Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Bewertung von Arbeit in der Theorie

Überbau

1) Wenn jemand Ödland bearbeitet und es urbar macht, dann hat er ein Anrecht darauf, und ihm obliegt die Zahlung der entsprechenden Steuer an den Imam, sofern sie ihm nicht erlassen wird. So steht es im “Kitab al-Dschihad“ des “Mabsut“ des Scheich Tusi, unter Berufung auf authentische Überlieferungs-Texte, welche belegen: Wer Land urbar macht, hat am meisten Anrecht darauf, aber ihm obliegt die Zahlung der entsprechenden Steuer; und aufgrund des von ihm erworbenen Rechtes darf ihm keiner das Land streitig machen, solange dieses Recht bestehen bleibt, obwohl er nicht der Eigentümer der Kontrolle über das Land selbst ist.

2) Wenn jemand von Natur aus belebtes Land bearbeitet und es bebaut und ausnutzt, dann hat er das Recht, es in seinem Besitz zu behalten und andere daran zu hindern, ihn dabei zu stören, solange er von der Nutzungsmöglichkeit Gebrauch macht. Aber er erwirbt kein weitergehendes Recht, das ihn autorisieren würde, es ausschließlich zu beanspruchen und anderen vorzuenthalten, auch wenn er es nicht tatsächlich nutzt. Daher unterscheidet sich das Anrecht, das aus der Nutzung des von Natur aus belebten Landes hervorgeht, von dem Recht, das durch die Urbarmachung von Ödland entsteht. Denn das Recht, das durch die Urbarmachung erworben wird, verbietet es jeder anderen Person, sich ohne Erlaubnis des Kultivierenden des Landes zu bemächtigen, solange es noch als belebt gelten kann, ganz gleich, ob letzterer die Gelegenheit zur Nutzung des Landes tatsächlich wahrnimmt, oder nicht. Dagegen ist das Anrecht, das ein Einzelner durch den Feldbau auf von Natur aus belebtem Land erwirbt, nicht mehr als ein vorrangiges Nutzungsrecht, solange er die Nutzung wahrnimmt, und wenn er dies versäumt, dann hat jeder andere das Recht, die von Natur aus gegebene Gelegenheit der Bebauung zu nutzen und den Platz des ersteren einzunehmen.

3)  Wenn jemand in der Erde gräbt und eine Lagerstätte von Bodenschätzen entdeckt und diese zugänglich macht, dann darf ein anderer von derselben Lagerstätte profitieren, solange er den ersteren nicht bei seiner Arbeit stört. Dies kann geschehen, indem er z.B. an einer anderen Stelle gräbt, und sich dort die gewünschte Menge des mineralischen Materials entnimmt, worauf Allama al-Hilli in den “Qawa´id“ hinweist, indem er schreibt: „Wenn jemand gräbt und auf eine Lagerstätte stößt, dann darf er andere nicht daran hindern, von einer anderen Seite her zu graben; auch wenn der andere auf ein und dieselbe Ader stößt, darf ihn der erstere nicht daran hindern.“[1]

4) Der “zweite Märtyrer“[2] schreibt in den “Masalik“ über solches Land, das jemand urbar gemacht hat, und das dann wieder verödet ist: „Dieses Land ist im Prinzip jedermann zugänglich gewesen, wenn er es also verlässt, kehrt es in seinen ursprünglichen Status zurück und wird wieder frei, so als ob jemand etwas vom Wasser des Tigris entnimmt und dann wieder dort hineinschüttet. Denn die Ursache der Aneignung dieses Landes war die Urbarmachung und Kultivierung, und wenn die Ursache nicht mehr besteht, dann wird auch die Wirkung hinfällig.[3] Das bedeutet, wenn jemand Land urbar macht, dann entsteht ihm ein Anrecht darauf, und sein Recht besteht solange weiter, wie seine Urbarmachung dort Auswirkungen hat. Wenn aber die Belebtheit des Landes aufhört, dann verfällt sein Anrecht.

5) Genauso verhält es sich, wenn jemand in der Erde gräbt, um eine Mine oder eine Wasserquelle freizulegen, und sie zugänglich macht, dann aber die von ihm freigelegte Stelle vernachlässigt, bis die Ausgrabung verfällt oder aufgrund einer natürlichen Ursache wieder verschüttet wird. Wenn dann eine andere Person kommt und die Arbeit von neuem aufnimmt, bis sie die Lagerstätte freilegt, dann hat letztere ein Anrecht darauf, und der erstere hat nicht das Recht, sie daran zu hindern.

6) Die Inbesitznahme allein bedingt keine Aneignung natürlicher Ressourcen wie Land, Lagerstätten von Bodenschätzen und Wasserquellen, denn in solchen Fällen wäre sie eine Art von “Hima“ und niemand außer Allah und seinem Gesandten (s.) steht der “Hima“ zu.

7) Die wilden Tiere, die sich dem Menschen widersetzen, werden zum Eigentum, indem man sie erjagt und ihren Widerstand bricht, selbst wenn der Jäger noch nicht mit seiner Hand oder seinem Netz ihrer habhaft geworden ist; d.h. man muss die Jagdbeute noch nicht tatsächlich in seine Gewalt gebracht haben, um sie sich anzueignen. So schreibt Allama al-Hilli in den “Qawa´id“: „Es gibt vier Ursachen für das Eigentumsrecht an der Jagdbeute: Entweder die Paralysierung ihrer Widerstandskraft, oder dass man ihrer habhaft wird, oder deren Erschöpfung, oder dass sie sich in einer aufgestellten Falle fängt. Und jeder, der eine Jagdbeute schießt, auf die noch kein anderer Anspruch erheben kann, und die kein Merkmal fremden Eigentums zeigt, wird deren Eigentümer, sobald er sie widerstandsunfähig macht, auch wenn er sie noch nicht ergriffen hat.“[4] Und ibn Qudama schreibt: „Wenn jemand auf einen Vogel schießt, der auf einem Baum auf dem Grundstück anderer Leute sitzt und ihn trifft und auf deren Grundstück zu Fall bringt, so dass sie ihn ergreifen können, dann gehört er dem Schützen und nicht ihnen, denn sein Eigentumsrecht begründet sich darauf, dass er den Widerstand des Vogels gebrochen hat.“[5] Genauso äußert sich Dschafar ibn Hassan, der Muhaqqiq al-Hilli im “Schara´i al-Islam“.[6]

8) Wer einen Brunnen gräbt, bis er auf Wasser stößt, der hat das vorrangige Anrecht auf soviel von diesem Wasser, wie er zum Trinken, zum Tränken seines Viehs und zur Bewässerung seiner Felder benötigt. Wenn dann noch etwas übrig bleibt, muss er es jedem, der es benötigt, unentgeltlich zur Verfügung stellen, worauf Scheich Tusi in dem “Mabsut“ hinweist. Wir haben das entsprechende Zitat bereits angeführt.[7]

9) Wenn jemand durch Inbesitznahme Eigentümer eines Gutes geworden ist, und es wird wieder jedermann frei zugänglich, wie schon vor der Inbesitznahme, kann es sich jeder andere aneignen, denn indem der Eigentümer auf die Nutzung seines Eigentums verzichtet und es aufgegeben hat, ist seine Verbindung damit aufgelöst. So gibt es eine authentische Überlieferung, welche Abdullah ibn Sanan von den Imamen der Ahl-ul-Bait (a.) überliefert, die gesagt haben: „Wer ein Gut findet, oder ein Kamel, das erschöpft in der Einöde umherirrt, und von seinem Besitzer aufgegeben wurde, indem er nicht mehr danach sucht – so dass ein anderer es ergreifen, dafür sorgen und Kosten aufwenden kann, bis er es wieder auf die Beine gebracht hat – dem gehört es, und der ehemalige Besitzer hat nichts mehr damit zu schaffen, sondern es ist wie ein jedermann erlaubtes Gut.[8] Auch wenn die Überlieferung von einem aufgegebenen Kamel handelt, so erkennen wir doch daran, dass das Kamel als Beispiel für “ein Gut“ genannt wird, dass es sich um ein allgemeines, jederzeit gültiges Prinzip handelt.

10) Einer Person entsteht kein Anrecht auf die Kontrolle des Landes, auf dem sie ihr Vieh weiden lässt, und das Weideland wird nicht dadurch, dass auf ihm Weidewirtschaft betrieben wird, zu privatem Eigentum. Vielmehr kann ein Anrecht darauf nur durch dessen Erschließung erworben werden, daher kann eine Person nicht ihr Weideland verkaufen, wenn sie nicht zuvor ein Recht daran erworben hat, sei es durch dessen Erschließung, durch Erbschaft von demjenigen, der es erschlossen hat, oder dergleichen. So überlieferte Zaid ibn Idris, dass er Imam Musa ibn Dschafar (a.) folgende Fragen stellte: „Wir haben Ländereien mit abgesteckten Grenzen, wir haben Tiere, und zu unserem Land gehört auch Weideland. Einer von uns hat Schafe und Kamele und benötigt dafür jenes Weideland. Darf er diese Weiden beschlagnahmen, weil er sie benötigt?“ Der Imam (a.) antwortete, dass falls das Land ihm gehöre, er es “beschützen“ dürfe, womit seinen Bedürfnissen Rechnung getragen würde. Dann fragte er, was der Imam davon halte, wenn ein Mann Weideland verkauft. Der Imam (a.) sagte: „Wenn das Land ihm gehört hat, dann ist nichts dagegen einzuwenden.[9] Diese Antwort belegt, dass allein die Tatsache, dass jemand Land als Weide benutzt, diesem Hirten kein Recht an dem Land verschafft, welches er auch noch durch Verkauf an andere übertragen dürfte[10].

[1] “Qawa´id al-Ahkam“ des Allama al-Hilli, Seite 222 der Steindruck-Auflage

[2] Ehrenname des Rechtsgelehrten Zaynuddin al-Dschuba'i al-Amili (1506-1558 n.Chr.), wie bereits zuvor ausführlicher beschrieben.

[3] “Al-Masalik fi Scharh Schara´i al-Islam“ des “zweiten Märtyrers“ Ali ibn Ahmad al-Amili, Band 2 des “Kitab Ihya al-Mawat“, erster Teil

[4] “Qawa´id al-Ahkam“ des Allama al-Hilli, Seite 152 der Steindruck-Auflage

[5] “Al-Mugni“ des Ibn Qudama, Band 9, Seite 382

[6] “Schara´i al-Islam“ des Muhaqqiq al-Hilli, Band 3, Seite 203

[7] Siehe Kapitel “Natürliche Wasservorkommen“.

[8] “Al-Kafi“ des “Thiqat al-Islam“ Muhammad ibn Yakub al-Kulaini, Band 5, Seite 140

[9] “Al Wasa´il“ des Scheich al-Hurr al-Amili Muhammad ibn al-Hasan, “Kitab al-Tidschara“, Kapitel 22 der Kapitel über die Kaufverträge.

[10] Vielmehr muss er unabhängig davon, dass er das Land als Weide benutzt, auch Besitzrechte über das Land haben, wie es in der Antwort deutlich wird.

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