Aspekte des Unterschieds zwischen islamischer
Verteilungstheorie und Marxismus
Überbau
1) Muhaqqiq al-Hilli schreibt im “Kitab al-Idschara“ aus den
“Schara´i“ Folgendes: „Wenn jemand eine Ware einer anderen
Person übergibt, damit diese daran eine Arbeit verrichtet,
dann steht ihr ein ihrer Arbeit angemessener Lohn zu, falls
sie normalerweise für solche Arbeiten engagiert wird, wie ein
Wäscher oder ein Bleicher. Falls der Arbeiter solche Arbeit
gewöhnlich nicht verrichtet, es sich aber um eine Arbeit
handelt, die entlohnt werden muss, dann soll der Arbeiter
seine Forderung stellen, denn er kann sie am besten
beurteilen; wenn dafür aber gewöhnlich kein Lohn bezahlt
werden muss, dann wird demjenigen, der Lohn fordert, keine
Beachtung geschenkt.“
Ein Kommentator merkt dazu an, dass der Arbeiter keine
Lohnforderung stellen darf, wenn bekannt ist, dass er eine
freiwillige Hilfeleistung beabsichtigt.
2) Muhaqqiq al-Nadschafi führt im “Kitab al-Gasb“ aus den
“Dschawahir“ an: „Wenn eine Person Korn raubt und es als
Saatgut verwendet, oder Eier raubt und ausbrüten lässt, dann
gehören die Ernten, bzw. die ausgebrüteten Vögel nach der
Auffassung der meisten Rechtsgelehrten dem Beraubten. In dem
Buch 'al-Nasiriya' wird sogar jede Meinungsverschiedenheit der
Rechtsgelehrten in dieser Frage bestritten, und in den 'Sara´ir'
ist die Rede von einem Konsens, was nach den Prinzipien und
Richtlinien der schiitischen Rechtsschule nahe liegt.“
Und er erwähnt eine andere Rechtsauffassung, wonach die
Aussaat, bzw. die Jungvögel dem “Räuber“ gehören sollen, da
das Korn, bzw. die Eier, die dem Beraubten gehört haben, als
verschwunden und nicht mehr existent anzusehen sind, so dass
die Aussaat und die Jungvögel eine neue Sache darstellen, die
dem “Räuber“ durch seine Arbeit daran gehören. Zu eben dieser
Auffassung gelangt al-Marginani, wenn er schreibt: „Wenn
sich das geraubte Gut durch Mitwirkung dessen, der es geraubt
hat, in seiner Substanz verändert, so dass seine ursprüngliche
Bezeichnung nicht mehr zutrifft und sein Nutzwert sich
vergrößert, dann verfällt das Eigentumsrecht des Beraubten,
und es gehört demjenigen, der es geraubt hat.“
Und al-Sarachsi schreibt: „Wenn jemand Weizen raubt und ihn
aussät, und dann dessen Besitzer kommt, während die Aussaat
herangereift oder herangewachsen ist, so muss nach unserer
Auffassung der Erstere soviel Weizen zurückerstatten, wie er
dem anderen weggenommen hat, während letzterer keinen Anspruch
auf die Aussaat erheben kann. Dagegen gehört diesem nach der
Auffassung von al-Schafi´i die Aussaat, weil sie aus seinem
Eigentum hervorgegangen ist.“
3) Im selben Buch heißt es: „Wenn jemand Land usurpiert und
es bebaut oder bepflanzt, dann gehören die dort gewachsenen
Kulturen demjenigen, der sie angelegt hat. Zu dieser
Auffassung finde ich in der Rechtswissenschafts-Literatur
keinen Widerspruch, vielmehr wird in dem Buch 'al-Tanqih' ein
Konsensus der Rechtsgelehrten festgestellt. Demjenigen, der es
bestellt, obliegt nur die Zahlung einer Gebühr für das Land an
den rechtmäßigen Besitzer.“ Dies wird von einer Anzahl
Überlieferungen bestätigt. So heißt es in einer Überlieferung
des ´Uqba ibn Chalid, er habe Imam al-Sadik (a.) befragt: „Angenommen
ein Mann lässt sich auf dem Land eines anderen nieder und
bebaut es ohne dessen Erlaubnis, und wenn die Kulturen
herangereift sind kommt der Besitzer des Landes und sagt ihm:
'Du hast es ohne meine Erlaubnis bebaut, also gehören deine
Kulturen mir, während ich dir nur erstatten muss, was du dafür
aufgewendet hast!' – hat er das Recht dazu, oder nicht?“
Daraufhin habe der Imam (a.) gesagt: „Die Kulturen gehören
demjenigen, der sie angelegt hat, und dem Landbesitzer steht
keine Miete für das Land zu.“
Und ibn Qudama schreibt: „Wenn jemand Land usurpiert und
Pflanzungen anlegt, welche Früchte tragen, und wenn dann,
nachdem er die Früchte geerntet hat, der rechtmäßige Besitzer
kommt und es wieder in Besitz nimmt, so gehören die Früchte
dem Ersteren. Ebenso verhält es sich, wenn der rechtmäßige
Besitzer das Land beschlagnahmt, während sich die Früchte noch
an den Bäumen befinden, denn es sind die Früchte seiner Bäume,
und sie gehören ihm, als ob sie sich auf seinem eigenen Land
befänden.“
4) Im “Kitab al-Muzara´a“ aus den “Dschawahir“ heißt es: „Überall,
wo im Falle der Kultivierung von Land durch eine andere Person
als den Besitzer des Pachtvertrags
[mudhara'a] für ungültig erklärt wurde, muss dem
Landbesitzer eine angemessene Gebühr entrichtet werden,
während die Kulturen dem Arbeiter selbst gehören, sofern er
das Saatgut gestellt hat. Stammt das Saatgut aber von dem
Landbesitzer, so gehören diesem auch die Feldfrüchte, während
er eine angemessene Gebühr für den Arbeiter und dessen
Hilfsmittel entrichten muss. Haben beide zusammen – d.h. der
Arbeiter und der Landbesitzer – das Saatgut gestellt, dann
wird die Ernte im entsprechenden Verhältnis aufgeteilt.“
Aus diesen detaillierten Rechtsaussagen lässt sich
zusammenfassen, dass die Kulturen dem Besitzer des Saatgutes
gehören, ob es sich dabei um den Landarbeiter oder um den
Landbesitzer handelt, denn das Saatgut stellt die
Grundsubstanz für den Feldbau dar. Wenn das Saatgut dem
Landarbeiter gehört, dann erwächst dem Land kein Anrecht an
den Kulturen, sondern der Landarbeiter schuldet dem Besitzer
des Landes, welches er benutzt, um sein Saatgut zu
kultivieren, eine Gebühr. Die gleiche Schlussfolgerung lässt
sich aus den Rechtstexten des “Mabsut“ von al-Sarachsi ziehen,
wo das Eigentumsrecht des Landbesitzers am gesamten Ertrag im
Falle der Ungültigkeit des
Pachtvertrags [mudhara'a] davon abhängig gemacht
wird, dass es sich um Kulturen handelt, die aus seinem eigenen
Saatgut hervorgegangen sind. Die Ernte gehört also dem
Landbesitzer in seiner Eigenschaft als Eigentümer des
Saatgutes, und nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer des
Landes.
Scheich Tusi erklärt, dass im Falle eines ungültigen
Pachtvertrags [mudhara'a] die Feldfrüchte dem
Besitzer des Saatgutes gehören, was er damit begründet, dass
es sich bei diesen letztlich um das Saatgut selbst handelt,
auch wenn es gewachsen ist und sich vermehrt hat. Weiterhin
soll dem Landbesitzer eine angemessene Gebühr für sein Land zu
Lasten des Landarbeiters zustehen.
5) Im “Kitab al-Musaqat“ aus den “Dschawahir“ heißt es, dass
überall, wo ohne einen gültigen
Pachtvertrags [mudhara'a] eine Person für die
Pflanzungen eines anderen Sorge trägt, der Arbeiter eine
angemessene Entlohnung erhalten soll, während die Früchte dem
Besitzer der Pflanzungen gehören, da alles Herangewachsene im
Eigentumsstatus dem “Ursprung“ folgt.
Zur Erklärung dieser Bestimmung: Wenn jemand Eigentümer von
Bäumen ist, welche der Bewässerung und Pflege bedürfen, um
Früchte zu tragen, dann kann er jene Bäume einem Arbeiter
anvertrauen, mit dem er einen Vertrag abschließt. Darin
verpflichtet sich der Arbeiter, für sie zu sorgen und sie zu
bewässern, und wird als Gegenleistung in einem Verhältnis,
welches der Vertrag festsetzt, Teilhaber des Besitzers der
Bäume an deren Ertrag. Derartige Rechtsgelehrte verweisen auf
die Verpflichtung beider Parteien, sich nach dem Inhalt des
Vertrages zu richten, sofern dieser die Voraussetzungen der
Rechtsgültigkeit vollständig erfüllt. Sollte dem Vertrag aber
eines seiner grundlegenden Elemente, bzw. eine Voraussetzung
fehlen, dann ist er in juristischer Hinsicht irrelevant, und
in so einem Fall schreibt der von uns angeführte Rechtstext
vor, dass (im Falle der Ungültigkeit des Vertrages) alle
Früchte dem Besitzer der Bäume gehören, während dem Arbeiter
lediglich ein angemessener Lohn als Entgelt für seine Dienste
und Mühen zustehen, die er aufgewandt hat, um die Bäume
Früchte tragen zu lassen, und dies wird in der
Rechtswissenschaft [fiqh] als “gleichwertige
Entlohnung“ bezeichnet.
6) Ein Pachtvertrag [mudhara'a]
ist ein besonderer Vertrag, in welchem der Besitzer von
Kapital mit einem Agenten übereinkommt, dass letzterer mit
seinem Kapital Handel treibt, und sich beide den Gewinn
teilen. Wenn nun aus irgendwelchen Gründen der Vertrag die
Bedingungen der Gültigkeit nicht erfüllt, dann fällt der ganze
Gewinn dem Kapitaleigner zu, worauf die Rechtsgelehrten in den
“Dschawahir“ und anderen Büchern hinweisen, während der Agent
in gewissen Fällen nur eine angemessene Entlohnung erhält.