Finanzordnung ist Zivilgesetz vergleichbar
Wir müssen in diesem Zusammenhang auch
die Finanzordnung als Teil des Überbaus der
Wirtschaftsideologie, der deren Merkmale widerspiegelt und in
Abhängigkeit von ihr gestaltet wird, dem Zivilgesetz
hinzufügen. Denn ebenso wie man bei dem “Entdeckungsprozess“
sich auf die Ausstrahlungen der Ideologie, wie sie sich im
Zivilgesetz bemerkbar machen, beziehen kann, lassen sich diese
ideologischen Ausstrahlungen auf die Finanzordnung für die
Untersuchung verwenden. Wenn wir ein Beispiel für diese
Auswirkungen der Wirtschaftsideologie auf die Finanzordnung,
in deren Eigenschaft als Überbau der Ideologie, anführen
wollen, so können wir dieses Beispiel in dem Zusammenhang
zwischen kapitalistischer Ideologie und den öffentlichen
Finanzen finden, ebenso wie wir oben deren Zusammenhang mit
dem Zivilgesetz definiert haben, um das
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gesetz und Ideologie zu
verstehen.
Zu den Phänomenen, die die Relevanz der
kapitalistischen Ideologie für die öffentlichen Finanzen
zeigen, gehört deren Auswirkung auf das Verständnis der
Domäne.
Die Domäne galt dereinst im Finanzwesen als eine der
wesentlichen Einnahmequellen des Staates; dann verlor das
Konzept der Domäne an Bedeutung, und der Rahmen für
Unternehmungen, die dem Staat gehörten, schrumpfte, bis sie
fast aus der Finanzordnung verschwunden waren, und zwar als
Wirkung des Prinzips der wirtschaftlichen Freiheit, als die
kapitalistische Ideologie übermächtig wurde und die
kapitalistisch-ideologische Denkweise die Gesellschaft
dominierte, zu deren Forderungen die Nichteinmischung des
Staates in die Produktionsaktivitäten gehörte, um die
wirtschaftliche Freiheit der Individuen zu wahren. Ausgenommen
war nur ein kleiner Bereich der Aktivitäten, die von privater
Seite nicht ausgeführt werden konnten. Daher war es natürlich,
dass sich der kapitalistische Staat für seine öffentlichen
Finanzen zusehends auf Steuern und ähnliche Einnahmequellen
verließ. Schließlich, nach dem Aufkommen sozialistischer
Tendenzen zur Verstaatlichung, und nachdem das Prinzip des
wirtschaftlichen Liberalismus als allgemeine wirtschaftliche
Denkweise erschüttert worden war, wurde die Domäne wieder zur
wichtigen Einnahmequelle und ihr Bereich wurde erweitert.
Zu den Folgeerscheinungen des
Zusammenhangs zwischen der Ideologie und den öffentlichen
Finanzen gehört auch, dass die Funktion der Staatseinkünfte
sich je nach der Art der wirtschaftsideologischen Ideen, durch
die der Staat jeweils beeinflusst war, veränderte. In der
Phase, als die kapitalistische Ideologie mit ihren
Vorstellungen von Freiheit dominierte, war der
Hauptverwendungszweck der Einnahmen die Bestreitung der
Ausgaben des Staates, in seiner Eigenschaft als Institution
zur Wahrung der inneren Sicherheit des Landes und für dessen
Verteidigung nach außen. Und als sozialistische Ideen sich auf
der ideologischen Ebene auszubreiten begannen, erhielten die
Staatseinkünfte eine neue, umfangreichere Aufgabe, und zwar
die Behebung von Missständen bei der Einkommensverteilung, die
Annäherung im Lebensstandard zwischen den sozialen Klassen und
die Schaffung von sozialer Gerechtigkeit, im Einklang mit den
neuen ideologischen Konzepten. Und der Staat begnügte sich
nicht mehr mit so viel Einnahmen und Steuern, wie für seine
Ausgaben als Apparat ausgereicht hätte, sondern verlangte mehr
in dem Maße, wie es seine neuen Aufgaben erforderlich machten.
Diese Phänomene belegen die Modifizierung des Systems der
öffentlichen Finanzen der Gesellschaft in Abhängigkeit von
deren jeweiligem ideologischen Fundament, ebenso wie das
Zivilgesetz solchen Veränderungen unterworfen ist, was auch
die Finanzordnung zu einem lohnenden Untersuchungsobjekt für
den “Entdeckungsprozess“ macht, gewissermaßen als höheres
Stockwerk, von dem aus der Forscher das nächst tiefere
Stockwerk, d.h. die Ideologie, überblickt.