Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Finanzordnung ist Zivilgesetz vergleichbar

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch die Finanzordnung als Teil des Überbaus der Wirtschaftsideologie, der deren Merkmale widerspiegelt und in Abhängigkeit von ihr gestaltet wird, dem Zivilgesetz hinzufügen. Denn ebenso wie man bei dem “Entdeckungsprozess“ sich auf die Ausstrahlungen der Ideologie, wie sie sich im Zivilgesetz bemerkbar machen, beziehen kann, lassen sich diese ideologischen Ausstrahlungen auf die Finanzordnung für die Untersuchung verwenden. Wenn wir ein Beispiel für diese Auswirkungen der Wirtschaftsideologie auf die Finanzordnung, in deren Eigenschaft als Überbau der Ideologie, anführen wollen, so können wir dieses Beispiel in dem Zusammenhang zwischen kapitalistischer Ideologie und den öffentlichen Finanzen finden, ebenso wie wir oben deren Zusammenhang mit dem Zivilgesetz definiert haben, um das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gesetz und Ideologie zu verstehen.

Zu den Phänomenen, die die Relevanz der kapitalistischen Ideologie für die öffentlichen Finanzen zeigen, gehört deren Auswirkung auf das Verständnis der Domäne.[1] Die Domäne galt dereinst im Finanzwesen als eine der wesentlichen Einnahmequellen des Staates; dann verlor das Konzept der Domäne an Bedeutung, und der Rahmen für Unternehmungen, die dem Staat gehörten, schrumpfte, bis sie fast aus der Finanzordnung verschwunden waren, und zwar als Wirkung des Prinzips der wirtschaftlichen Freiheit, als die kapitalistische Ideologie übermächtig wurde und die kapitalistisch-ideologische Denkweise die Gesellschaft dominierte, zu deren Forderungen die Nichteinmischung des Staates in die Produktionsaktivitäten gehörte, um die wirtschaftliche Freiheit der Individuen zu wahren. Ausgenommen war nur ein kleiner Bereich der Aktivitäten, die von privater Seite nicht ausgeführt werden konnten. Daher war es natürlich, dass sich der kapitalistische Staat für seine öffentlichen Finanzen zusehends auf Steuern und ähnliche Einnahmequellen verließ. Schließlich, nach dem Aufkommen sozialistischer Tendenzen zur Verstaatlichung, und nachdem das Prinzip des wirtschaftlichen Liberalismus als allgemeine wirtschaftliche Denkweise erschüttert worden war, wurde die Domäne wieder zur wichtigen Einnahmequelle und ihr Bereich wurde erweitert.

Zu den Folgeerscheinungen des Zusammenhangs zwischen der Ideologie und den öffentlichen Finanzen gehört auch, dass die Funktion der Staatseinkünfte sich je nach der Art der wirtschaftsideologischen Ideen, durch die der Staat jeweils beeinflusst war, veränderte. In der Phase, als die kapitalistische Ideologie mit ihren Vorstellungen von Freiheit dominierte, war der Hauptverwendungszweck der Einnahmen die Bestreitung der Ausgaben des Staates, in seiner Eigenschaft als Institution zur Wahrung der inneren Sicherheit des Landes und für dessen Verteidigung nach außen. Und als sozialistische Ideen sich auf der ideologischen Ebene auszubreiten begannen, erhielten die Staatseinkünfte eine neue, umfangreichere Aufgabe, und zwar die Behebung von Missständen bei der Einkommensverteilung, die Annäherung im Lebensstandard zwischen den sozialen Klassen und die Schaffung von sozialer Gerechtigkeit, im Einklang mit den neuen ideologischen Konzepten. Und der Staat begnügte sich nicht mehr mit so viel Einnahmen und Steuern, wie für seine Ausgaben als Apparat ausgereicht hätte, sondern verlangte mehr in dem Maße, wie es seine neuen Aufgaben erforderlich machten. Diese Phänomene belegen die Modifizierung des Systems der öffentlichen Finanzen der Gesellschaft in Abhängigkeit von deren jeweiligem ideologischen Fundament, ebenso wie das Zivilgesetz solchen Veränderungen unterworfen ist, was auch die Finanzordnung zu einem lohnenden Untersuchungsobjekt für den “Entdeckungsprozess“ macht, gewissermaßen als höheres Stockwerk, von dem aus der Forscher das nächst tiefere Stockwerk, d.h. die Ideologie, überblickt.

[1] Mit der Domäne sind die dem Staat gehörenden Vermögenswerte gemeint, wie Ländereien, Wälder und Fabriken, aus denen er Einkünfte bezieht, ebenso wie derartige Besitztümer für ihre Eigner Gewinne abwerfen, wenn sie in privater Hand sind. (Fußnote des Autors)

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