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Muhammad Baqir al-Sadr

Aspekte des Unterschieds zwischen islamischer Verteilungstheorie und Marxismus

Überbau

1) Muhaqqiq al-Hilli schreibt im “Kitab al-Idschara“ aus den “Schara´i“ Folgendes: „Wenn jemand eine Ware einer anderen Person übergibt, damit diese daran eine Arbeit verrichtet, dann steht ihr ein ihrer Arbeit angemessener Lohn zu, falls sie normalerweise für solche Arbeiten engagiert wird, wie ein Wäscher oder ein Bleicher. Falls der Arbeiter solche Arbeit gewöhnlich nicht verrichtet, es sich aber um eine Arbeit handelt, die entlohnt werden muss, dann soll der Arbeiter seine Forderung stellen, denn er kann sie am besten beurteilen; wenn dafür aber gewöhnlich kein Lohn bezahlt werden muss, dann wird demjenigen, der Lohn fordert, keine Beachtung geschenkt.[1] Ein Kommentator merkt dazu an, dass der Arbeiter keine Lohnforderung stellen darf, wenn bekannt ist, dass er eine freiwillige Hilfeleistung beabsichtigt.

2) Muhaqqiq al-Nadschafi führt im “Kitab al-Gasb“ aus den “Dschawahir“ an: „Wenn eine Person Korn raubt und es als Saatgut verwendet, oder Eier raubt und ausbrüten lässt, dann gehören die Ernten, bzw. die ausgebrüteten Vögel nach der Auffassung der meisten Rechtsgelehrten dem Beraubten. In dem Buch 'al-Nasiriya' wird sogar jede Meinungsverschiedenheit der Rechtsgelehrten in dieser Frage bestritten, und in den 'Sara´ir' ist die Rede von einem Konsens, was nach den Prinzipien und Richtlinien der schiitischen Rechtsschule nahe liegt.“[2] Und er erwähnt eine andere Rechtsauffassung, wonach die Aussaat, bzw. die Jungvögel dem “Räuber“ gehören sollen, da das Korn, bzw. die Eier, die dem Beraubten gehört haben, als verschwunden und nicht mehr existent anzusehen sind, so dass die Aussaat und die Jungvögel eine neue Sache darstellen, die dem “Räuber“ durch seine Arbeit daran gehören. Zu eben dieser Auffassung gelangt al-Marginani, wenn er schreibt: „Wenn sich das geraubte Gut durch Mitwirkung dessen, der es geraubt hat, in seiner Substanz verändert, so dass seine ursprüngliche Bezeichnung nicht mehr zutrifft und sein Nutzwert sich vergrößert, dann verfällt das Eigentumsrecht des Beraubten, und es gehört demjenigen, der es geraubt hat.“[3] Und al-Sarachsi schreibt: „Wenn jemand Weizen raubt und ihn aussät, und dann dessen Besitzer kommt, während die Aussaat herangereift oder herangewachsen ist, so muss nach unserer Auffassung der Erstere soviel Weizen zurückerstatten, wie er dem anderen weggenommen hat, während letzterer keinen Anspruch auf die Aussaat erheben kann. Dagegen gehört diesem nach der Auffassung von al-Schafi´i die Aussaat, weil sie aus seinem Eigentum hervorgegangen ist.“[4]

3) Im selben Buch heißt es: „Wenn jemand Land usurpiert und es bebaut oder bepflanzt, dann gehören die dort gewachsenen Kulturen demjenigen, der sie angelegt hat. Zu dieser Auffassung finde ich in der Rechtswissenschafts-Literatur keinen Widerspruch, vielmehr wird in dem Buch 'al-Tanqih' ein Konsensus der Rechtsgelehrten festgestellt. Demjenigen, der es bestellt, obliegt nur die Zahlung einer Gebühr für das Land an den rechtmäßigen Besitzer.“ Dies wird von einer Anzahl Überlieferungen bestätigt. So heißt es in einer Überlieferung des ´Uqba ibn Chalid, er habe Imam al-Sadik (a.) befragt: „Angenommen ein Mann lässt sich auf dem Land eines anderen nieder und bebaut es ohne dessen Erlaubnis, und wenn die Kulturen herangereift sind kommt der Besitzer des Landes und sagt ihm: 'Du hast es ohne meine Erlaubnis bebaut, also gehören deine Kulturen mir, während ich dir nur erstatten muss, was du dafür aufgewendet hast!' – hat er das Recht dazu, oder nicht?“ Daraufhin habe der Imam (a.) gesagt: „Die Kulturen gehören demjenigen, der sie angelegt hat, und dem Landbesitzer steht keine Miete für das Land zu.“[5] Und ibn Qudama schreibt: „Wenn jemand Land usurpiert und Pflanzungen anlegt, welche Früchte tragen, und wenn dann, nachdem er die Früchte geerntet hat, der rechtmäßige Besitzer kommt und es wieder in Besitz nimmt, so gehören die Früchte dem Ersteren. Ebenso verhält es sich, wenn der rechtmäßige Besitzer das Land beschlagnahmt, während sich die Früchte noch an den Bäumen befinden, denn es sind die Früchte seiner Bäume, und sie gehören ihm, als ob sie sich auf seinem eigenen Land befänden.“[6]

4) Im “Kitab al-Muzara´a“ aus den “Dschawahir“ heißt es: „Überall, wo im Falle der Kultivierung von Land durch eine andere Person als den Besitzer des Pachtvertrags [mudhara'a] für ungültig erklärt wurde, muss dem Landbesitzer eine angemessene Gebühr entrichtet werden, während die Kulturen dem Arbeiter selbst gehören, sofern er das Saatgut gestellt hat. Stammt das Saatgut aber von dem Landbesitzer, so gehören diesem auch die Feldfrüchte, während er eine angemessene Gebühr für den Arbeiter und dessen Hilfsmittel entrichten muss. Haben beide zusammen – d.h. der Arbeiter und der Landbesitzer – das Saatgut gestellt, dann wird die Ernte im entsprechenden Verhältnis aufgeteilt.“[7] Aus diesen detaillierten Rechts­aus­sagen lässt sich zusammenfassen, dass die Kulturen dem Besitzer des Saatgutes gehören, ob es sich dabei um den Landarbeiter oder um den Landbesitzer handelt, denn das Saatgut stellt die Grundsubstanz für den Feldbau dar. Wenn das Saatgut dem Landarbeiter gehört, dann erwächst dem Land kein Anrecht an den Kulturen, sondern der Landarbeiter schuldet dem Besitzer des Landes, welches er benutzt, um sein Saatgut zu kultivieren, eine Gebühr. Die gleiche Schlussfolgerung lässt sich aus den Rechtstexten des “Mabsut“ von al-Sarachsi ziehen, wo das Eigentumsrecht des Landbesitzers am gesamten Ertrag im Falle der Ungültigkeit des Pachtvertrags [mudhara'a] davon abhängig gemacht wird, dass es sich um Kulturen handelt, die aus seinem eigenen Saatgut hervorgegangen sind. Die Ernte gehört also dem Landbesitzer in seiner Eigenschaft als Eigentümer des Saatgutes, und nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer des Landes.[8] Scheich Tusi erklärt, dass im Falle eines ungültigen Pachtvertrags [mudhara'a] die Feldfrüchte dem Besitzer des Saatgutes gehören, was er damit begründet, dass es sich bei diesen letztlich um das Saatgut selbst handelt, auch wenn es gewachsen ist und sich vermehrt hat. Weiterhin soll dem Landbesitzer eine angemessene Gebühr für sein Land zu Lasten des Landarbeiters zustehen.[9]

5) Im “Kitab al-Musaqat“ aus den “Dschawahir“ heißt es, dass überall, wo ohne einen gültigen Pachtvertrags [mudhara'a] eine Person für die Pflanzungen eines anderen Sorge trägt, der Arbeiter eine angemessene Entlohnung erhalten soll, während die Früchte dem Besitzer der Pflanzungen gehören, da alles Herangewachsene im Eigentumsstatus dem “Ursprung“ folgt.[10] Zur Erklärung dieser Bestimmung: Wenn jemand Eigentümer von Bäumen ist, welche der Bewässerung und Pflege bedürfen, um Früchte zu tragen, dann kann er jene Bäume einem Arbeiter anvertrauen, mit dem er einen Vertrag abschließt. Darin verpflichtet sich der Arbeiter, für sie zu sorgen und sie zu bewässern, und wird als Gegenleistung in einem Verhältnis, welches der Vertrag festsetzt, Teilhaber des Besitzers der Bäume an deren Ertrag. Derartige Rechtsgelehrte verweisen auf die Verpflichtung beider Parteien, sich nach dem Inhalt des Vertrages zu richten, sofern dieser die Voraussetzungen der Rechtsgültigkeit vollständig erfüllt. Sollte dem Vertrag aber eines seiner grundlegenden Elemente, bzw. eine Voraussetzung fehlen, dann ist er in juristischer Hinsicht irrelevant, und in so einem Fall schreibt der von uns angeführte Rechtstext vor, dass (im Falle der Ungültigkeit des Vertrages) alle Früchte dem Besitzer der Bäume gehören, während dem Arbeiter lediglich ein angemessener Lohn als Entgelt für seine Dienste und Mühen zustehen, die er aufgewandt hat, um die Bäume Früchte tragen zu lassen, und dies wird in der Rechtswissenschaft [fiqh] als “gleichwertige Entlohnung“ bezeichnet.

6) Ein Pachtvertrag [mudhara'a] ist ein besonderer Vertrag, in welchem der Besitzer von Kapital mit einem Agenten übereinkommt, dass letzterer mit seinem Kapital Handel treibt, und sich beide den Gewinn teilen. Wenn nun aus irgendwelchen Gründen der Vertrag die Bedingungen der Gültigkeit nicht erfüllt, dann fällt der ganze Gewinn dem Kapitaleigner zu, worauf die Rechtsgelehrten in den “Dschawahir“ und anderen Büchern hinweisen, während der Agent in gewissen Fällen nur eine angemessene Entlohnung erhält.[11]

[1] “Schara´i al-Islam“ des Muhaqqiq al-Hilli Dschafar ibn al-Hasan, Band 2, Seite 188

[2] “Dschawahir al-Kalam fir Scharh Schara´i al-Islam“, 6. Band der alten Auflage, “Kitab al-Gasb“, Anhänge zum 6. Thema.

[3] Vgl. “Scharh Fath al-Qadir“, Band 7, Seite 375

[4] “Al-Mabsut“ des al-Sarachsi, Band 11, Seite 95

[5] “Al-Wasa´il“ des al-Hurr al-Amili Muhammad ibn al-Hasan, Band 17, Seite 310

[6] “Al-Mugni“ des Ibn Qudama, Band 5, Seite 212

[7] “Dschawahir al-Kalam fi Schara´i al-Islam“, 4. Band der Steindruck-Auflage, “Kitab al-Muzara´a“, 6. Thema zu deren Bestimmungen

[8] vgl. “al-Mabsut“ des Sarakhsi, Band 23, Seite 116

[9] “Al-Mabsut“ des Scheich al-Tusi, Band 2, Seite 359

[10] “Dschawahir al-Kalam“, 4. Band der Steindruck Auflage, “Kitab al-Musaqat“, 1. Thema zu deren Bestimmungen

[11] Vgl. “Miftah al-Karama“ des Sayyid al-Amili, Band 8, Seite 437, und “al-Mabsut“ des Sarakhsi, Band 2, Seite 22

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