Instrumente des Islam im gesetzgeberischen Bereich
Was den gesetzgeberischen Aspekt
betrifft, so gibt es gesetzliche Bestimmungen des Islam in
vielen Bereichen, die im Einklang mit dem Prinzip der
Entwicklung der Produktion stehen, zu dem sich die islamische
Wirtschaftslehre bekennt, und dessen Umsetzung in die Praxis
sie fördert. Im Folgenden führen wir einige dieser
Gesetzgebungen und Bestimmungen an:
1) Der Islam schreibt vor, dass das Land
seinem Besitzer weggenommen wird, wenn er es brachliegen lässt
und vernachlässigt, bis es verwahrlost, und sich weigert, es
zu kultivieren. Demzufolge beschlagnahmt der verantwortliche
Befehlshaber [wali-ul-amr]
in so einem Fall das Land, und nutzt es so, wie er es für
richtig hält, denn die aktive Rolle des Landes bei der
Produktion darf nicht außer Kraft gesetzt werden, sondern es
muss immer ein starker Faktor bleiben, der zum Wohlstand des
Menschen und zur Erleichterung seines Lebens beiträgt. Wenn
also ein persönliches Anrecht verhindert, dass es diese
Aufgabe erfüllt, dann wird dieses Recht annulliert und in
einer Weise modifiziert, dass das Land produktiv genutzt
werden kann.
2) Der Islam verbietet Hima,
d.h. die Beschlagnahmung einer Fläche vom Ödland und deren
“Schutz“ mit Gewalt, ohne für dessen Erschließung und
Nutzbarmachung eine Arbeit zu verrichten, und macht ein
Anrecht auf Land von dessen Urbarmachung und vergleichbaren
Tätigkeiten abhängig, unter Ausschluss von Handlungen der
Gewalt, die nichts mit der Produktion und der Nutzung des
Landes zum Wohle des Menschen zu tun haben.
3) Der Islam gewährt den Personen, die
mit den Erschließungsarbeiten an natürlichen
Produktionsquellen begonnen haben, nicht das Recht, jene
Ressourcen zu blockieren und die Arbeit ihrer Erschließung zu
unterbrechen, und erlaubt ihnen nicht, ihr dortiges
Nutzungsrecht zu bewahren, falls sie die Fortsetzung der
Arbeit zu diesem Zweck verzögern, denn deren anhaltende
Verfügungsgewalt darüber würde in so einem Fall dazu führen,
dass der Produktion die Potentiale und Möglichkeiten dieser
Ressourcen vorenthalten werden. Daher ist im Islam der
verantwortliche Befehlshaber
[wali-ul-amr] gehalten, jene Produktionsquellen ihren
Besitzern wegzunehmen, wenn sie ihre Arbeiten zu deren
Erschließung unterbrechen, und sich nicht zur Weiterführung
ihrer Arbeit bewegen lassen.
4) Der Islam gestattet es dem
verantwortlichen Befehlshaber
[wali-ul-amr] nicht, einer Person natürliche
Produktionsquellen in größerem Umfang zuzuteilen, als diese
Person nutzen und bearbeiten kann, denn eine Zuteilung über
deren Arbeitskraft hinaus würde bedeuten, dass die Reichtümer
der Natur und deren produktive Möglichkeiten verschwendet
würden.
5) Der Islam verbietet Einkünfte ohne
Arbeit, etwa indem eine Person Land pachtet und für eine
höhere Gebühr weiterverpachtet, um die Differenz zwischen den
beiden Gebühren einzubehalten, und ähnliche Möglichkeiten, die
wir an früherer Stelle besprochen haben. Es leuchtet ein, dass
die Verhinderung der Rolle eines solchen Mittelsmannes
zwischen dem Landeigentümer und dem Landarbeiter, der die
Kultivierung tatsächlich durchführt, der Produktion zugute
kommt, denn der Mittelsmann spielt keinerlei positive Rolle
bei der Produktion, sondern lebt nur auf Kosten der
Produktion, ohne irgendeinen Beitrag zu leisten.
6) Der Islam verbietet die Zinsnahme und
verhindert, dass Kapital für Zinsgeschäfte verwendet wird,
womit er gewährleistet, dass in der islamischen Gesellschaft
das vorhandene Kapital in produktives Kapital verwandelt wird,
das an industriellen und Handelsunternehmen beteiligt ist.
Diese Umwandlung hat zwei vorteilhafte Auswirkungen auf die
Produktion:
Der eine Vorteil ist die Aufhebung des
scharfen Gegensatzes zwischen den Interessen des Handels und
der Industrie einerseits, und den Interessen des Zinskapitals
anderseits. Denn in solchen Gesellschaften, die Zinsen
legitimieren, warten die Kapitaleigner immer auf die goldene
Gelegenheit, dass sich der Bedarf des Handels und der
Industrie nach Kapital verschärft und deren Nachfrage zunimmt,
um dann den Zinssatz zu erhöhen und ihr Kapital festzuhalten,
bis sie den höchstmöglichen Preis dafür erzielen. Wenn aber
die Nachfrage nach Kapital seitens der Geschäftsleute
nachlässt und sich ihr Bedarf danach verringert, dann können
wir beobachten, wie die Kapitaleigner ihre Gelder voller
Freigebigkeit und zu den bescheidensten Zinssätzen anbieten.
Es wird deutlich, dass die Abschaffung von Zinsen diesem
Widerspruch, der in der kapitalistischen Gesellschaft zwischen
der Klasse der Geldverleiher und der Klasse der Geschäftsleute
besteht, ein Ende setzt, denn die Abschaffung der Zinsen wird
naturgemäß die Kapitalisten, die ihr Geld gegen Zinsen zu
verleihen pflegten, in Vertragspartner von
Kapitalbeteiligungsvertrags-Abkommen [mudaraba]
verwandeln, die auf der Grundlage von Gewinnbeteiligung in
Industrie- oder Handelsunternehmungen investieren werden.
Damit werden klare Verhältnisse geschaffen, und das Kapital
wird in den Dienst von Handel und Gewerbe gestellt, es wird
deren Bedarf decken und deren Aktivität fördern. Der andere
Vorteil für die Produktion besteht darin, dass jene Gelder,
die in die Bereiche von Industrie und Handel fließen, mit
Entschlossenheit und Vertrauen für größere Projekte und
langfristige Aktivitäten verwendet werden können. Denn dem
Besitzer von Kapital bleibt nach der Abschaffung von Zinsen
nur noch die Hoffnung auf Gewinn durch Investitionen, was ihn
dazu bewegen wird, sich jenen größeren Projekten, die durch
ihre zu erwartenden Gewinne und Ergebnisse Anreiz bieten,
anzuschließen, im Gegensatz zu seiner Situation in einer
Gesellschaft, wo das System der Zinsnahme herrscht, denn dort
zieht er es vor, sein Kapital gegen Zinsen zu verleihen,
anstatt es in solche Unternehmen zu investieren, weil ihm die
Zinsen auf jeden Fall sicher sind. Weiterhin wird er es
bevorzugen, das Kapital kurzfristig zu verleihen, und
langfristige Kredite meiden, damit ihm nicht etwas von dem
Zinsertrag entgeht, falls der Zinssatz in der ferneren Zukunft
steigt, und die Kreditnehmer werden angesichts der baldigen
Fälligkeit gezwungen sein, das Kapital für kurzfristige
Projekte zu verwenden, um zur festgesetzten Zeit in der Lage
zu sein, dem Kapitalgeber den Betrag zuzüglich der
vereinbarten Zinsen zurückzuerstatten. Und im Übrigen werden
sich in einem System der Zinswirtschaft die Geschäftsleute
nicht entschließen, von den Kapitaleignern Geld zu leihen und
für Handels- und Industrieunternehmungen zu verwenden, solange
die Umstände nicht den Nachweis erbringen, dass sie damit
Gewinne erzielen können, welche die von den Kapitalgebern
verlangten Zinsen übersteigen. Das hält sie in vielen Fällen
von der Durchführung vieler Arten von Aktivitäten ab, und
blockiert das Geld in den Tresoren der Kapitalisten, womit es
keinen Beitrag mehr zum Wirtschaftsleben leisten und für
keinerlei produktive oder konsumptive Zwecke aufgewendet
werden kann, was dazu führt, dass produzierte Waren nicht
abgesetzt werden können, dass der Markt stagniert, dass Krisen
entstehen und dass das wirtschaftliche Leben erschüttert wird.
Wenn aber die Zinsen abgeschafft werden, dann werden aus
zinsnehmenden Kapitalisten Geschäftsleute, die direkt an den
verschiedenen Handels- und Industrieunternehmen beteiligt
sind, und sie werden ihr Interesse auch dann gewahrt finden,
wenn sie sich mit einem Gewinn geringeren Umfangs
zufriedengeben, weil sie nicht gezwungen sein werden, einen
Teil davon als Zinsen wegzugeben. Und es wird auch in ihrem
Interesse liegen, solche Gewinne, die über ihren persönlichen
Bedarf hinausgehen, in produktive und kommerzielle Projekte zu
investieren, wodurch der ganze Ertrag für den Konsum oder für
produktive Zwecke ausgegeben wird, anstatt dass ein Teil davon
in den Tresoren der Zinsnehmer festliegt, obwohl es für den
Handel und die Industrie gebraucht würde, und der Absatz eines
Teils der produzierten Güter von dessen konsumptiver
Verwendung abhängt.
7) Der Islam verbietet einige
Tätigkeiten, die keinen produktiven Zweck erfüllen, wie Wetten
und Glücksspiel, Zauberei und Taschenspielertricks, und
gestattet keine Einkünfte durch derartige Tätigkeiten, indem
man sich dafür bezahlen lässt, was aus dem Qur´an-Vers zu
entnehmen ist:
„Und
verzehrt nicht euer Vermögen zwischen euch mit der Nichtigkeit.“
Denn solche Tätigkeiten bedeuten
Vergeudung der nützlichen und produktiven Energien im
Menschen, und die nichtswürdigen Belohnungen, die an
diejenigen, die sie ausführen, bezahlt werden, sind eine
Verschwendung jeder Mittel, die zu einem Faktor der
Entwicklung und der Produktivität verwandelt werden könnten.
Ein umfassender Blick auf die Geschichte und die gegenwärtige
reale Praxis enthüllt uns den Umfang der Verschwendung, die
durch derartige Tätigkeiten und dadurch bezogene Einkünfte
entsteht, und der Verluste, welche die Produktion und alle
vernünftigen Zielsetzungen aufgrund der Verschwendung jener
Energien Mühen und Vermögen hinnehmen müssen.
8) Der Islam verhindert das Horten von
Bargeld, dessen Herausnehmen aus dem Umlauf und dessen
Blockierung, und zwar indem er dem gehorteten Gold- und
Silbergeld eine Steuer auferlegt, die der islamische Staat
einzieht, nämlich die Steuer der
Allmosenabgabe [zakat],
welche das gehortete Geld im Laufe der Zeit aufbraucht, da sie
in jedem Jahr aufs neue erhoben und jedes Mal ein Vierzigstel
des angehäuften Geldes eingezogen wird, und erst dann erlassen
wird, wenn davon nur noch zwanzig Dinare verblieben sind.
Daher kann man die Allmosenabgabe [zakat] als eine
schrittweise Konfiszierung von Kapital, das gehortet wird und
nicht arbeiten kann, ansehen, und durch dieses Verhindern von
Hortung werden sämtliche Vermögen den Bereichen der
wirtschaftlichen Aktivität zugeführt und spielen eine aktive
Rolle im Wirtschaftsleben, womit viele solcher Vermögen für
die Produktion gewonnen werden, die normalerweise, gäbe es
keine Steuer auf gehortetes Kapital, in den Tresoren ihrer
Besitzer verschwinden würden, anstatt für Industrie- und
Landwirtschaftsprojekte und dergleichen investiert zu werden.
Tatsächlich ist diese Verhinderung des Hortens von Geldern
durch den Islam nicht bloß ein oberflächliches Phänomen in der
islamischen Gesetzgebung, sondern Ausdruck eines wichtigen
Aspekts der Gegensätzlichkeit zwischen der islamischen und der
kapitalistischen Ideologie, und sie zeigt die Methode, mit der
sich der Islam die Probleme des Kapitalismus erspart, welche
aus der für den Kapitalismus typischen Verfremdung der Rolle
von Geld entstehen, die zu den schwersten Komplikationen
führen, die Dynamik der Produktion bedrohen, und die
kapitalistische Gesellschaft ständig erschüttern.
Damit der
grundlegende Gegensatz zwischen den beiden Ideologien in
diesem Punkt deutlich wird, müssen wir zwischen der
ursprünglichen Rolle des Geldes und der neuentstandenen Rolle,
die es unter den Bedingungen des Kapitalismus spielt,
unterscheiden, und die Gegensätzlichkeit dieser beiden Rollen
hinsichtlich ihrer Ergebnisse und Auswirkungen auf die Dynamik
der Produktion und andere Bereiche des Wirtschaftslebens
erkennen. Das Geld ist seiner Natur nach ein Austauschmittel,
und der Mensch setzte es beim Warentausch ein, um die Probleme
des Tauschhandels zu vermeiden, die sich aus dem direkten
Austausch der produzierten Güter ergaben. So hatten die ersten
Produzenten nach der Einführung von Arbeitsteilung, und
nachdem sie begonnen hatten, ihren Bedarf durch Tausch zu
decken, erfahren, dass es für sie schwierig war, ihre
Erzeugnisse direkt auszutauschen, denn wenn z.B. der Produzent
von Weizen für sein Leben Wolle benötigte, konnte er sie nur
dann von dem Erzeuger von Wolle für sein Weizen bekommen, wenn
dieser seinerseits Weizen benötigte. Und wenn sich der Hirte
seinen Tagesbedarf an Weizen beschaffen wollte, so war ihm das
auf dem Wege des Tauschhandels nicht möglich, weil der Wert
eines der von ihm aufgezogenen Schafe den Wert des Weizens,
den er für seinen Tagesbedarf gewünscht hätte, überstieg, und
er das Schaf nicht dafür zerteilen konnte. Weiterhin, war der
direkte Austausch der Erzeugnisse mit der Schwierigkeit
konfrontiert, den jeweiligen Wert der zum Tausch vorgesehenen
Dinge einzuschätzen, denn um den Wert einer Ware zu kennen,
musste man sie mit sämtlichen anderen Waren vergleichen, um
ihren Wert im Verhältnis zu jeder davon zu erfahren. Die
Erfindung des Geldes schuf Abhilfe für alle Schwierigkeiten,
denn es nahm einerseits die Rolle des allgemeinen Wertmaßstabs
wahr, und wurde anderseits zum Austauschmittel. In ersterer
Eigenschaft diente es dazu, den jeweiligen Wert der Sachen zu
definieren, denn durch den Vergleich der anderen Waren mit der
Ware Geld wurde deren Wert bestimmt. Und in der zweiten
Eigenschaft wurde das Geld als Austauschmittel verwendet, d.h.
nachdem bisher der Warentausch auf dem Tauschhandel beruht
hatte, und z.B. Weizen gegen Wolle verkauft worden war,
brachte die Einführung von Geld die Umwandlung einer solchen
Transaktion in zwei Transaktionen mit sich, nämlich den
Verkauf und den Kauf. So verkaufte der Besitzer von Weizen
z.B. für 100 Dirhams Weizen, und führte dann eine weitere
Transaktion durch, indem er für dieses Geld seinen Bedarf an
Wolle kaufte, womit der direkte Austausch der beiden Produkte
durch zwei Austauschvorgänge ersetzt wurde, und gleichzeitig
alle Schwierigkeiten, die der Tauschhandel mit sich brachte,
überwunden wurden. Wir erkennen also, dass die ursprüngliche
Rolle, für die das Geld geschaffen wurde, die eines
allgemeinen Wertmaßstabes und Austauschmittels ist.
Aber später
beschränkte sich das Geld nicht mehr darauf, seine angemessene
Rolle zu spielen, und seine Aufgabe, die Schwierigkeiten und
Probleme des Tauschhandels zu überwinden, wahrzunehmen,
sondern wurde in einer anderen und neuen Eigenschaft verwandt,
die in keinem Zusammenhang mit der Überwindung jener
Schwierigkeiten und Probleme stand, nämlich zum Horten und
Speichern. Denn die Einführung von Geld im Bereich des
Warentausches machte aus einer Transaktion –z.B. dem Verkauf
von Weizen gegen Wolle – zwei Transaktionen, und führte dazu,
dass der Erzeuger von Weizen zunächst sein Produkt verkaufte,
und dann die Wolle kaufte, während er früher in einem einzigen
Tauschvorgang Weizen zu verkaufen und Wolle zu kaufen pflegte.
Und diese Trennung der beiden Vorgänge, des Verkaufes von
Weizen und des Kaufes von Wolle, ermöglichte es dem Verkäufer
des Weizens, den Kauf der Wolle zu verzögern, bzw. versetzte
ihn in die Lage, den Weizen nur mit dem Motiv, ihn gegen Geld
einzutauschen, zu verkaufen, und dieses Geld aufzubewahren,
bis er es für den Kauf irgendwelcher Güter benötigte. Daraus
entstand die Rolle des Geldes als Mittel zum Speichern und
Horten von Vermögen. Diese neue Rolle des Geldes als Mittel
zum Horten zeigte ihre ernstesten Auswirkungen unter dem
Kapitalismus, der das Horten ermunterte, und die Zinsen zur
stärksten motivierenden Kraft für diese Praxis machte, was zu
einer Störung des Gleichgewichts zwischen der Gesamtnachfrage
und dem Gesamtangebot aller Investitions- und Verbrauchergüter
führte, während dieses Gleichgewicht im Zeitalter des
Tauschhandels, der auf dem direkten Austausch der Erzeugnisse
basierte, gewährleistet war. Denn zu jenen Zeiten produzierte
der Einzelne nur, um sein Produkt selbst zu verbrauchen, oder
es gegen eine andere Ware für seinen Eigenverbrauch
einzutauschen, die produzierte Ware gewährleistet also immer
eine Nachfrage im gleichen Umfang, und die Produktion und der
Verbrauch, oder das Gesamtangebot und die Gesamtnachfrage,
wogen einander auf.
Dagegen ist es
im Zeitalter des Geldes, nachdem die Vorgänge des Kaufes und
des Verkaufes voneinander getrennt wurden, nicht mehr
notwendig, dass bei einem Produzenten eine Nachfrage besteht,
die der von ihm produzierten Ware ebenbürtig ist, denn er
produziert vielleicht mit der Absicht, sie zu verkaufen und
Geld zu verdienen, um es den von ihm gehorteten Geldern
hinzuzufügen, und nicht um die Ware eines anderen Produzenten
zu kaufen. In so einem Fall entsteht ein Angebot, dem keine
Nachfrage gegenübersteht, womit das Gleichgewicht zwischen
allgemeinen Angebot und allgemeiner Nachfrage gestört wird.
Diese Störung wird immer ausgeprägter, je mehr der Wille zum
Horten hervortritt und sich das Phänomen der Speicherung von
Geld bei den Produzenten und Verkäufern ausbreitet, und sie
führt dazu, dass ein großer Teil der produzierten Güter nicht
abgesetzt werden kann, dass der kapitalistische Markt von dem
Problem des Absatzes und der Krise seiner Übersättigung
heimgesucht wird, und dass die Dynamik der Produktion, und in
der Folge das Wirtschaftsleben allgemein, größten Gefahren
ausgesetzt wird.
Die Anhänger des
Kapitalismus haben lange Zeit die Realität dieser Probleme,
welche sich aus der Verwendung des Geldes zum Horten ergeben,
nicht verstanden, weil sie sich an der kapitalistischen
Absatztheorie orientierten, welche besagt, dass die Person,
die eine bestimmte Ware verkaufen will, nicht das Geld um
seiner selbst willen begehrt, sondern um eine andere Ware zu
erhalten, womit sie ein Bedürfnis befriedigt. Demnach soll die
Produktion jeder beliebigen Ware die gleichwertige Nachfrage
nach einer anderen Ware schaffen, und Angebot und Nachfrage
würden einander immer entsprechen. Diese Theorie setzt voraus,
dass jemand, der eine Ware verkauft, damit immer den Erwerb
einer anderen Ware beabsichtigt, obwohl diese Annahme nur für
das Zeitalter des Tauschhandels, als die Vorgänge des An- und
Verkaufs zusammenfielen, richtig ist, aber nicht für das
Zeitalter des Geldes zutrifft, wo der Händler die Möglichkeit
hat, die Ware mit der Absicht zu verkaufen, mehr Geld zu
erhalten, und dieses zu speichern und zu horten, um es dann
für die Kreditvergabe gegen Zinsen zu verwenden.
Im Lichte dieser
Erkenntnisse über das Geld und seine ursprüngliche sowie seine
neu entstandene Rolle und deren Folgen können wir den
prinzipiellen Gegensatz zwischen dem Islam und dem
Kapitalismus verstehen. Denn während der Kapitalismus die
Verwendung des Geldes als Mittel zum Horten billigt und sie
mit der gesetzlichen Verankerung des Zinsen-Systems ermuntert,
bekämpft der Islam diese Praxis, indem er dem gehorteten Geld
eine Steuer auferlegt, und den Einzelnen dazu drängt, sein
Vermögen für produktive Zwecke aufzuwenden. In einer
Überlieferung wird sogar der Ausspruch von Imam Dschafar ibn
Muhammad al-Sadiq (a.) überliefert: „Allah hat euch diesen
Überschuss an Gütern nur gegeben, damit ihr sie so verwendet,
wie er es vorbestimmt hat, und er gab sie euch nicht, damit
ihr sie hortet.“ Indem der Islam das Horten von Geld
bekämpft, überwindet er eines der größten Probleme für die
Produktion, an dem der Kapitalismus krankt, wobei er von der
Voraussetzung ausgehen kann, dass die islamische Gesellschaft,
welche er ordnet, nicht gezwungen ist, Kapital zu speichern
und zu horten, um ihre Produktion zu entwickeln und große
Projekte durchzuführen, wie das bei der kapitalistischen
Gesellschaft der Fall ist, der es auf dem Wege der Hortung und
Anhäufung gelingt, gewaltige Kapitalmengen zu schaffen, indem
sie mit Hilfe von Banken und dergleichen die angehäuften
Gelder einzelner Personen vereinigt, und die in der Lage ist,
jene gewaltigen gesammelten Geldmengen für die größten
Produktionsunternehmen in den Dienst zu stellen. Denn da die
kapitalistische Gesellschaft vom privaten Eigentum beherrscht
wird, ist sie auf gewaltige private Vermögen angewiesen, um
sich bei der Durchführung größerer Produktionsvorhaben darauf
zu stützen. Und da solche Vermögen nur geschaffen werden
können, indem die Anhäufung von Kapital ermutigt wird, und
dann die angehäuften Gelder mit Hilfe der kapitalistischen
Banken vereinigt werden, ist die kapitalistische Gesellschaft
gezwungen, diesen Weg zu verfolgen, um die Produktion zu
entwickeln und zu steigern. Dagegen kann sich die islamische
Gesellschaft bei größeren Produktionsvorhaben auf die Bereiche
des “Eigentums der Gemeinschaft“ und des staatlichen Eigentums
stützen, und den privaten Vermögen solche Bereiche überlassen,
für welche deren Möglichkeiten ausreichen.
9) Der Islam
verbietet übertriebenes Amüsement [lahw] und schamlose
Vergnügungen. So steht in verschiedenen Überlieferungen das
Verbot solcher Beschäftigungen, die den Menschen von dem
Gedanken an Allah ablenken, und solcher Arten von Amüsement,
die zur Zerrüttung und Verflüchtigung der ernsthaften
Persönlichkeit im Menschen, und in der Folge zu seiner
Abwendung von wirklicher und sinnvoller Produktion und Arbeit
führen, und ihn veranlassen, sich in gleichem Maße einem Leben
der Spielerei und des Amüsements zu widmen, wie er die
Voraussetzungen zu einem Leben der Ernsthaftigkeit und Arbeit
und verschiedener Arten der materiellen und ideellen
Produktivität hätte.
10) Der Islam versucht, gemäß dem
Qur´an-Vers: „... damit es nicht nur unter den Reichen
von euch umläuft ...“,
zu verhindern, dass sich der Reichtum in den Händen Weniger
konzentriert, was wir bei unserer Erörterung der Theorie des
sozialen Gleichgewichts in der islamischen Wirtschaftordnung
noch ausführen werden.
Wenn diese Verhinderung der Konzentration von Reichtum auch in
direktem Zusammenhang mit der Verteilung steht, so ist sie
doch indirekt für die Produktion von Bedeutung, welche
andernfalls Schaden nehmen würde. Denn wenn sich der Reichtum
in den Händen Weniger konzentriert, verbreitet sich bei der
großen Mehrheit Elend und es verschlimmert sich die
Bedürftigkeit, und in der Folge wird die Masse nicht mehr in
der Lage sein, Waren ihres Bedarfes zu konsumieren, weil ihre
Kaufkraft herabsinkt. Dann häufen sich die produzierten Waren,
ohne Absatz zu finden, Industrie und Handel stagnieren, und
die Produktion kommt zum Stillstand.
11) Der Islam schränkt die legalen
Manöver beim Handel ein, wobei dieser hinsichtlich der dafür
relevanten Prinzipien als ein Zweig der Produktion gilt, was
in einem anderen Kapitel über die Theorie der Produktion noch
ausgeführt wird.
Wir werden dort die Auswirkungen dieser Beschränkungen auf die
Produktion und deren Entwicklung sehen.
12) Der Islam gewährt das Eigentumsrecht
an dem Vermögen einer Person nach deren Tod ihren Verwandten.
Dieses ist der positive Aspekt der Bestimmungen über die
Vererbung, den man im persönlichen Bereich als einen Faktor
ansehen kann, der den Menschen zur Arbeit und zur Ausübung
verschiedener wirtschaftlicher Aktivitäten motivieren, ja
sogar als den grundsätzlichen Motivationsfaktor während des
letzten Lebensabschnitts eines Menschen, wenn seine Gedanken
an die eigene Zukunft nachlassen, und an deren Stelle der
Gedanke an die Nachkommen und Verwandten tritt. So ergibt sich
aus den Bestimmungen über die Vererbung, denen zufolge sein
Vermögen nach seinem Tode an seine nächsten Verwandten
verteilt wird, Anreiz zur Arbeit, und ein Motiv, im Interesse
der Familie, in deren Eigenschaft als Fortsetzung der eigenen
Existenz, den Reichtum zu vermehren. Was den negativen Aspekt
der Erbrechtsbestimmungen betrifft, welche die Verbindung des
Eigentümers mit seinem Vermögen nach seinem Tode beenden, und
ihm nicht gestatten, über die Verwendung seines Vermögens
selbst zu bestimmen, so steht dieser im Zusammenhang mit der
Theorie der Verteilung “dessen, was vor der Produktion
existiert“, wie wir an früherer Stelle erfahren haben.
13) Der Islam schafft die gesetzlichen
Grundlagen für die soziale Sicherheit, wie wir in einem
späteren Kapitel noch ausführen werden.
Und die soziale Garantie spielt eine große Rolle im
persönlichen Bereich, denn das Gefühl des Einzelnen, dass er
durch den Staat gesichert ist, und ihm ein ehrenvolles Leben
auch dann verbürgt wird, falls er bei seinen Unternehmungen
Verluste erleidet, ist ein großer psychologischer Vorteil, der
ihm Mut macht, ihn zur Aktivität in verschiedenen Bereichen
der Produktion motiviert, und das schöpferische Element in ihm
fördert. Anders verhält es sich mit demjenigen, dem diese
Sicherheit fehlt, und der sich nicht in dieser Weise geborgen
fühlt, denn er schreckt in vielen Fällen vor gewissen
Aktivitäten und Initiativen zurück, aus Angst vor einem
möglichen Verlust, der nicht nur sein Vermögen bedroht,
sondern auch sein Leben und seine Würde, da er niemanden
finden wird, der für ihn bürgt, und ihm ein ehrenvolles Leben
gewährleistet, falls er sein Vermögen verliert und den
Wechselfällen des Glücks zum Opfer fällt. Daher werden ihm
nicht dieser Mut und diese Entschlossenheit gegeben sein,
welche die soziale Garantie bei den Personen erweckt, die
unter ihrem Schutz leben.
14) Der Islam schließt diejenigen, die
zur Arbeit und zur wirtschaftlichen Aktivität in der Lage
sind, von der sozialen Garantie aus, und verbietet ihnen
Bettelei, womit er ihnen die Schlupflöcher der Flucht vor
produktiver Arbeit versperrt. Dies führt naturgemäß zur
Mobilisierung ihrer Energien für die Produktion und nützliche
Tätigkeiten.
15) Der Islam verbietet Extravaganz und
Verschwendung, und dieses Verbot begrenzt die konsumptiven
Bedürfnisse und setzt viele Vermögen für die produktive
Verwendung frei, anstatt dass sie für extravaganten und
verschwenderischen Konsum ausgegeben werden.
16) Der Islam verpflichtet die Muslime
kollektiv, sämtliche Fertigkeiten und Techniken zu erlernen,
mit denen das Leben organisiert wird.
17) Damit begnügt sich der Islam nicht,
vielmehr verpflichtet er die Muslime, sich soviel wie möglich
allgemeiner lebenswichtiger Kenntnisse in allen Bereichen und
auf höchsten Niveau anzueignen, um der islamischen
Gemeinschaft sämtliche ideellen, wissenschaftlichen und
materiellen Mittel in die Hand zu geben, dir ihr helfen, ihre
Führungsrolle in der Welt wahrzunehmen, wozu auch die
Produktionsmittel und deren vielfältige Möglichkeiten gehören.
Allah der Erhabene sprach: „Und setzt ihnen entgegen,
was ihr könnt, an Kraft...“.
In diesem Qur´an-Vers ist “Kraft“ in absolutem, nicht
näher definiertem Sinne zu verstehen, und umfasst jede Art von
Potenzial, das die Fähigkeit ... steigert, und zu den
wichtigsten dieser Potentiale gehören die geistigen und
materiellen Mittel zur Entwicklung von Reichtum und zur
Dienstbarmachung der Natur für den Menschen.
18) Der Islam versetzt den Staat in die
Lage, auf dem Wege seiner Handhabung des öffentlichen Sektors
sämtliche Bereiche der Produktion zu führen. Und es leuchtet
ein, dass die Tatsache, dass mit dem staatlichen und dem
gemeinschaftlichen Eigentum ein großer Bereich als
Experimentierfeld für den Staat zur Verfügung steht, aus
dieser praktischen Erfahrung eine richtungweisende Kraft für
die anderen Bereiche machen wird, und es vergleichbaren
produktiven Unternehmen ermöglichen wird, sich an jener
Erfahrung zu orientieren, und die besten Methoden zur
Optimierung der Produktion und der Schaffung von Werten zu
übernehmen.
19) Der Islam verleiht dem Staat die
Fähigkeit, eine große Anzahl menschlicher Arbeitskräfte zu
absorbieren und sie in den Bereichen des öffentlichen Sektors
zu nutzen. Damit kann der Staat verhindern, dass das
Arbeitskräftepotenzial, welches den Bereich des privaten
Sektors übersteigt, vergeudet wird, und gewährleisten, dass
sämtliche Potentiale am allgemeinen Produktionsprozess
beteiligt werden.
20) Und schließlich wird dem Staat – auf
der Grundlage spezieller Bestimmungen, die wir in einem
späteren Kapitel über die Theorie der Produktion untersuchen
werden
– das Recht der Aufsicht über die Produktion und ihrer
zentralen Planung verliehen, um eine Umordnung zu vermeiden,
welche die Dynamik der Produktion paralysieren und das
wirtschaftliche Leben erschüttern würde.