Bedeutung der Inbesitznahme bei beweglichen Naturschätzen
Die
Inbesitznahme unterscheidet sich hinsichtlich der dafür
relevanten Bestimmungen von der reinen Jagd. Daher finden wir,
dass jemand, der Eigentümer eines Vogels geworden ist, indem
er ihn ergriffen und in Besitz genommen hat, das Recht hat,
ihn zurückzufordern, wenn dieser wieder fliegen und sich
seinem Zugriff entziehen kann, und ihn ein anderer erjagt.
Dann darf der andere ihn nicht behalten, sondern muss ihn
demjenigen zurückgeben, in dessen Besitz sich der Vogel
bereits befunden hat, denn das Recht, das aus der
Inbesitznahme abgeleitet wird, ist ein direktes Recht, d.h.
die Inbesitznahme bedingt die direkte Aneignung des Vogels,
und das Eigentum an dem Vogel ist nicht an das “Eigentum einer
bestimmten Gelegenheit“ gebunden, so dass es hinfällig würde,
wenn diese nicht mehr besteht. Dies ist der Unterschied
zwischen der Inbesitznahme und den anderen Tätigkeiten, die
wir besprochen haben. So ist die Handlung der Jagd die Ursache
dafür, dass sich der Jäger die Gelegenheit, die er geschaffen
hat, “aneignen“ darf, und darauf beruht sein Recht an dem
Vogel; und die Tätigkeit der Erschließung bedingt, dass sich
der Arbeitende die Gelegenheit, die durch die Erschließung
entstanden ist, “aneignen“ darf, wodurch er ein Recht an der
natürlichen Ressourcen, die er erschlossen hat, erwirbt.
Dagegen ist die Inbesitznahme beweglicher Reichtümer für sich
allein schon ein prinzipieller und direkter Grund für die
Aneignung solcher Güter.
Dieser
Unterschied zwischen der Inbesitznahme und anderen Tätigkeiten
macht es erforderlich, dass wir uns der folgenden Frage auf
theoretischer Ebene stellen: Wenn das Recht eines Einzelnen an
der natürlichen Produktionsquelle, die er erschlossen hat,
oder an der Jagdbeute, die er erjagt hat, darauf beruht, dass
ihm das Ergebnis seiner Arbeit gehört, d.h. die Gelegenheit
der Nutzung dieser Ressourcen, worauf beruht dann das Recht
des Einzelnen an dem Stein, den er am Wegesrand findet und für
sich selbst mitnimmt, oder sein Recht an dem stehenden Wasser,
das er aus einem natürlichen See in Besitz nimmt, obwohl diese
Inbesitznahme eines Steins oder von Wasser keine neue
allgemeine Nutzungsmöglichkeit an dem Gut schafft, wie im
Falle der Jagd oder der Urbarmachung von Land? Die Antwort auf
diese Frage lautet: Dieses Recht des Einzelnen leitet seine
Rechtfertigung nicht daraus ab, dass ihm die Gelegenheit, die
durch seine Arbeit entstanden ist, gehört, vielmehr wird es
bereits mit der Nutzung jener Güter durch den Einzelnen
gerechtfertigt. Denn ebenso wie jeder Arbeitende das Recht
hat, sich die Gelegenheit, die seine Arbeit geschaffen hat,
“anzueignen“, hat er auch das Recht, die Gelegenheit zu
nutzen, welche ihm die Natur durch die Fürsorge Allahs des
Erhabenen zur Verfügung stellt.
Wenn z.B.
Wasser in den Tiefen der Erde vorhanden ist, und eine Person
es durch Grabung zugänglich macht, dann schafft sie eine
Gelegenheit der Nutzung daran, und es steht ihr zu, sich diese
Gelegenheit “anzueignen“. Wenn aber das Wasser von Natur aus
an der Oberfläche der Erde zusammengeflossen ist, dann besteht
ohne vorherige menschliche Mühe eine fertige Gelegenheit zur
Nutzung, daher muss die Nutzung dieses Wassers jedermann
erlaubt sein, denn die Natur hat denen die Arbeit erspart, und
ihnen die Gelegenheit der Nutzung zur Verfügung gestellt.
Nehmen wir an, eine Person schöpft etwas von dem
natürlicherweise an der Erdoberfläche gespeicherten Wasser in
ihr Gefäß; dann verrichtet sie im Sinne des theoretischen
Begriffsinhaltes, den wir am Anfang des Kapitels erörtert
haben, eine Arbeit der Nutzung und Verwendung. Und da jeder
Einzelne das Recht hat, von dem Reichtum, den die Natur den
Menschen zur Verfügung stellt, zu profitieren, ist es
natürlich, dass es dem Einzelnen erlaubt wird, das offen an
der Erdoberfläche vorhandene Wasser aus seinen natürlichen
Vorkommen in Besitz zu nehmen, denn dies ist eine Arbeit der
Nutzung und Verwendung und keine Handlung der Monopolisierung
und Machtausübung. Wenn der Einzelne das Wasser, das er in
Besitz genommen hat, aufheben will, dann steht ihm das zu, und
kein anderer darf es ihm dann streitig machen oder wegnehmen
und selbst benutzen, denn die Theorie erachtet die
Inbesitznahme von Wasser und dergleichen beweglicher
natürlicher Reichtümer als eine Arbeit der Nutzung, folglich
dauert die Nutzung durch denjenigen, der etwas in Besitz
genommen hat, solange an, wie es sich in seinem Besitz
befindet; und da der Besitzer seine Nutzung des Gutes
zumindest nach der Theorie fortsetzt, wäre es nicht
gerechtfertigt, eine andere Person bei der Nutzung des Gutes
ihm vorzuziehen, falls sie das verlangt. Somit bleibt das
Anrecht des Einzelnen auf die beweglichen natürlichen
Reichtümer, die er in Besitz genommen hat, erhalten, solange
diese tatsächlich oder juristisch
in seinem Besitz bleiben.
Wenn er aber
auf seine Besitzrechte verzichtet, indem er das Gut
vernachlässigt oder kein Interesse daran zeigt, kann auch von
seiner Nutzung dieses Gutes keine Rede mehr sein, darum
verfällt sein Anrecht, und jeder andere darf es in seine
Gewalt bringen und nutzen. Damit wird deutlich, dass das Recht
des Einzelnen an dem Wasser, das er aus einem See in Besitz
nimmt, oder an einem Stein, den er vom öffentlichen Weg
aufnimmt, nicht darauf beruht, dass ihm eine allgemeine
Gelegenheit gehört, die durch seine Arbeit entstanden ist,
sondern darauf, dass der Einzelne die für jedermann bestehende
Möglichkeit der Nutzung jener natürlichen Reichtümer
wahrnimmt, indem er sie in Besitz nimmt.
Angesichts
dieses Sachverhaltes können wir dem zuvor genannten Prinzip
der Theorie, wonach jedem Arbeitenden das Ergebnis seiner
Arbeit gehört, ein weiteres Prinzip hinzufügen, nämlich dass
demjenigen der die Nutzung eines natürlichen Reichtums
vornimmt, dadurch ein Recht an diesem entsteht, solange er die
Nutzung dieses Gutes fortsetzt. Und da die Inbesitznahme im
Bereich der beweglichen Naturschätze eine Arbeit der Nutzung
darstellt, fällt sie unter die Gültigkeit dieses Prinzips und
begründet ein Recht des Einzelnen an den Gütern, die er in
Besitz nimmt.