Theorie der Produktion
Zusammenhang zwischen Ideologie und Produktion
Der Vorgang der Produktion hat zwei
Aspekte: Erstens den objektiven Aspekt, welcher sich in den
verwendeten Hilfsmitteln, in der Natur, die bearbeitet wird,
und in der Arbeit, die während der Produktion aufgewendet
wird, manifestiert. Zweitens den subjektiven Aspekt, welcher
sich in der psychologischen Motivation, zu produzieren, in dem
Ziel, das mit dieser Tätigkeit verfolgt wird, und in der
Bewertung des Vorganges entsprechend den jeweils zugrunde
liegenden Vorstellungen von Gerechtigkeit manifestiert. Der
objektive Aspekt des Vorgangs ist der Gegenstand, welchen die
Wirtschaftswissenschaft, allein oder zusammen mit den
Naturwissenschaften, untersucht, um die allgemeinen Gesetze
herauszufinden, welche für die Hilfsmittel der Produktion und
die Natur gelten, und dem Menschen zu ermöglichen, sich diese
Gesetze zunutze zu machen, nachdem man sie entdeckt hat, und
den objektiven Aspekt des Produktionsvorganges besser und
erfolgreicher zu organisieren.
So entdeckte die Wirtschaftswissenschaft
z.B. die Gesetzmäßigkeit des abnehmenden Grenzertrages beim
Ackerbau, welches besagt, dass der Vermehrung des Einsatzes
von Arbeit und Kapital zur Kultivierung von Land in einem
bestimmten Verhältnis eine relative geringere
Ertragssteigerung gegenübersteht, und dass dieses
Missverhältnis zwischen dem zusätzlichen Aufwand an
Kapitaleinheiten und dem Grad der Ertragssteigerung sich
verschärft, dass folglich die Ertragssteigerung immer geringer
wird, bis der zusätzliche Ertrag nur noch dem Gegenwert der
zusätzlichen Einheiten von Arbeit und Kapital entspricht,
womit der Ackerbauer keinen Vorteil mehr von vermehrtem
Aufwand für das Land hat. Diese Gesetzmäßigkeit wirft ein
Licht auf den Produktionsvorgang, und dank seiner Entdeckung
kann der produzierende Mensch die Vergeudung von Kapital und
Arbeit vermeiden und den Einsatz der Produktionsfaktoren
derart begrenzen, dass er sich den größtmöglichen Gewinn
sichert. Ebenso wie mit dieser Gesetzmäßigkeit verhält es sich
mit der Tatsache, dass die Arbeitsteilung zu einer
verbesserten und reichlicheren Produktion führt, denn dies ist
eine objektive Tatsache, welche die Wissenschaft herausfinden
und in den Dienst der Produzenten stellen kann, damit sie
davon zur Optimierung und Entwicklung der Produktion
profitieren.
Die Aufgabe der Wirtschaftswissenschaft,
welche sie für die Produktion erfüllt, besteht also darin,
jene Gesetze zu entdecken, mit deren Kenntnis der
produzierende Mensch die Möglichkeit hat, den objektiven
Aspekt des Produktionsvorganges in einer Weise zu
organisieren, die zu größerem Ertrag und einer vermehrten und
verbesserten Produktion führt. In diesem Bereich kann die
Wirtschaftsideologie, welcher Art sie auch sein mag, keinerlei
positive Rolle spielen. Denn die Entdeckung der allgemeinen
Gesetzmäßigkeiten und der objektiven Zusammenhänge zwischen
natürlichen oder gesellschaftlichen Phänomenen ist Aufgabe der
Wissenschaft, und fällt keineswegs unter die Zuständigkeit der
Ideologie. Daher können sich Gesellschaften mit
unterschiedlichen Ideologien auf der wissenschaftlichen Ebene
annähern, und übereinstimmend die Ergebnisse der
Wirtschaftswissenschaft und anderer Disziplinen nutzen und
sich im Bereich der Produktion daran orientieren. Die positive
Rolle der Ideologie macht sich nur beim subjektiven Aspekt des
Produktionsvorganges bemerkbar, denn in diesem Bereich
manifestiert sich der (ideologische) Gegensatz zwischen
Gesellschaften mit unterschiedlichen Wirtschaftsideologien.
Jede Gesellschaft hat ihre spezielle
Einstellung zur produktiven Tätigkeit, und bewertet diese auf
der Grundlage ihrer allgemeinen Leitbilder, und sie hat ihre
eigene ideologische Methode, die persönlichen Motive der
Menschen zu definieren und ein höchstes Ideal für das
gesellschaftliche Leben zu entwerfen. Warum produzieren wir?
Und in welchem Umfang? Welches sind die Ziele, die mit der
Produktion verfolgt werden müssen? Welche Art von Waren sollen
produziert werden? Soll es eine zentrale Autorität geben,
welche die Produktion beaufsichtigt und plant? Dieses sind die
Fragen, auf welche die Wirtschaftsideologie die Antwort gibt.