist die Antwort darauf im Lichte unserer
Kenntnisse, die wir bis jetzt über die Theorie erworben haben,
schon gegeben, denn dem Arbeitenden gehört vor allen Dingen
das Ergebnis seiner Arbeit, nämlich die Gelegenheit der
Nutzung einer natürlichen Ressource, und ein “Eigentum an
dieser Gelegenheit“ bedeutet unweigerlich für andere das
Verbot, ihn dieser Gelegenheit zu berauben und sie ihm
zunichte zu machen. Daher erwirbt er ein persönliches Anrecht
auf die natürliche Produktionsquelle. Das gilt für sämtliche
Produktionsquellen, ohne dass dabei zwischen Land,
Lagerstätten von Bodenschätzen und Wasserquellen unterschieden
würde, d.h. die Rechte, die sich aus der Erschließung solcher
natürlicher Ressourcen ergeben, sind untereinander gleich. Die
Erlaubnis für andere, das Wasser einer Quelle, das den Bedarf
desjenigen, der sie erschlossen hat, übersteigt, zu benutzen,
die im Falle von Land nicht besteht, ist nicht auf
unterschiedliche Zuerkennung von Rechten zurückzuführen,
sondern erklärt sich aus der Natur jener Dinge. Denn die
Nutzungsmöglichkeit, die einer Person zusteht, nachdem sie
eine Quelle ausgegraben hat und auf Wasser gestoßen ist, geht
ihr nicht verloren, indem sich eine andere Person an der
Nutzung des Wassers beteiligt, sofern es sich um eine
ergiebige Quelle handelt, die den Bedarf der ersteren
übersteigt, denn eine wasserreiche Quelle reicht im
allgemeinen aus, um zwei Personen mit Wasser zu versorgen und
ihren Bedarf zu decken. Damit bleibt dem Arbeitenden die
Gelegenheit, die er geschaffen hat, erhalten, und es ist nicht
so, dass die Benutzung der Quelle durch einen anderen, der
davon trinkt und sein Vieh damit tränkt, dazu führt, dass ihm
jene Gelegenheit zunichte wird.
Anders verhält
es sich mit dem Land, das jemand urbar gemacht, und an dem er
durch seine Urbarmachung eine Gelegenheit zur Nutzung
geschaffen hat, denn das Land lässt naturgemäß die
gleichzeitige Nutzung durch zwei Personen nicht zu. Wenn sich
also eine Person an die Nutzung bereits erschlossenen Landes
machen würde, nähme sie damit dem Arbeiter, der es erschlossen
hat, die von ihm geschaffene Gelegenheit weg, denn wenn das
Land für die Produktion von Feldfrüchten verwendet wird, kann
es keine gleichwertige sonstige Aufgabe erfüllen, und nicht
noch von einer anderen Person für produktive Zwecke genutzt
werden. Somit erkennen wir, dass es einem anderen als dem
Arbeiter, der es erschlossen hat, deshalb nicht erlaubt ist,
das neukultivierte Land zu nutzen und bewirtschaften, weil er
damit dem Arbeiter die Gelegenheit zunichte macht, die ihm
durch seine Arbeit gehört. Damit dem Arbeitenden diese
Gelegenheit erhalten bleibt, wird es keinem anderen erlaubt,
das Land zu nutzen, gleichgültig ob der Arbeitende daran
denkt, die Gelegenheit tatsächlich wahrzunehmen, oder nicht,
denn es ist auf jeden Fall seine Gelegenheit, die er selbst
geschaffen hat, und er hat das Recht, sie zu behalten, solange
seine Mühen, die er für die Urbarmachung des Landes
aufgewendet hat, dort noch Auswirkungen zeigen.
Im Gegensatz
dazu ist es im Falle einer Wasserquelle auch einem anderen als
dem Arbeiter, der sie zugänglich gemacht hat, gestattet, davon
zu profitieren, sofern das Wasser den Bedarf des Arbeiters
übersteigt, denn damit wird dem Entdecker der Quelle die
Gelegenheit, die er geschaffen hat, nicht weggenommen, da die
Quelle in der Lage ist, gleichzeitig dem Bedarf des
Arbeitenden, der sie entdeckt hat, nachzukommen, und auch die
Bedürfnisse anderer zu befriedigen. Die unterschiedliche Natur
und Art und Weise der Nutzung von Land und von einer Quelle
ist also der Grund, der erklärt, dass zwar bei der Quelle,
aber nicht bei dem Land die Benutzung durch andere erlaubt
ist.
Was
freigelegte Lagerstätten von Bodenschätzen betrifft, so
erlaubt es der Islam jedermann, davon zu profitieren, und zwar
in einer Art und Weise, die dem Entdecker nicht die
Gelegenheit vorenthält, die er geschaffen hat. Dies geschieht
durch Grabung an einer anderen Stelle der Mine, oder indem man
von derselben Ausgrabung Gebrauch macht, die der Entdecker der
Bodenschätze angelegt hat, falls sie so ausgedehnt ist, dass
ein anderer davon mitprofitieren kann, ohne dem Entdecker die
Nutzungsmöglichkeit streitig zu machen. Das allgemeine
Kriterium, nach dem es einem anderen als dem Arbeiter entweder
erlaubt oder verboten wird, eine natürliche Ressource zu
nutzen, die der Arbeiter erschlossen und an der er eine
Gelegenheit zur Nutzung geschaffen hat, ist, in welchem Maße
sich das auf die Gelegenheit auswirkt, die der Arbeiter mit
seiner Erschließung der natürlichen Produktionsquelle
geschaffen hat.