Die reine Absicht, ihre Bedeutung, ihr Wesen,
und ihre Grade
Aussprüche
von Geistesmännern über die reine Absicht
Abu Yaqub al-Susi
sagt: „Die reine Absicht besteht darin, die reine
Absicht nicht zu sehen. Wenn nämlich jemand, der die reine
Absicht besitzt, diese betrachtet, so braucht die reine
Absicht wieder eine Reinigung.“
Er will damit
andeuten, dass das Werk frei sein muss von Selbstgefälligkeit
beim Handeln. Sich auf die reine Absicht hinwenden und sie
betrachten ist aber Selbstgefälligkeit, und das ist ein Makel.
Rein bedeutet jedoch das Freisein von jeglichem Makel; damit
wäre aber wenigstens ein Makel gegeben.
Sahl al-Tustari
sagt: „Die reine Absicht besteht darin, dass des
Menschen Tun und Lassen auf Allah ta’ala speziell gerichtet
ist.“
Dieser Satz
umfasst tatsächlich alles, worauf es ankommt. In demselben
Sinne sagt Ibrahim bin Adham: „Ihlas ist die
Wahrhaftigkeit (sidk) der Absicht Allah gegenüber.“
Als Sahl gefragt
wurde: „Was ist das Schwerste für die Natur (nafs)?“,
antwortete er: „Die reine Absicht, denn daran hat sie
keinen Anteil.“
Abu Muhammed
Ruwaim sagt: „Die reine Absicht bei einem Werk besteht
darin, dass man keine Vergeltung dafür begehrt weder in diesem
noch im anderen Leben.“
Darin liegt
ausgedrückt, dass die sinnlichen Genüsse ein Makel bedeuten
hier wie dort. Wer also Allah dient, um im Paradiese seine
sinnlichen Begierden befriedigt zu sehen, der ist mit einem
Fehler behaftet. Das Richtige ist vielmehr, dass man durch das
Werk das Antlitz Allahs allein sucht. Damit ist der Ihlas
der Siddiqun gemeint oder das absolute Ihlas.
Wer aber aus Hoffnung auf den Himmel oder aus Furcht vor der
Hölle handelt, der ist muhlis in Bezug auf die Genüsse
dieser Welt, im übrigen aber sucht er doch Gaumen- und
Geschlechtslust. Das eigentlich Erstrebenswerte für die
"Verständigen" ist jedoch das Antlitz Allahs allein. Nun
könnte aber jemand einwenden, der Mensch betätige sich nur, um
ein hazz (Glück, Genuss) zu erlangen, und die Freiheit
von den huzuz, sei eine göttliche Eigenschaft, und wer
das von sich behaupte, sei ein Ungläubiger; so habe der Kadi
Abu Bakr al-Baqillani denjenigen als einen Ungläubigen
hingestellt, der die Freiheit von den huzuz von sich
behaupte, und erklärt, das sei eine göttliche Eigenschaft.
[Darauf ist zu
erwidern]: Das Gesagte ist richtig, aber sie meinen damit nur
die Freiheit von dem, was die Menschen huzuz" nennen,
nämlich die Genüsse, die im Paradiese geschildert werden. Das
hazz jener besteht aber lediglich im Genuss der
Erkenntnis und der Anschauung Allahs und der Vertraulichkeit
mit ihm. Das betrachten aber die Menschen nicht als Genuss,
sondern sie wundern sich vielmehr darüber. Wenn hingegen jenen
statt der Wonne, die sie im Dienste Allahs, im Umgang mit ihm
und in der fortwährenden Anschauung seiner Majestät, insgeheim
und offen, genießen, alle Wonnen des Paradieses angeboten
würden, so würden sie diese verschmähen und unbeachtet lassen.
Ihre Betätigung geht also tatsächlich auf einen Genuss und
auch ihr Gottesdienst geht auf einen Genuss, aber ihr Genuss
ist der, den sie verehren, allein und nichts anderes.
Abu Uthman Sa`id
bin Ismail sagt: „Die reine Absicht besteht darin, dass
man vergisst, die Geschöpfe zu sehen, durch das fortwährende
Hinsehen auf den Schöpfer.“
Damit ist aber
nur auf den Makel der Augendienerei hingewiesen. In demselben
Sinne sagt ein anderer: „Die reine Absicht bei einem
Werk besteht darin, dass nicht ein Teufel darauf sieht, es zu
verderben, und auch kein Engel, um es aufzuschreiben“;
damit ist
lediglich auf das Verbergen hingewiesen. Man hat auch gesagt:
„Ihlas ist, was verborgen ist, vor den Geschöpfen (hala'iq)
und rein von dem, woran der Mensch hängt (ala'iq).“
Diese Definition
ist umfassender. Harit al-Muhasibi sagt: „Der Ihlas
besteht in der Entfernung der Geschöpfe aus dem Verhältnis zum
Herrn.“
Das ist
gleichfalls nur ein Hinweis auf die Ausschließung der
Augendienerei. Ebenso der Ausspruch des Ibrahim bin Ahmed
al-Hawwas: „Wer aus dem Becher der Herrschsucht (riyasa)
trinkt, der tritt heraus aus dem Ihlas der Untertänigkeit (ubudiya).“
Als die Jünger
Jesu (as) ihn fragten: „Wer ist rein in seinen Werken?“,
antwortete er: „Wer das Werk für Allah verrichtet, ohne
zu wünschen, dass ein Mensch ihn dafür lobt.“
Auch dieser
Ausspruch richtet sich gegen die Augendienerei, und zwar ist
sie deshalb namhaft gemacht, weil sie von allen Dingen, welche
die reine Absicht trüben, das ärgste ist.
Al-Gunaid sagt:
„Ihlas ist die Reinigung der Handlung von den Trübungen
(kudurat).“
AI-Fudail sagt:
„Ein Werk der Menschen wegen zu unterlassen ist
Augendienerei, es der Menschen wegen zu verrichten ist
Beigesellung; der Ihlas besteht darin, dass Allah dich vor
beiden bewahrt.“
Es heißt auch:
„Ihlas bedeutet das ständige Achthaben (muraqaba) auf sich
und das Vergessen aller Annehmlichkeiten (huzuz)“; das
ist die vollkommene Erklärung.
Es gibt darüber
noch viele andere Aussprüche, aber es hat keinen Zweck, viele
Autoritäten anzuführen, wenn das Wesen der Sache klar ist. Die
bündigste Erklärung ist die Erklärung des Herrn der ersten und
letzten, des Gesandten, der über den Ihlas befragt,
antwortete:
„Dass du sagst: 'Mein Herr, Allah!' dann bei dem
bleibst, was dir aufgetragen ist“, (Ibn Maga)
d.h. dass du
nicht deinen sinnlichen Neigungen dienst, sondern deinem
Herrn, und in deinem Dienste fort fährst, wie es dir
aufgetragen ist. Das heißt soviel wie alles, was nicht Allah
ist, aus dem Blickbereich (magra 'l-nazar) zu
entfernen, und das ist in Wahrheit das Ihlas.