Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Konsequenzen der beiden verschiedenen Formen von nicht-privatem Eigentum

Diese beiden Formen von Eigentum – das kollektive Eigentum der Umma und das Eigentum des Staates – gleichen sich zwar in ihrer sozialen Zweckbestimmung, aber sind als zwei gesetzgeberisch unterschiedliche Formen anzusehen, denn in einem Fall ist der Eigentümer die gesamte Umma, und im anderen Fall die Autorität, die von Allah beauftragt ist, jene Umma zu regieren. Die unterschiedlichen Formen des Eigentums manifestieren sich auf folgende Weise:

·       Erstens: In der Methode, die beiden Arten von Eigentum jeweils nutzbar zu machen, und in der Rolle, die sie beim Aufbau der islamischen Gesellschaft spielen. So muss der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] die Ländereien und Reichtümer, die der gesamten Umma als “Eigentum der Gemeinschaft“ gehören, derart nutzen lassen, dass deren Ertrag für die Befriedigung der Bedürfnisse der gesamten Umma, bzw. im Sinne ihres Allgemeinwohls als Ganzes, verwendet werden, etwa für den Bau von Krankenhäusern, die Bereitstellung von Bildungsinstitutionen oder ähnliche soziale Einrichtungen, die der gesamten Umma dienen, und es ist nicht zulässig, das “Eigentum der Gemeinschaft“ im Interesse einer bestimmten Teilgruppe der Umma zu verwenden, wenn deren Wohl nicht unmittelbar mit dem Allgemeinwohl verknüpft ist. So ist es z.B. nicht erlaubt, aus den Erträgen jenes Eigentums Vermögen für gewisse Gruppen von Armen zu schaffen, solange dies nicht zu einem Interesse und einer Notwendigkeit der gesamten Umma wird, etwa wenn die Bewahrung des sozialen Gleichgewichts von der Ausnutzung des gemeinschaftlichen Eigentums für diesen Zweck abhängt. Und der Ertrag aus dem gemeinschaftlichen Eigentum darf auch nicht für Bereiche des Lebens der nichtmuslimischen Mitbürger, die in der islamischen Gesellschaft leben und für die der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] verantwortlich ist, ausgegeben werden. Dagegen können die Eigentümer des Staates sowohl für die allgemeinen Interessen der gesamten Umma, als auch für legitime Interessen bestimmter Gruppen genutzt werden, etwa für die Schaffung von Vermögen für bedürftige Mitglieder der islamischen Gesellschaft, oder für sonstige Anliegen, für die der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] verantwortlich ist.

·       Zweitens: Dadurch, dass an dem “Eigentum der Gemeinschaft“ kein persönliches Recht eines Einzelnen entstehen darf. Wir haben bereits erwähnt, dass niemand an demjenigen gewaltsam eroberten Land, dessen Eigentum der Umma zufällt, ein persönliches Anrecht erwerben kann, auch nicht dann, wenn er es, nachdem es verwahrlost war, neu kultiviert, im Gegensatz zu den Verhältnissen beim Eigentum des Staates, wo der Einzelne durch Arbeit ein solches Recht erwerben kann, in dem Maße, wie es der Staat erlaubt. Denn wer mit Erlaubnis des Imam staatseigenes Ödland kultiviert, erwirbt ein persönliches Anrecht darauf, wenn auch nicht die Kontrolle darüber; vielmehr hat er nur ein höheres Anrecht auf das Land als andere, während dessen Kontrolle dem Staat erhalten bleibt, wie später noch ausgeführt wird.

·       Drittens: Dadurch, dass es dem verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr] nicht gestattet ist, in Ausübung seines Amtes solche Güter, die in den Rahmen des gemeinschaftlichen Eigentums der Umma fallen, durch Verkauf, Schenkung oder dergleichen in das Eigentum einzelner Personen zu überführen, während dies bei allem, was zum Bereich des staatlichen Eigentums gehört, zulässig ist, wenn es der Imam im Sinne des Allgemeinwohls für richtig hält.

Diese Unterscheidung der beiden Formen von Eigentum bringt die beiden Termini der Rechtswissenschaft [fiqh] in die Nähe der Begriffe der “speziellen Güter des Staates“ bzw. der “öffentlichen Güter des Staates“ in der Sprache moderner Gesetzeswerke, denn was wir als “Eigentum des Staates“ bezeichnen, entspricht in diesem Sinne dem, was juristisch als “spezieller Besitz des Staates“ ausgedrückt wird, während dem “gemeinschaftlichen Eigentum der Umma“ das, was das Gesetz als “öffentlichen Besitz des Staates“ bezeichnet, entspricht. Aber der Terminus des “gemeinschaftlichen Eigentums“ der Umma unterscheidet sich insofern von dem der “öffentlichen Güter des Staates“, als er wörtlich ausdrückt, dass die gemeinschaftlichen Güter, die er umfasst, Eigentum der Umma sind, und dem Staat dabei nur die Rolle des “getreuen Wächters“ zukommt, während der juristische Begriff der “öffentlichen Güter des Staates“ sowohl mit dieser gleichen Bedeutung, als auch mit dem Eigentum des Staates selbst an diesen Gütern zu vereinbaren wäre.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de