Eine Diskussion der scheinbaren Belege für die
Sanktionierung von Privateigentum am eroberten Land
Es gibt
islamische Autoren – zeitgenössische und frühere – die zu der
Auffassung tendieren, das gewaltsam eroberte Land müsse,
ebenso wie andere Beutestücke, nach dem Prinzip des
Privateigentums an die Kämpfer verteilt werden. Jene stützen
ihre religiös-rechtswissenschaftliche Argumentation auf
zwei Belege: Erstens auf den sogenannten “Beute-Vers“ des
Qur´an, und zweitens auf das, was in der Biographie von Allahs
Gesandtem (s.) über die Verteilung der Beutegüter von Chaybar
überliefert wird. Bei dem “Beute-Vers“ handelt es sich um das
Qur´an-Zitat aus der Sure “Die Beute“ [al-anfal]:
„Wisset,
dass von allem was ihr erbeutet ein Fünftel für Allah und
seinen Gesandten und den Verwandten und die Waisen und die
Armen und den Reisenden ... usw. bestimmt ist ...“
Nach der
Ansicht jener Autoren verlangt dieser Qur´an-Vers eindeutig,
dass von allem erbeuteten Gut jeweils ein Fünftel abgesondert
und der Rest an die Kämpfer verteilt wird, ohne Unterscheidung
zwischen Land und anderem Beutegut. In Wahrheit ist aber das
Äußerste, was sich aus dem edlen Vers folgern ließe, die
Verpflichtung, ein Fünftel der Beute als Steuer, die der Staat
zugunsten “der Verwandten“, der Armen, der Waisen und “des
Reisenden“ erhebt, abzusondern. Und nehmen wir an, diese
Steuer würde auch vom Land abgezogen, so erklärt das in keiner
Weise, was mit den übrigen vier Fünftel geschieht, und welche
Art von Eigentum darauf angewandt werden muss. Denn dieses
Fünftel – als eine Steuer zugunsten bestimmter Gruppen von
Armen oder ähnlicher Personenkreise – könnte (zugunsten dieser
Gruppe) ebenso gut von der beweglichen Beute, welche sich die
Kämpfer privat aneignen dürfen, abgesondert werden, wie auch
(zugunsten dieser Gruppe) von dem eroberten Land, das
gemeinschaftliches Eigentum der Umma ist. Es besteht also
überhaupt kein Zusammenhang zwischen dem Abzug eines Fünftels
und der weiteren Aufteilung. So kann ein bestimmtes Gut zwar
dem Prinzip der “Fünfteilung“ unterliegen, braucht deshalb
aber nicht unbedingt nach dem Prinzip des Privateigentums an
die Kämpfer verteilt werden. Der “Fünftelabgabe-Vers“
weist also nicht auf die Notwendigkeit der Verteilung von Land
an die Kämpfer hin. Mit anderen Worten: Mit der Beute, von der
im “Beute-Vers“ die Rede ist, ist entweder die gesamte
Kriegsbeute gemeint, d.h. alles, dessen sich die Muslime im
Krieg bemächtigt haben, oder die legitime Beute, d.h.
diejenigen Güter, die sich der Mensch nach dem Urteil des
Gesetzgebers aneignen darf. Nehmen wir die erstere Bedeutung
des Wortes “Beute [anfal]“ an, so findet sich in dem
edlen Vers keinerlei Beleg dafür, dass alles außer ein Fünftel
auf jeden Fall als Eigentum der Kämpfer zu gelten hat, und
wenn wir dem Wort die letztere Bedeutung zuschreiben wollten,
dann müsste der Vers selbst das Eigentum der Angesprochenen
zum Thema haben, also z.B. lauten: „Wenn ihr euch ein Gut
aneignet, dann ist ein Fünftel davon als Abgabe festgesetzt.“
So wie er tatsächlich lautet, kann der Vers aber nicht als
Beleg für das Eigentum der Kämpfer an der Beute angesehen
werden, weil er zu diesem Thema nichts aussagt und die
erforderlichen Bedingungen nicht erfüllt.
Der zweite
Beleg, auf den sich diejenigen berufen, die glauben, dass die
Beute als privates Eigentum an die Kämpfer verteilt werden
müsse, ist die in der Biographie des Propheten (s.)
überlieferte Verteilung des Beutegutes von Chaybar, wobei sie
überzeugt sind, dass der Prophet auf die Ländereien von
Chaybar das Prinzip des privaten Eigentums anwandte, und diese
an die Kämpfer, die sie erobert hatten, verteilte. Aber wir
stellen die Richtigkeit dieser Überzeugung ganz und gar in
Zweifel, selbst wenn wir davon ausgehen, dass die historischen
Überlieferungen, wonach der Prophet (s.) das Kulturland der
Oase Chaybar an die Kämpfer verteilt haben soll, authentisch
sind; denn die allgemeine Geschichtsschreibung berichtet auch
noch von anderen Phänomenen aus der erhabenen Lebensgeschichte
des Propheten (s.), welche die Prinzipien, die er hinsichtlich
des Beutegutes von Chaybar anwandte, besser verstehen lassen.
So fällt auf, dass der Prophet (s.) einen großen Teil der
Ländereien von Chaybar für die Nutzung im Interesse des
Staates und der Umma reservierte, denn es gibt in dem “Sunan“
des Abu Dawud
eine auf Sahl ibn Ali Haschama zurückgehende Überlieferung, in
dem es heißt:
„Allahs
Gesandter teilte die Ländereien von Chaybar zunächst in zwei
Hälften; die eine Hälfte war für seinen eigenen Bedarf
für alle Fälle bestimmt, und die andere
Hälfte wurde in achtzehn Teilen an die Muslime aufgeteilt.“
Und Baschir ibn Yasar, ein Klient der
Helfer [ansar],
überliefert unter Berufung auf einige Prophetengefährten:
„Nachdem Allahs Gesandter über die
Bewohner von Chaybar gesiegt hatte, teilte er deren Land in
sechsunddreißig Teile auf, wobei jeder Teil wiederum hundert
Teile umfasste, und die Hälfte davon wurde an Allahs Gesandten
und an einzelne Muslime persönlich verteilt, während die
andere Hälfte für die Bewirtung von Delegationen, die bei ihm
eintrafen, und sonstige Angelegenheiten im allgemeinen
Interesse vorbehalten bliebt.“
Der selbe Ibn Yasar überliefert:
„Nachdem Allah seinem Propheten
Chaybar in die Hände fallen gelassen hatte, teilte dieser es
in sechsunddreißig Einheiten zu je hundert Teilen auf, und er
behielt die Hälfte, nämlich die Ländereien um “al-Watiha“ und
“al-Katiba“ und was dazugehörte für die Staatsausgaben vor,
während er die andere Hälfte, nämlich die Ländereien um
“Al-Schiqq“ und “al-Nat´a“, absonderte, und sie unter den
einzelnen Muslimen verteilte, wobei der persönliche Anteil des
Propheten unter die letztere Hälfte fiel.“
Weiterhin ist zu bemerken, dass Allahs
Gesandter sich selbst die
Verfügungsgewalt über die Ländereien von Chaybar vorbehielt,
auch wenn er einen Teil davon an einzelne Personen verteilte,
indem er mit den Juden einen Teilhaberpacht-Vertrag über das
Land abschloss, worin er sich bestätigen ließ, dass er
jederzeit und wann er wollte den Vertrag auflösen durfte. So
heißt es in den “Sunan“ des Abu Dawud:
„Der
Prophet wollte die Juden von Chaybar vertreiben, da baten sie
ihn: 'Oh Muhammad, lass uns auf diesem Land arbeiten, und gib
uns von dessen Ertrag soviel, wie du für richtig hältst, und
der Rest sei für euch!'“
Weiterhin
überliefert in den “Sunan“ des Abu Dawud Abdullah ibn Umar die
folgende Überlieferung:
„Umar
sprach: 'Ihr Leute, der Gesandte Allahs hat mit den Juden von
Chaybar vereinbart, dass wir sie ausweisen können, wann wir
wollen, wer also dort Landbesitz hat, der soll sich dort
niederlassen, denn ich werde die Juden von Chaybar
vertreiben.' Und er vertrieb sie dann auch.“
Und Abdullah
ibn Umar überlieferte ebenfalls:
„Nachdem
Chaybar erobert worden war, baten die Juden den Gesandten
Allahs, dort bleiben zu dürfen, unter der Bedingung, dass sie
auf der Hälfte der Ländereien, von denen sie vertrieben werden
sollten, arbeiten würden, da sagte der Gesandte Allahs: 'Ich
lasse euch dort weiterhin leben, aber zu unseren Bedingungen.'
So kam man überein, und die Dattelernte der Hälfte des
Oasenlandes von Chaybar wurde in zwei Teile aufgeteilt und der
Gesandte Allahs erhielt darüber hinaus noch das Fünftel.“
Auch Abu Ubaid
überliefert im “Kitab al-Amwal“ unter Berufung auf Ibn Abbas:
„Der
Gesandte Allahs überließ Chaybar – d.h. dessen Ländereien und
Dattelpalmen – seinen bisherigen Besitzern, und zwar in zwei
Hälften ausgeteilt.“
Wenn wir nun
diese beiden aus der Biographie des Propheten (s.)
ersichtlichen Handlungsweisen in Betracht ziehen, nämlich dass
er einerseits einen großen Teil von Chaybar für die
allgemeinen Interessen der Muslime und die Angelegenheiten des
Staates reservierte, und anderseits in seiner Eigenschaft als
verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr] über den
anderen Teil frei verfügte, von dem wir annehmen wollen, dass
er ihn tatsächlich an die Kämpfer verteilt hat ... wenn wir
all das berücksichtigen, dann können wir die
Prophetenbiographie in einer Weise interpretieren, die mit den
zuvor erwähnten gesetzgeberischen Textquellen, welche das
Prinzip des kollektiven Eigentums für das eroberte Land
bestätigen, harmoniert; denn es besteht die Möglichkeit, dass
Allahs Gesandter auf das Land von Chaybar dennoch das Prinzip
des “Eigentums der Gemeinschaft“ angewandt hat, das verlangt
der Umma die Kontrollen über das Land zuzuerkennen, und es für
deren Interesse und allgemeine Bedürfnisse zu nutzen. Die
allgemeinen Bedürfnisse der Umma waren seinerzeit zweierlei
Art: Erstens, dass für die Regierung die Mittel bereitgestellt
wurden, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben in der
islamischen Gemeinschaft aufwenden musste, und zweitens, dass
ein soziales Gleichgewicht geschaffen und der allgemeine
Lebensstandard angehoben wurde; letzterer war so
herabgesunken, dass ihn die Frau des Propheten, Aischa,
mit den Worten beschrieb:
„Bevor
Allah uns Chaybar erobern ließ, hatten wir nicht genug Datteln
zu essen.“
So ist
Behebung der damaligen materiellen Notlage, die den
Fortschritt des jungen Gemeinwesens und die Verwirklichung
seines Ideals (im Leben) behinderte, als allgemeines Bedürfnis
der Umma anzusehen. Und das in der Biographie des Propheten
(s.) beschriebene Verfahren sorgte für die Befriedigung beider
Arten von allgemeinen Bedürfnissen der Umma: Der Prophet (s.)
gewährleistete die Befriedigung der ersteren Art von
Bedürfnissen mit der Hälfte des eroberten Landes, von der uns
die oben genannten Überlieferungen berichten, dass sie für die
“Wechselfälle“, die Delegationen und ähnliche Zwecke bestimmt
wurde; und für die zweite Art von Bedürfnissen wurde Sorge
getragen, indem der Ertrag der anderen Hälfte des Landes
Chaybar einer großen Anzahl von einzelnen Muslimen zuerkannt
wurde, um damit die allgemeinen Energien der muslimischen
Gemeinschaft mobilisieren zu helfen, und ihr den Weg zu einem
höheren Lebensstandard zu bereiten. Dabei bedeutete die
Verteilung der Hälfte von Chaybar an eine große Zahl einzelner
Muslime nicht, dass ihnen das Eigentum der Kontrolle über das
Land gewährt, und dieses dem Prinzip des privaten Eigentums
unterworfen worden wäre, sondern nur der Ertrag und Nutzen des
Landes wurde verteilt, während die Kontrolle darüber weiterhin
der Allgemeinheit zustand. Dies erklärt uns die Maßnahmen, die
der Prophet als verantwortlicher Befehlshaber [wali-ul-amr]
im Zusammenhang mit dem Land von Chaybar traf, unter anderem
auch dessen Verteilung an einzelne Personen; denn da die
Kontrolle über das Land der Umma zustand, musste deren
Befehlshaber mit dessen Angelegenheiten betraut werden. Ebenso
erklärt er uns, dass auch einige Personen, die nicht an den
Kämpfen um Chaybar teilgenommen hatten, einen Anteil
erhielten, was von einer Anzahl von Überlieferungs-Sammlern
und Geschichtsschreibern berichtet wird. Dies bestärkt unsere
These, die Verteilung als Maßnahme zur Herstellung des
Gleichgewichts in der Gemeinschaft zu interpretieren, und
nicht als Anwendung des Prinzips der Beuteverteilung an die
Kämpfer, denn in letzterem Fall hätten andere nicht beteiligt
werden dürfen. Es gibt noch einen weiteren Qur´an-Vers, den
einige Verfechter des Privateigentums an Land anführen,
nämlich Allahs Wort:
„Ich
mache euch ihr Land, ihre Häuser und ihre Besitztümer zur
Erbschaft, und Land, das ihr noch gar nicht betreten habt.“
Auf dieser
Grundlage glauben sie, das Land wäre als Erbe der
angesprochenen Gruppe, nämlich der bei der Offenbarung des
Verses anwesenden Gläubigen, anzusehen, womit das
kontinuierliche Eigentum der Umma daran widerlegt wäre;
weiterhin setzt der Vers das Land und sonstige Besitztümer
gleich und nennt sie in einem Zusammenhang, und das soll
bedeuten, der Erbe der Besitztümer sei auch der Erbe des
Landes, und es wäre eindeutig, dass die erbeuteten Güter den
Kämpfern zustünden, also auch das Land. Wir bemerken aber in
diesem Zusammenhang, dass der edle Vers außer „ihrem
Land“ und „ihren Besitztümern“ auch noch
auf Land hinweist, das die Muslime noch gar nicht betreten
haben. Damit ist entweder solches Land gemeint, dessen
Bewohner aus Furcht vor den Muslimen geflohen sind, ohne dass
es überhaupt angegriffen wurde, oder das Land, das im Kampf
erobert werden konnte, etwa das Land der Perser oder
Byzantiner, wie dies in den klassischen Werken über die
Qur´an-Interpretation angeführt wird.
Gehen wir bei
der Interpretation dieser Passage von der ersteren Annahme aus
– was der expliziten Aussage entspricht, denn der Vers weist
darauf hin, dass es tatsächlich den Muslimen zum Erbe gemacht
wurde – dann bezeichnet es eine Art von “Beute [anfal]“,
welche Allah und seinem Gesandten zustehen, und nicht allen
Muslimen, was ein Indiz dafür ist, dass mit dem Erbe der
Muslime an diesen Dingen die Übertragung der Macht und Gewalt
darüber an sie, und nicht die Übertragung des Eigentums im
juristischen Sinne gemeint ist; der Vers belegt also nicht
eine bestimmte Art von Eigentum an dem besagten Land. Und wenn
wir bei der Interpretation der Textstelle von der zweiten
Annahme ausgehen, dann ist sie ein Indiz dafür, dass sich der
Vers nicht nur an die Zeit seiner Offenbarung Anwesenden
richtet, sondern an die gesamte Umma zu jeder Zeit, denn die
Eroberung von Ländern in zukünftigen Kämpfen sollten die
Anwesenden als Individuen vielleicht nicht mehr erleben,
sondern nur insofern, als sie als die Umma, die historisch
weiterexistiert, angesprochen wurden. Die “Vererbung“ des
Landes in dem edlen Vers entspricht also dem kollektiven
Eigentum der Muslime. Und wenn man sich darauf beruft, dass
Land und sonstige Besitztümer in ein und dem selben
Zusammenhang genannt werden, um zu beweisen, dass die
Eigentümer des Landes dieselben Personen wie die Eigentümer
der sonstigen eroberten Güter sein sollten – also speziell die
Kämpfer – dann ist die Argumentation inkorrekt, denn sie würde
den Vers zu einer Anrede speziell an die Kämpfer machen,
obwohl sich der edle Vers offensichtlich an die gesamte
zeitgenössische muslimische Gemeinschaft richtet. Wir müssen
in diesem Zusammenhang die “Vererbung“ daher anders als
“Zuneigung“ im wörtlichen Sinne, wie es für die Aneignung der
erbeuteten beweglichen Güter durch die Kämpfer zutrifft,
verstehen, also entweder als kollektive Macht der Muslime über
das Land, oder als dessen Einbeziehung in den Bereich ihres
Eigentums, sei es in Form von privatem oder kollektiven
Eigentum. Der edle Vers könnte also im Sinne unserer
Interpretation auch lauten: „Wir gaben euch Macht über ihr
Land und ihre Besitztümer“, oder: „Wir überführten das
Eigentumsrecht an ihrem Land und ihren Besitztümern in eure
Domäne“, und der Vers würde dennoch nicht belegen, dass der
Eigentümer, im buchstäblichen Sinne des Wortes, vom Land und
von den sonstigen Gütern identisch wäre.
Als Ergebnis
aus alledem folgt: Das eroberte Land gehört als kollektives
Eigentum allen Muslimen, wenn es zum Zeitpunkt der Eroberung
kultiviert war. Und als kollektives Eigentum der Umma und
Stiftung [waqf] zur Nutzbarmachung für deren allgemeine
Interessen unterliegt es nicht den Bestimmungen des Erbrechts,
d.h. was dem einzelnen Muslim – als Mitglied der Umma –
gehört, wird nicht an seine Erben übertragen, sondern jeder
Muslim hat automatisch ein Anrecht darauf. Ebenso wie das
Grundbesitzersatzabgabe-Land nicht vererbt werden kann, darf
es auch nicht verkauft werden, denn der Verkauf einer Stiftung
[waqf] ist nicht zulässig. So sagte Scheich Tusi
in seinem Werk “al-Mabzut“: „Es ist nicht zulässig, es zu
verkaufen oder zu kaufen, zu verschenken, auszutauschen, sich
anzueignen, zu verpachten oder zu vererben.“ Und Malik bin
Anas sagte: „Das Land wird nicht verteilt, sondern wie eine
Stiftung [waqf] behandelt, dessen Ertrag im Interesse aller
Muslime verwendet wird. z.B. für die Versorgung der Kämpfer,
den Bau von Bewässerungsanlagen und Moscheen, und ähnliche
wohltätige Zwecke.“ Wenn das Land den Pächtern zur Nutzung
übergeben wird, dann erwirbt der einzelne Pächter kein
beständiges persönliches Anrecht auf die Kontrolle über das
Land, sondern er ist nur der Mieter, der das Land bebaut und
dafür eine Gebühr, d.h. die Grundbesitzersatzabgabe [charadsch]
bezahlt, entsprechend den im Pachtvertrag vereinbarten
Bedingungen. Und wenn die festgesetzte Frist abgelaufen ist,
endet auch seine Beziehung zu dem Land, und es ist nur
zulässig, dass er es weiterhin nutzt und darüber verfügt, wenn
der Vertrag erneuert und wiederum mit dem verantwortlichen
Befehlshaber [wali-ul-amr] ein Einvernehmen erzielt
wird. Dies bekräftigt auch der Rechtsgelehrte al-Isfahani in
seinem Kommentar zum Buch “al-Makasib“ in aller Deutlichkeit,
indem er dem Einzelnen jedes persönliche Anrecht an dem
Grundbesitzersatzabgabe [charadsch]-Land prinzipiell
abspricht, und weiterhin auf die Grenzen verweist, innerhalb
derer der Einzelne mit Erlaubnis des verantwortlichen
Befehlshaber [wali-ul-amr] das Land nutzen und
verwenden darf, in Form eines Pachtvertrages, der eine
angemessene Gebühr während einer bestimmten Frist festsetzt.
Und wenn das Grundbesitzersatzabgabe [charadsch]-Land
vernachlässigt wird, so dass es verwahrlost und nicht als
kultiviert gelten kann, bleibt es trotzdem kollektives
Eigentum der Umma; darum darf es niemand ohne Erlaubnis des
verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr] erneut
kultivieren, und für denjenigen der es wiederbelebt, entsteht
kein persönliches Recht der Kontrolle über das Land, denn das
besondere Recht aufgrund der Neukultivierung entsteht nur bei
Staatsländereien, über die wir später noch sprechen werden,
und nicht bei dem Grundbesitzersatzabgabe-Land, das der
gesamten Umma als “Eigentum der Gemeinschaft“ gehört, wie das
der Verfasser der “Bulgat al-Faqih“, der Muhaqqiq “Bahar
al-Ulum“, in seinem Buch darlegt. Diejenigen Flächen vom
Grundbesitzersatzabgabe-Land, die der Verwahrlosung
anheimgefallen sind, bleiben trotzdem
Grundbesitzersatzabgabe-pflichtig und Eigentum aller Muslime,
und werden dadurch, dass sie neu erschlossen und kultiviert
werden, nicht zum privaten Eigentum irgendeiner Person.
Wir können aus
dem bisher dargelegten zusammenfassen, dass auf alles Land,
das durch Anstrengung [dschihad] dem Territorium
des Islam angegliedert wird,
und das durch eine der Eroberung vorangehende menschliche
Arbeiten kultiviert worden ist, die folgenden Bestimmungen des
islamischen Rechts [scharia] angewandt werden:
·
Erstens: Es
gilt als gemeinschaftliches Eigentum der Umma, und niemand
darf es sich aneignen oder es ausschließlich für sich
beanspruchen.
·
Zweitens:
Jedem Muslim steht als Mitglied der Umma ein Recht an dem Land
zu, und es gibt keine besonderen Anteile aufgrund von
Verwandtschaftsbeziehungen und Erbe.
·
Drittens:
Niemand darf das Land selbst zum Objekt von Transaktionen wie
Verkauf, Schenkung oder dergleichen machen.
·
Viertens:
Der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] gilt als
Verantwortlicher für die Aufsicht über das Land, für seine
Nutzung, und für die Erhebung der Grundbesitzersatzabgabe [charadsch],
wenn es an Pächter übergeben wird.
·
Fünftens:
Die Grundbesitzersatzabgabe [charadsch], den der
Pächter an den verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr]
zahlt, richtet sich in der Art seines auf ihn angewandten
Eigentums nach dem Land, er ist also ebenso wie das Land
selbst Eigentum der Umma.
·
Sechstens:
Die Verbindung des Pächters zu dem Land endet mit Ablauf der
Pachtfrist, und danach steht ihm kein ausschließlicher
Anspruch auf das Land mehr zu.
·
Siebtens:
Wenn das Grundbesitzersatzabgabe-Land nicht mehr kultiviert
und zum Ödland wird, verliert es nicht seinen Status als
“Eigentum der Gemeinschaft“, und niemand darf es sich
aneignen, weil er es von neuem erschließt und kultiviert.
·
Achtens:
Die Kultiviertheit des Landes zum Zeitpunkt der Eroberung
durch die Anstrengungen seiner bisherigen Besitzer stellt die
Grundbedingung für seine Überführung in das “Eigentum der
Gemeinschaft“ und die Gültigkeit der oben erwähnten
Bestimmungen dar, und wenn es nicht durch eine bestimmte
menschliche Arbeit kultiviert war, finden diese Bestimmungen
keine Anwendung.
Auf dieser
Grundlage bedürfen wir heutzutage für den Bereich der Praxis
umfassende historische Kenntnisse über die islamischen
Ländereien und den damaligen Stand ihrer Kultivierung, um in
deren Licht die Gebiete, die zur Zeit der Eroberung bereits
kultiviert waren, von anderen eroberten Gebieten unterscheiden
zu können; und angesichts der Schwierigkeiten, definitive
Erkenntnisse zu diesem Bereich zu gewinnen, begnügen sich
viele Rechtsgelehrte mit Vermutungen, und alles Land, das mit
großer Wahrscheinlichkeit zur Zeit der islamischen Eroberung
kultiviert war, wird als Eigentum aller Muslime angesehen. Wir
wollen als Beispiele die Bemühungen einiger Rechtsgelehrter
erwähnen, den Bereich des Grundbesitzersatzabgabe-Landes, das
allen Muslimen als “Eigentum der Gemeinschaft“ gehört, unter
den Ländereien des Irak, die im zweiten Jahrzehnt der
Auswanderungs-Zeitrechnung
erobert wurden, zu umreißen. So heißt es im “Kitab al-Muntaha“
des Allama al-Hilli:
„Das Sawad-Land ist das Land, das Umar ibn al-Chattab von
den Persern erobert hat, d.h. das Sawad des Irak. Es reicht in
der Breite von den Ausläufern der Berge bei Hulwan bis zum
Gebiet um Qadisiya, das an das Adhib der arabischen Wüste
grenzt.“ Und in der Länge erstreckt es sich von den
Grenzen von Mosul bis zur Meeresküste im Land von Abadan
östlich des Tigris, wobei alles Gebiet westlich davon, das zu
Basra gehört, islamisch ist, wie auch der Schatt Amr ibn
al-Aas. Dieses Land, (d.h. das von den genannten Grenzen
umrissene), wurde gewaltsam von dem Kalifen Umar bin
al-Chattab erobert, und nach der Eroberung entsandte er drei
Personen dorthin: Ammar bin Yasir als Vorbeter, Ibn Mas´ud als
Richter [qadi] und Verantwortlicher für die Staatskasse
und Uthman ibn Hanif als Verantwortlicher für die
Landvermessung. Und er ließ ihnen jeden Tag ein Schaf
zuteilen, die eine Hälfte samt der Eingeweide war für Ammar,
und die andere Hälfte für die beiden anderen, und er sagte: „Ich
kenne kein Dorf, dem jeden Tag ein Schaf weggenommen wird, das
nicht schnell ruiniert wird.“ Und Uthman ließ das
Grundbesitzersatzabgabe-Land vermessen, wobei man zu
unterschiedlichen Ergebnissen kam. ...