Einstellung des Islam zum Land in neuem Licht
Wir können
nach unseren bisher gewonnenen Schlussfolgerungen über die
gesetzgeberische Haltung des Islam zum Land einen Schritt
weitergehen, um unter Berücksichtigung einiger besonderer
Rechtsstandpunkte aus den Schriften der Rechtswissenschaft [fiqh]
diese Haltung in einen in sich zusammenhängenderen Rahmen zu
stellen. Dies versuchen wir in der folgenden Weise:
Wir haben
soeben bemerkt, dass das Land, wenn es in seinem Naturzustand
und unabhängig von politischen Erwägungen betrachtet wird, im
Islam grundsätzlich als Eigentum des Staates gilt, denn es ist
entweder von Natur aus belebt oder tot, und beide Kategorien
zählen zum Eigentum des Imam. Wir haben weiterhin gesehen,
dass der Einzelne durch die Arbeit der Urbarmachung von Ödland
ein persönliches Recht erwirbt, das ihn von anderen bevorzugt,
solange das Land kultiviert bleibt, und das er durch die
Tätigkeit der Nutzung des kultivierten Landes das vorrangige
Nutzungsrecht daran erwirbt, solange er diese fortsetzt.
Nunmehr wollen wir herausfinden, ob es Modifikationen gibt,
die in dieses gesetzgeberische Grundkonzept eingefügt werden
müssen, und wie weit diese Modifikation gehen, und zwar anhand
der folgenden Punkte:
Es wurde
bereits ausgeführt, dass für solches Land das
gemeinschaftliche Eigentum aller Muslime vorgeschrieben ist,
und deshalb sagten wir, dass es dem Bereich des
gemeinschaftlichen Eigentum aller Muslime vorgeschrieben ist,
und deshalb sagten wir, dass es dem Bereich des
gemeinschaftlichen Eigentums der Umma und nicht dem Bereich
des staatlichen Eigentums zugeordnet wird. Wir können aber in
diesem Zusammenhang anführen, dass dieses Land, wenn wir
seinen Status vor der Eroberung betrachten, ursprünglich
einmal Ödland gewesen ist, das dann von einem Nichtmuslim
urbar gemacht wurde. Im Sinne des vorher Gesagten hätte also
der Imam bzw. der Staat das Eigentum an der Kontrolle des
Landes, während dem Nichtmuslimen, der es urbar gemacht hat,
oder demjenigen, der es von dem Erstkultivierenden erhalten
hat, lediglich das Recht, das sich aus der Neukultivierung
ergibt, zustünde. Auch aus den von den Imamen (a.)
überlieferten Aussprüchen hinsichtlich des eroberten Landes,
das “für die Muslime“ bestimmt sein soll, lässt sich nicht
mehr ableiten, als dass das Anrecht, welches der jeweilige
Nichtmuslim auf das Land hatte, mit der Eroberung auf die Umma
übertragen und zum gemeinschaftlichen Anrecht wird, und die
Überlieferung belegen nicht, dass das Recht des Imam mit der
Eroberung hinfällig würde, denn die Muslime erobern das Land
von ihren Feinden, und nicht von ihren Imam. Folglich wird das
Eigentum der Kontrolle über das Land dem Imam verbleiben,
während das daran etablierte persönliche Anrecht in das
allgemeine Anrecht der Umma umgewandelt wird.
Es wurde
bereits gesagt, dass solches Land privates Eigentum seiner
bisherigen Besitzer bleiben soll. Allerdings könnte man auch
behaupten, dass die Überlieferungen, welche Aussagen über die
Bestimmungen für solches Land machen, dahin tendieren,
lediglich anzuordnen, es in den Händen seiner Besitzer zu
belassen, im Gegensatz zu der Art und Weise, in der mit dem
eroberten Land verfahren wird, dessen Besitzer ihrer Rechte
daran verlustig gehen. Das, was dem sich freiwillig zum Islam
Bekehrenden belassen wird, entspräche also genau dem Recht,
das dem gewaltsam Unterworfenen aberkannt wird, nämlich dem
persönlichen Anrecht auf das Land ohne das Eigentum der
Kontrolle. Mit anderen Worten: Das Land war bereits vor dem
freiwilligen Übertritt seiner Besitzer zum Islam Eigentum des
Staates, Kraft der Belegstelle in der Sure des Heiligen Qur´an
“die Beute [al-anfal]“, während sein Besitzer lediglich
ein persönliches Anrecht darauf hatte, nämlich das Recht, das
sich aus der Urbarmachung ergibt. Und der Islam bestätigt ihm
lediglich solche Rechte, die er bereits hatte, aber er gewährt
ihm keine neuen Rechte oder erlegt ihm neue Pflichten auf. Er
behält also das aus der Urbarmachung entstandene Recht,
während das Land Eigentum des Staates bleibt. Daher finden
wir, dass es, wenn er seine Pflicht versäumt und das Land
vernachlässigt und nicht kultiviert, dem Imam obliegt, es zu
beschlagnahmen und es von anderen nutzen zu lassen, denn die
Kontrolle über das Land gehört immer noch zum Bereich des
staatlichen Eigentums.
Es gibt in der
Tat eine Art von Vertrag, Kraft dessen der islamische Staat
das Eigentum an solchem Land den Vertragspartnern überträgt,
als Gegenleistung für bestimmte Konzessionen, die er erzählt,
wie z.B. die Schutzsteuer [dschizya]. Und es wurde
bereits gesagt, dass die staatseigenen Ländereien als
“spezielle Güter des Staates“ gelten, über welche der Staat
frei verfügen kann, z.B. indem er Austauschvereinbarungen und
dergleichen abschließt. Aber der Friedensvertrag, von dem hier
die Rede ist, ist seiner Natur nach ein politischer Vertrag
und keine Austauschvereinbarung, mithin bedeutet er nicht
wirklich, dass das Eigentum des Staates oder des Propheten
(s.) bzw. des Imam (a.) an der Kontrolle über das Land
hinfällig und an die Vertragspartner übertragen würde, sondern
lediglich, dass deren Land nicht behelligt und ihnen als
Gegenleistung für bestimmte Konzessionen überlassen wird. Die
Pflicht zur Vertragstreue verbietet es dem Imam zwar, ihnen
eine weitere Gebühr für die Nutzung des Landes aufzuerlegen;
dies bedeutet aber noch nicht die Überantwortung des Eigentums
an der Kontrolle, denn die Vereinbarung, dass das Land “ihnen
gehören soll“, ist im praktischen und nicht im
gesetzgeberischen Sinne dieser Wendung zu verstehen, da für
die nichtmuslimischen Friedensvertragspartner nur die
praktische Implikation des Vertrages wichtig ist. Der
Friedensvertrag ist dem
Vertrag der
Schutzbefohlenen[dhimmi]
vergleichbar, einem politischen Vertrag, bei dem der
islamische Staat auf die Einziehung der Almosenabgabe [zakat]
und der Fünftelabgabe [chums]
von dem Schutzbefohlenen [dhimmi] verzichtet, als
Gegenleistung für die Zahlen der Schutzsteuer [dschizya].
Auch hier bedeutet es nicht, dass dem Nichtmuslimen die
Almosenabgabe [zakat] in gesetzgeberischer Hinsicht
erlassen wäre, sondern es ist nur eine Verpflichtung des
Staates, die Einziehung dieser Steuern nicht vorzunehmen,
obwohl dies durch die Gesetzgebung verbindlich vorgeschrieben
ist.
Nach all dem
bisher Gesagten kann man behaupten, dass alles Land Eigentum
des Staates oder der Autorität ist, die durch den Propheten
(s.) bzw. den Imam (a.) verkörpert wird, und zwar ohne jede
Ausnahme. In diesem Sinne können wir auch den Ausspruch Imam
Alis (a.) verstehen, der in der Überlieferung des Abu Chalid
al-Kabuli unter Berufung auf Imam Muhammad ibn Ali al-Baqir
(a.) zitiert wird:
„Alles
Land gehört uns, und wer von dem Muslimen Land urbar macht,
der soll es weiter kultivieren und die entsprechende Steuer an
den Imam zahlen.“
Das Land ist
prinzipiell Eigentum des Staates, aber neben diesem Grundsatz
gibt es das “Recht der Urbarmachung“, nämlich das vorrangige
Anrecht auf das Land für denjenigen, der es zuerst kultiviert
hat, oder für denjenigen, der es von dem Kultivierenden
erhalten hat, vor anderen Personen. Dieses Anrecht erwirbt
jeder Einzelne, ob Muslim oder Nichtmuslim, als persönliches
Recht, wenn er Ödland erschließt, falls ihm dies nicht vom
Imam untersagt wurde. Handelt es sich aber um einen
Nichtmuslim, dessen Land in der Anstrengung [dschihad]
von den Muslimen gewaltsam besetzt wurde, dann wird dieses
persönliche Anrecht in ein kollektives Recht umgewandelt und
gilt für die islamische Umma als Ganzes. Wenn man
berücksichtigt, dass der Imam den Status des
Grundbesitzersatzabgabe-Landes nicht durch den Verkauf der
Kontrollgewalt darüber oder durch dessen Verschenkung
verändern darf, kann man sagen, dass dieses gemeinschaftliche
Recht zwar nicht die staatliche Kontrolle und das staatliche
Eigentum an diesem Land hinfällig macht, aber das Land von dem
“speziellen Besitz des Staates“ in dessen “öffentlichen
Besitz“ umwandelt, das der Staat zwar behält, aber für
besonders vorgeschriebene Zwecke nutzen muss. Dies wird durch
Zitate bestätigt in welchen das Grundbesitzersatzabgabe-Land
als Stiftung [waqf] bezeichnet wird. Deshalb werden wir
immer die Bezeichnung “Eigentum der Gemeinschaft“ verwenden,
wenn ein derartiger Status gegeben ist, um es von dem Status
des reinen staatlichen Eigentums zu unterscheiden, welches
vorliegt, wenn die Kontrolle über das Land Eigentum des
Staates ist und kein öffentliches Anrecht der besagten Art
existiert.