Schwer zugängliche verborgene Bodenschätze
Solche
verborgene Bodenschätze, die in den Tiefen der Erde verborgen
sind, erfordern zweierlei Art von Arbeitsaufwand: Erstens, die
Mühe der Entdeckung und Grabung von Stollen usw., um zu den
entsprechenden Schichten im Inneren der Erde vorzudringen, und
zweitens, die Mühe, die auf den Rohstoff selbst verwandt
werden muss, um ihn umzuwandeln und seine mineralischen
Eigenschaften hervortreten zu lassen, wie etwa bei
goldhaltigem Gestein oder Eisenerz. Wir wollen diese Kategorie
von Bodenschätzen die “schwer zugänglichen verborgenen
Bodenschätze“ nennen. Über diese “schwer zugänglichen
verborgenen Bodenschätze“ gibt es eine Reihe von
widersprüchlichen Theorien in der islamischen
Rechtsgelehrsamkeit.
Manche
Autoren, wie al-Kulaini,
al-Qummi,
al-Mufid,
al-Daylami, al-Qadi und andere, vertreten die Ansicht, sie
seien Eigentum des Staates bzw. des Imam, in seiner
Eigenschaft als Autorität, nicht als Person, weil sie glauben,
dass die Bodenschätze allesamt zu der “Beute [anfal]“
gehören, welche Eigentum des Staates seien. Und manche sind
der Meinung, sie gehörten zu den gemeinschaftlichen Gütern,
die allen Menschen zusammen als “Eigentum der Gemeinschaft“
gehören; letztere Rechtsmeinung ist von al-Schafi´i und vielen
hanbalitischen Rechtsgelehrten überliefert. Der schafiitische
Rechtsgelehrte al-Mawardi weist darauf hin, dass es sich um
eine von zwei Rechtsaussagen zu dem Thema handelt, wenn er
schreibt: „Die verborgenen Bodenschätze sind solche, deren
nutzbare Subtanz erst durch zusätzliche Arbeit gewonnen werden
kann. So sind die Erze von Gold, Silber, Kupfer, Eisen und
dergleichen verborgene Mineralien, ob das geförderte Material
eine Einschmelzung und Reinigung bedarf, oder nicht. Über die
Zulässigkeit von deren Konzessionierung gibt es zwei
Rechtsaussagen, von denen eine lautet, die Konzessionierung
sei nicht zulässig und alle Menschen hätten Rechte daran.“
Auch aus den Ausführungen des hanbalitischen Rechtsgelehrten
Ibn Qudama geht hervor, dass die “schwer zugänglichen
verborgenen Bodenschätze“ nach der hanbalitischen Rechtsschule
[mazhab], ebenso wie nach der schafiitischen
Rechtsschule, offensichtlich als “gemeinschaftliche Güter“
gelten; in dieser Hinsicht bestünde also kein Unterschied
zwischen solchen und den offensichtlichen, bzw. den leicht
zugänglichen verborgenen Bodenschätzen.
Es ist jetzt
im Zusammenhang mit der Herausarbeitung der
Wirtschaftsideologie, die wir beabsichtigen, nicht allzu
wichtig, die vom Islam gesetzgeberisch vorgesehene Form von
Eigentum an diesen Bodenschätzen zu untersuchen, d.h. ob es
sich um die Form des “Eigentums der Gemeinschaft“ oder des
staatlichen Eigentums oder irgendeine andere Form handelt,
solange feststeht, dass diese Bodenschätze in ihren
natürlichen Vorkommen einen sozialisierten, öffentlichen
Charakter haben, und nicht Einzelpersonen ausschließlich
gehören dürfen. Die genaue Untersuchung der Art von Eigentum
ist dann eine formale Angelegenheit, die für unser hier
angestrebtes Ziel nicht relevant ist. Dagegen ist es wichtig
zu wissen, und muss untersucht werden, ob und in welchem
Umfang der Islam es gestattet, die Mineralien, z.B. von Gold
und Silber, aus dem Bereich der kollektiven Reichtümer
herauszunehmen, und der Person, die dort, wo Bodenschätze
lagern, Grabungen vornimmt und diese entdeckt, das
Eigentumsrecht an den von ihr entdeckten Bodenschätzen
zugesteht.
Wir haben
bereits gesehen, dass im Falle der offensichtlichen
Bodenschätze und der nahe der Erdoberfläche lagernden
verborgenen Bodenschätze das islamische Recht [scharia]
– gemäß der Auffassung der Mehrzahl der Rechtsgelehrten –
nicht deren Aneignung als Privateigentum gestattet, sondern
lediglich jedem einzelnen erlaubt, sich von deren Lagerstätten
so viel zu entnehmen, wie seinem Bedarf entspricht, ohne die
anderen zu schädigen. Wir müssen nun doch den Standpunkt des
islamischen Rechts [scharia] zu den “schwer
zugänglichen verborgenen Bodenschätze“ kennenlernen, und
klarstellen, in welchem Umfang dieser mit deren Haltung
gegenüber anderen Bodenschätze übereinstimmt oder nicht. Die
Frage ist also: Kann ein Einzelner sich Lagerstätten von
beispielsweise Gold oder Eisen als Privateigentum aneignen,
indem er sie durch Ausgrabungsarbeiten entdeckt, oder nicht?
Viele Rechtsgelehrte beantworten diese Frage positiv, und
vertreten die Ansicht, dass die Bodenschätze durch ihre
Entdeckung bei den Ausgrabungsarbeiten Eigentum der
betreffenden Person werden. Hierbei berufen sie sich darauf,
dass die Entdeckung von Bodenschätzen durch Ausgrabung eine
Art von Erschließung darstellt, und dass die Ressourcen der
Natur durch Erschließung Eigentum der betreffenden Person
werden. Weiterhin handele es sich um eine Variante der
Inbesitznahme [hiyaza], und die Inbesitznahme soll als
ausreichende Bedingung für die Aneignung natürlicher
Reichtümer aller Art gelten.
Wenn wir diese
Ansicht im Hinblick auf ihren ideologischen Gehalt
untersuchen, dann dürfen wir sie nicht von den Vorbehalten,
welche sie impliziert, und deren Grenzen, die sie dem Eigentum
an Bodenschätzen setzt getrennt betrachten, auch wenn sie es
demjenigen, der sie entdeckt, gestattet. Denn das Eigentum an
den Bodenschätzen, das derjenige, der sie entdeckt, – gemäß
dieser Rechtsmeinung – erlangt, erstreckt sich nicht bis in
die Tiefen der Erde über die gesamte Lagerstätte, bzw. über
alle Adern des Minerals. Vielmehr umfasst es nur das Material,
welches die Ausgrabung freilegt, wie es auch horizontal nicht
über die Grenzen der Ausgrabung hinausgeht, die derjenige, der
die Lagerstätte entdeckt hat, vornimmt, außer in dem Umfang,
wie es zur technischen Durchführung der Förderung des
Materials aus der Grube notwendig ist, und dies nennt man in
der Rechtswissenschaft [fiqh] der “Haram“
der Mine. Es ist klar, dass
diese Dimensionen des Eigentums ziemlich begrenzt und eng
gefasst sind, und es jeder anderen Person gestatten, an einer
anderen Stelle derselben Lagerstätte Ausgrabungen vorzunehmen,
auch wenn sie tatsächlich dieselben Adern und Quellen
anzapfen, die derjenige, der sie zuerst entdeckt hat,
ausbeutet, denn diesem gehören nicht die gesamten Adern oder
Quellen.
Diese
Einschränkung des privaten Eigentums an verborgenen
Bodenschätzen, die auch von denen, die es befürworten, gemacht
wird, geht aus einer Anzahl von Schriften der
Rechtswissenschaft [fiqh] deutlich hervor. So schreibt
Allama al-Hilli in den “Qawa´id“: „Auch wenn jemand gräbt
und auf Bodenschätze stößt, hat er nicht das Recht, andere an
der Grabung von einer anderen Seite der Lagerstätte her zu
hindern. Und wenn ein anderer die erzhaltige Ader erreicht,
dann darf er – d.h. der erste Grabende – ihm nicht deren
Ausbeutung verbieten, denn ihm gehört nur der Platz, an dem er
selbst gegraben hat, und der dazugehörige Haram.“
Der selbe Autor schreibt in der “Tadhkira“ zur Definition des
vom Eigentum erfassten Bereiches: „Wenn es sich um eine
ausgedehnte Grabung handelt, die nur in der Mitte oder
irgendwo am Rand fündig wird, dann beschränkt sich das
Eigentum nicht nur auf die Fundstätte, sondern dem
Betreffenden gehört auch von deren näherer Umgebung so viel,
wie für seinen Haram angemessen ist, nämlich den Platz, den er
für seine Helfer und Arbeitstiere benötigt. Und was über diese
Ausgrabung hinausgeht, steht jedermann frei, d.h. wer an einer
anderen Stelle dessen gräbt, darf nicht daran gehindert
werden, auch nicht dann, wenn er auf die gleiche Ader stößt,
ganz gleich, ob wir davon ausgehen, dass die Lagerstätte durch
die Ausgrabung zum Eigentum des Entdeckers wird, oder nicht.
Denn selbst wenn sie ihm gehört, dann nur die Stelle, die er
durch Grabung freigelegt hat, aber ihm gehört nicht die ganze
erzhaltige Ader in der Erde.“
Diese Zitate begrenzen das Eigentum auf den Platz der
Ausgrabung und deren nähere Umgebung, in dem Umfang, der es
ermöglicht, den Rohstoff problemlos zu fördern. Sie erkennen
aber nicht dessen vertikale und horizontale Ausdehnung auf
weitere Gebiete der Lagerstätte an.
Wenn wir zu
dieser Einschränkung, die auch von solchen Rechtsgelehrten
bestätigt wird, die das private Eigentum an Bodenschätzen
befürworten, das Prinzip der Nichtzulässigkeit einer
Stilllegung hinzufügen, welches denjenigen, die die Ausgrabung
und die Arbeit der Entdeckung der Lagerstätten durchführen,
verbietet, diese zu blockieren und brachliegen zu lassen, und
vorschreibt, dass ihnen das Eigentumsrecht entzogen wird, wenn
die ihren Haram verlassen und stilllegen ... , wenn wir all
diese Vorbehalte berücksichtigen, finden wir, dass die
Befürwortung des Eigentums, die dem Einzelnen die Aneignung
von den Bodenschätzen innerhalb dieser Grenzen gestattet, im
Hinblick auf die eindeutigen Schlussfolgerungen, die daraus
abgeleitet werden können, und angesichts ihrer Implikationen
für eine theoretische Studie der islamischen Wirtschaft, einer
Ablehnung von privatem Eigentum an den Lagerstätten
gleichkommt. Denn aufgrund dieser Vorbehalte darf der Einzelne
sich nur so viel von den Bodenschätzen aneignen, wie innerhalb
der Grenzen seiner Ausgrabungen liegt, und er ist von Beginn
seiner Arbeit an der Gefahr ausgesetzt, dass ihm seine Rechte
an der Lagerstätte entzogen werden, falls er diese absperrt,
seine Arbeit einstellt und die Nutzung von deren mineralischem
Reichtum blockiert.
Diese Art von
Eigentum unterscheidet sich ganz eindeutig von dem Eigentum an
natürlichen Ressourcen, dass die kapitalistische Ideologie
zulässt; denn die besagte islamische Form von Eigentum
bedeutet nicht viel mehr als eine Art von Arbeitsteilung unter
den Menschen. Sie kann nicht zur Etablierung von privaten
Monopol-Unternehmen führen, wie solcher Unternehmer, die die
kapitalistische Gesellschaft dominieren, und nicht zum
Instrument der Macht über die Ressourcen der Natur, bzw. der
Monopolisierung von Lagerstätten und der darin enthaltenen
Reichtümer werden.
Als Gegenthese
zur Befürwortung des privaten Eigentums gibt es in der
Rechtswissenschaft [fiqh] noch eine andere Richtung,
welche die Aneignung von Bodenschätzen durch Einzelpersonen,
auch innerhalb der Grenzen, zu denen sich die Rechtsgelehrten,
die dieses Eigentum befürworten, bekennen, ablehnt. So heißt
es wörtlich im “Nihayat al-Muhtadsch ila Scharh al-Minhadsch“:
„Die verborgenen Bodenschätze, d.h. solche, die nur mit
Arbeitsaufwand gewonnen werden können, wie Gold, Silber, Eisen
und Kupfer, werden durch die Ausgrabung und Darstellung des
Metalls nicht zum Eigentum dessen, der diese Arbeiten
ausführt.“
Und im “al-Mugni“ des hanbalitischen Rechtsgelehrten Ibn
Qudama steht folgende Aussage des Verfassers über
Bodenschätze: „Wenn sie nicht offensichtlich sind, und
jemand sie ausgräbt und das Metall darstellt, dann werden sie
gemäß der eindeutigen Rechtspraxis der hanbalitischen und der
schafiitischen Rechtsschule dennoch zu dessen Eigentum.“
Diese Richtung in der Rechtswissenschaft [fiqh] stützt
ihre Argumentation bei der Ablehnung von privatem Eigentum an
Bodenschätzen auf eine Kritik der für solches Eigentum
angeführten Belege und der Prämissen derjenigen, die es
befürworten. Sie stimmt deren Argumentation, wonach jemand,
der Bodenschätze entdeckt, sie sich aufgrund seiner
Erschließung der Lagerstätte durch die Entdeckung, oder auch
schon aufgrund seiner Beschlagnahmung der Bodenschätze und
seiner Gewalt darüber, aneignen dürfe, nicht zu, weil nach dem
islamischen Recht [scharia] ein persönliches Recht
aufgrund von Erschließung nur am Land entstehen kann, gemäß
dem gesetzgeberisch relevanten Überlieferungs-Texten, der
besagt: „Wer Land neu kultiviert, dem steht es zu.“
Bodenschätze sind aber kein Land, so dass der
Überlieferungs-Text auch für diese gelten würde, was sich
dadurch belegen lässt, dass die Rechtsgelehrten, wenn sie die
Bestimmungen über die im kultivierten Zustand eroberten
Ländereien erörtern, und feststellen, dass diese
gemeinschaftliches Eigentum aller Muslime seien, die dort
lagernden Bodenschätze nicht in dieses Eigentum mit
einbeziehen, womit sie zugeben, dass Bodenschätze nicht als
“Land“ gelten. Ebenso findet sich im islamischen Recht [scharia]
kein Beleg dafür, dass die bloße Besitzergreifung eine
ausreichende Bedingung für die Aneignung der natürlichen
Produktionsquellen wäre. Im Sinne dieser Richtung in der
Rechtswissenschaft [fiqh] steht es einer Person nicht
zu, irgendwelche Bodenschätze als ihr Eigentum zu betrachten,
solange diese noch an ihrem natürlichen Fundort lagern,
sondern ihr gehört nur solches Material privat, das die
bereits gefördert hat. Dies bedeutet nicht, dass sich ihre
Beziehung zu der Lagerstätte in gesetzgeberischer Hinsicht
nicht von der Beziehung irgendeiner anderen Person, die keine
Erschließungsarbeiten vorgenommen hat, dazu unterscheiden
würde, sondern obwohl der ersteren von der Lagerstätte nichts
gehört, so wird sie von der Gesetzgebung doch als vorrangig
befugt angesehen, die von ihr erschlossene Stelle der
Lagerstätte zu nutzen, und an der Ausgrabung, die sie zu deren
Entdeckung vorgenommen hat, die Arbeit fortzusetzen, denn sie
ist es, die mit Hilfe dieser Ausgrabung, auf die sie ihre Mühe
und Arbeit verwandt hat, und mit der sie zu dem Bodenschatz in
den Tiefen der Erde vorgestoßen ist, die Gelegenheit zur
Nutzung der Lagerstätte geschaffen hat. Sie hat also das
Recht, andere an der Ausnutzung der von ihr angelegten Grabung
zu hindern, sofern sie dadurch bei ihrer eigenen Arbeit
gestört wird, und niemand darf sich dieser Ausgrabung
bedienen, um sich die Bodenschätze zu verschaffen, wenn er
damit die Nutzungsmöglichkeiten dessen, der sie vorgenommen
hat, beeinträchtigt.
Im Lichte der
von uns angeführten Zitate aus der Rechtswissenschaft [fiqh]
und der dort vertretenen Theorie über den Bergbau können wir
folgendes zusammenfassen: Die Lagerstätten gehören – nach der
in der Rechtswissenschaft [fiqh] vorherrschenden
Ansicht – zu den gemeinschaftlichen Gütern, sie unterliegen
also dem Prinzip des “Eigentums der Gemeinschaft“, und niemand
darf sich die Adern oder Quellen der Bodenschätze, die sich
unter der Erde über weite Strecken fortsetzen, aneignen.
Dagegen ist die Frage, ob einem Einzelnen so viel von den
Bodenschätzen gehören soll, wie es dem horizontalen und
vertikalen Umfang seiner eigenen Ausgrabung entspricht,
zwischen der vorherrschenden Rechtsmeinung in der
Rechtswissenschaft und einer anderen Richtung umstritten. So
wird nach der dominierenden Auffassung in der
Rechtswissenschaft dem Einzelnen das Recht zugesprochen, sich
Bodenschätze in diesem Umfang anzueignen, falls es sich um
“schwer zugängliche verborgene Bodenschätze“ handelt, während
nach der dieser widersprechenden Auffassungen der Einzelne
sich nur soviel von den Bodenschätzen aneignen darf, wie er
fördert, aber vor jeder anderen Person als vorrangig befugt
gilt, die betreffende Stelle der Lagerstätte zu nutzen und
dafür von seiner Ausgrabung Gebrauch zu machen.