Politisches Element beim Eigentum am Land
Nunmehr, wo
wir die wirtschaftliche Theorie des Islam über das Land
umfassend erläutert haben, müssen wir noch das politische
Element aufzeigen, das sich hinter der allgemeinen Einstellung
des Islam zum Land verbirgt. Der Islam erkennt neben der
Neukultivierung, die ihrer Natur nach eine wirtschaftliche
Handlung ist, auch noch eine politische Handlung als Bedingung
für Landbesitz an. Die politische Handlung, die konkrete
Folgen für das Land hat, und die demjenigen, der sie ausführt,
zu einem persönlichen Recht daran verhilft, besteht darin, das
Land dem Territorium des Islam anzugliedern, es am Leben der
islamischen Umma effektiv teilnehmen zu lassen, und dieser
sein materielles Potential zur Verfügung zu stellen. In der
Tat geht jede effektive Einbeziehung des Landes in das Leben
der islamischen Umma und die Bereitstellung seines materiellen
Potentials entweder auf eine wirtschaftliche Ursache zurück,
nämlich auf die Arbeit der Neukultivierung, die jemand auf
Land innerhalb des islamischen Territoriums verwendet, damit
es von Leben erfüllt wird und an der Produktion teilnimmt,
oder – in anderen Fällen – auf eine politische Ursache,
nämlich auf eine Handlung, die zur Eingliederung bereits
belebten und kultivierten Landes in das Territorium des Islam
führt. Jede dieser Handlungen wird im Islam in besonderer
Weise gewürdigt.
Die Handlung,
die zur Eingliederung belebten und kultivierten Landes in das
islamische Territorium führt, kann zweierlei Art sein; denn
einmal kann das Land von dem Heer, das mit der Ausbreitung der
islamischen Religion beauftragt ist, in der Anstrengung [dschihad]
erobert werden, und in anderen Fällen können sich die
Landbesitzer ohne Not freiwillig zum Islam bekehren. Wenn die
Eingliederung des Landes in das islamische Territorium und
seine Einbeziehung in das islamische Leben ein Ergebnis von
Eroberung war, dann gilt die politische Handlung als Handlung
der ganzen Umma, nicht als Tat irgendeines Einzelnen; daher
geht das Land in den Besitz der Umma über und das Prinzip des
gemeinschaftlichen Eigentums kommt zur Anwendung. Und wenn die
Annektierung des kultivierten Landes und seine Einbeziehung in
das islamische Leben auf dem Wege der Bekehrung seiner
Besitzer erfolgte, dann liegt eine politische Handlung von
Einzelpersonen vor, nicht eine Handlung der gesamten Umma;
daher erkennt der Islam in diesem Fall deren Rechte an dem
kultivierten Land an, als dessen Besitzer sie sich zu Islam
bekehrten, und erlaubt ihnen, es zu behalten.
Somit erkennen
wir, dass die politische Handlung ein Rolle bei der
allgemeinen Einstellung des Islam zum Land spielt, aber sie
nimmt ihm nicht den Charakter des kollektiven Eigentums, wenn
es eine kollektive Handlung ist, an der die einzelnen
Mitglieder der Umma in verschiedener Weise beteiligt sind, wie
die Eroberung nichtmuslimischen Territoriums, vielmehr wird
das Land dann zum gemeinschaftlichen Eigentum der Umma. Und
das gemeinschaftliche Eigentum der Umma stimmt im Kern und in
seiner sozialen Bedeutung mit dem Eigentum des Staates
überein, auch wenn das staatliche Eigentum allgemeiner und
umfassender ist, weil das Eigentum der Umma, obschon allgemein
im Rahmen der Umma, doch auf jeden Fall speziell derselben
vorbehalten ist, so dass es nur für deren allgemeine Interesse
genutzt werden darf; dagegen kann der Imam das Eigentum des
Staates in einem weiter gefassten Rahmen nutzen.
Die politische
Handlung der Gemeinschaft hinsichtlich der kultivierten
Ländereien, die von den Muslimen erobert werden, schafft also
für diese einen Status in islamischen Rahmen anstelle eines
umfassenderen menschlichen Rahmens, aber sie nimmt ihnen
keineswegs den Charakter des kollektiven Eigentums. Dieser
Status wird nur dann verändert, und auf das Land das Prinzip
des Privateigentums angewendet, wenn die politische Handlung
in der Willensentscheidung einzelner Personen bestand, wie
beim freiwilligen Übertritt zum Islam einzelner Landbesitzer.
Wir stellen
fest: Der grundsätzliche Bereich für privates Eigentum an der
Kontrolle über das Land ist in der islamischen Gesetzgebung
jener Kategorie von Land vorbehalten, die bereits Eigentum
gewisser Personen war – entsprechend den jeweiligen
Gesellschaftssystemen, unter denen sie vor der Expansion des
Islam lebten – die später die Einladung zum Islam [dawa]
erhört haben und freiwillig zum Islam übertraten, ... deren
Eigentum respektiert das islamische Recht [scharia] und
überlässt ihnen ihr Vermögen.
In anderen als
diesen Bereichen gilt das Land immer als Eigentum des Imam,
und das islamische Recht [scharia] erkennt die
Aneignung der Kontrolle darüber durch eine Einzelperson nicht
an; der Einzelne kann lediglich ein persönliches Anrecht auf
das Land erlangen, indem er es kultiviert und nutzbar macht,
wie das anhand der Rechtsmeinung des Scheich Tusi schon
aufgezeigt wurde. Wenn sich dieses Recht in unserer erlebten
Realität in der Praxis auch nicht vom Eigentum unterscheidet,
so doch in der Theorie, denn solange jemand nicht Eigentümer
der Kontrolle über das Land ist und es nicht dem Bereich des
Eigentums des Imam entzogen hat, kann ihm der Imam eine Steuer
auferlegen, wie das Scheich Tusi feststellt. Und wir brauchen
uns jetzt nicht über die Praxis dieser Steuer zu äußern, denn
es gibt bestimmte Überlieferungen, die deren Aufhebung unter
Ausnahmebedingungen legitimieren, auch wenn sie sie
theoretisch sanktionieren.
Das islamische
Recht [scharia] erkennt also auf theoretischer Ebene
das private Eigentum an der Kontrolle über das Land nicht an,
außer im Rahmen ihrer Respektierung solchen Grundeigentums,
das fest etabliert war, bevor es durch die freiwillige
Bekehrung oder friedliche Unterwerfung der Eigentümer dem
Territorium des Islam angegliedert wurde. Wir können mit
Leichtigkeit plausible politische Gründe für diese
Respektierung von Eigentum finden, wenn wir sie mit den
Erwägungen der Einladung zum Islam [dawa] und deren
wesentlichen Anliegen in Verbindung bringen, anstatt mit dem
wirtschaftlichen Gehalt der islamischen Einstellung zum Land.
Denn es ist notwendig, diejenigen, die sich als Landbesitzer
freiwillig zum Islam bekehren oder sich friedlich dem
Herrschaftsbereich des Islam angliedern lassen, die Flächen,
welche sie zu diesem Zeitpunkt kultivieren, zu belassen, und
nicht von ihnen zu verlangen, diese dem Islamischen Staat, dem
sie sich angeschlossen oder dessen Herrschaft sie sich
untergeordnet haben, zu übergeben; andernfalls würde das ein
großes Hindernis für die Einladung zum Islam [dawa] und
deren Ausbreitung in verschiedenen Phasen darstellen. Und
obwohl der Islam das Recht auf privates Eigentum an Land
zugesteht, gewährt er es nicht in unbeschränkter Form, sondern
macht es davon abhängig, dass jene Personen ihre Ländereien
weiterhin nutzen und daran arbeiten, damit sie in das Leben
der islamischen Gesellschaft einbezogen werden. Wenn sie das
Land aber vernachlässigen, bis es verwahrlost, dann wird es
nach der Meinung einer Anzahl von Rechtsgelehrten, wie Ibn
al-Barradsch und Ibn Hamza wieder zum Eigentum der Umma.