Konsequenzen der beiden verschiedenen Formen von
nicht-privatem Eigentum
Diese beiden
Formen von Eigentum – das kollektive Eigentum der Umma und das
Eigentum des Staates – gleichen sich zwar in ihrer sozialen
Zweckbestimmung, aber sind als zwei gesetzgeberisch
unterschiedliche Formen anzusehen, denn in einem Fall ist der
Eigentümer die gesamte Umma, und im anderen Fall die
Autorität, die von Allah beauftragt ist, jene Umma zu
regieren. Die unterschiedlichen Formen des Eigentums
manifestieren sich auf folgende Weise:
·
Erstens: In
der Methode, die beiden Arten von Eigentum jeweils nutzbar zu
machen, und in der Rolle, die sie beim Aufbau der islamischen
Gesellschaft spielen. So muss der verantwortliche Befehlshaber
[wali-ul-amr] die Ländereien und Reichtümer, die der
gesamten Umma als “Eigentum der Gemeinschaft“ gehören, derart
nutzen lassen, dass deren Ertrag für die Befriedigung der
Bedürfnisse der gesamten Umma, bzw. im Sinne ihres
Allgemeinwohls als Ganzes, verwendet werden, etwa für den Bau
von Krankenhäusern, die Bereitstellung von
Bildungsinstitutionen oder ähnliche soziale Einrichtungen, die
der gesamten Umma dienen, und es ist nicht zulässig, das
“Eigentum der Gemeinschaft“ im Interesse einer bestimmten
Teilgruppe der Umma zu verwenden, wenn deren Wohl nicht
unmittelbar mit dem Allgemeinwohl verknüpft ist. So ist es
z.B. nicht erlaubt, aus den Erträgen jenes Eigentums Vermögen
für gewisse Gruppen von Armen zu schaffen, solange dies nicht
zu einem Interesse und einer Notwendigkeit der gesamten Umma
wird, etwa wenn die Bewahrung des sozialen Gleichgewichts von
der Ausnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für diesen
Zweck abhängt. Und der Ertrag aus dem gemeinschaftlichen
Eigentum darf auch nicht für Bereiche des Lebens der
nichtmuslimischen Mitbürger, die in der islamischen
Gesellschaft leben und für die der verantwortliche
Befehlshaber [wali-ul-amr] verantwortlich ist,
ausgegeben werden. Dagegen können die Eigentümer des Staates
sowohl für die allgemeinen Interessen der gesamten Umma, als
auch für legitime Interessen bestimmter Gruppen genutzt
werden, etwa für die Schaffung von Vermögen für bedürftige
Mitglieder der islamischen Gesellschaft, oder für sonstige
Anliegen, für die der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr]
verantwortlich ist.
·
Zweitens:
Dadurch, dass an dem “Eigentum der Gemeinschaft“ kein
persönliches Recht eines Einzelnen entstehen darf. Wir haben
bereits erwähnt, dass niemand an demjenigen gewaltsam
eroberten Land, dessen Eigentum der Umma zufällt, ein
persönliches Anrecht erwerben kann, auch nicht dann, wenn er
es, nachdem es verwahrlost war, neu kultiviert, im Gegensatz
zu den Verhältnissen beim Eigentum des Staates, wo der
Einzelne durch Arbeit ein solches Recht erwerben kann, in dem
Maße, wie es der Staat erlaubt. Denn wer mit Erlaubnis des
Imam staatseigenes Ödland kultiviert, erwirbt ein persönliches
Anrecht darauf, wenn auch nicht die Kontrolle darüber;
vielmehr hat er nur ein höheres Anrecht auf das Land als
andere, während dessen Kontrolle dem Staat erhalten bleibt,
wie später noch ausgeführt wird.
·
Drittens:
Dadurch, dass es dem verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr]
nicht gestattet ist, in Ausübung seines Amtes solche Güter,
die in den Rahmen des gemeinschaftlichen Eigentums der Umma
fallen, durch Verkauf, Schenkung oder dergleichen in das
Eigentum einzelner Personen zu überführen, während dies bei
allem, was zum Bereich des staatlichen Eigentums gehört,
zulässig ist, wenn es der Imam im Sinne des Allgemeinwohls für
richtig hält.
Diese
Unterscheidung der beiden Formen von Eigentum bringt die
beiden Termini der Rechtswissenschaft [fiqh] in die
Nähe der Begriffe der “speziellen Güter des Staates“ bzw. der
“öffentlichen Güter des Staates“ in der Sprache moderner
Gesetzeswerke, denn was wir als “Eigentum des Staates“
bezeichnen, entspricht in diesem Sinne dem, was juristisch als
“spezieller Besitz des Staates“ ausgedrückt wird, während dem
“gemeinschaftlichen Eigentum der Umma“ das, was das Gesetz als
“öffentlichen Besitz des Staates“ bezeichnet, entspricht. Aber
der Terminus des “gemeinschaftlichen Eigentums“ der Umma
unterscheidet sich insofern von dem der “öffentlichen Güter
des Staates“, als er wörtlich ausdrückt, dass die
gemeinschaftlichen Güter, die er umfasst, Eigentum der Umma
sind, und dem Staat dabei nur die Rolle des “getreuen
Wächters“ zukommt, während der juristische Begriff der
“öffentlichen Güter des Staates“ sowohl mit dieser gleichen
Bedeutung, als auch mit dem Eigentum des Staates selbst an
diesen Gütern zu vereinbaren wäre.