Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

Zum Inhaltsverzeichnis

Reise von Beirut nach Alexandria und Kairo in Ägypten

Erst am 28. Juli ging ein griechischer Zweimaster nach Alexandria unter Segel. Um zehn Uhr nachts begab ich mich an Bord, und des andern Morgens um zwei Uhr wurden die Anker gelichtet. Wohl nie sagte ich einem Ort mit so viel Vergnügen Lebewohl wie der Stadt Beirut, nur die Trennung von meiner unvergeßlichen Pauline fiel mir recht schwer. Ich hatte das Glück, auf dieser Reise viele gute Menschen zu treffen, sie gehörte zu den besten!

Doch leider war das Schicksal noch nicht müde, mich zu verfolgen, und das alte Sprichwort »Vom Regen in die Traufe« bewährte sich an mir vollkommen. Auf diesem Schiff und in der Quarantäne zu Alexandria ging es mir beinahe noch schlechter. Mit dem Kapitän eines solchen Fahrzeuges muß man über alles einen schriftlichen Kontrakt machen, wo er zum Beispiel landen und wie lange er verweilen darf usw.; unterläßt man dies, so führen sie einen oft kreuz und quer herum. Ich bemerkte dies auf dem Konsulat und ersuchte die Herren dafür zu sorgen; allein man versicherte mir, man kenne diesen Kapitän als Ehrenmann, und eine solche Vorsicht sei ganz unnötig. Darauf bauend, gab ich mich ruhig in die Hände dieses Mannes. Doch kaum waren wir auf offenem Meer, so erklärte er uns ganz unverhohlen, daß er für die Reise nach Alexandria zuwenig Lebensmittel und Wasser habe und nach dem Hafen Limassol auf Cypern steuern müsse. Ich war über diesen schändlichen Betrug und Zeitverlust äußerst aufgebracht und widersetzte mich sehr. Aber es half nichts, einen schriftlichen Kontrakt hatte ich nicht, und die übrige Gesellschaft verhielt sich leidend.

Die Reise auf einem gewöhnlichen Segelschiff, wenn es kein Paketboot ist, gehört zu den langweiligsten, die man sich denken kann. Die untern Räume des Schiffes sind gewöhnlich so mit Waren überladen, daß man nur auf das Verdeck angewiesen ist. So war es auch hier der Fall. Während des Tages mußte ich in einer unausstehlichen Hitze, nur durch einen aufgespannten Schirm gegen die Sonne geschützt, indem nicht einmal ein Stückchen Segeltuch als Zelt irgendwo gespannt war, des Abends und in der Nacht bei einer Feuchtigkeit, die oft so stark war, daß nach einer Stunde mein Mantel schon ganz naß wurde, bei Kälte und starkem Wind auf dem Verdeck bleiben. So ging es fort zehn Tage und elf Nächte, während welcher Zeit ich nicht einmal Gelegenheit hatte, die Wäsche zu wechseln. Dies war doppelt empfindlich für mich, denn wenn irgendwo Reinlichkeit nötig ist, so ist dies der Fall auf solch einem schmutzigen, ekelhaften Schiff, wie gewöhnlich die griechischen sind. Die Gesellschaft bot mir ebenfalls nicht den geringsten Ersatz. Von Europäern waren zwei junge Leute da, die eine unbedeutende Anstellung von der türkischen Regierung in irgendeiner Quarantäneanstalt erhalten hatten. Beide albern, aufgeblasen und in ihrem Benehmen ganz gemein. Ferner vier Studenten aus Alexandria, die in Beirut auf der Kost waren und zu den Ferien nach Hause kamen; gutmütige, aber äußerst vernachlässigte Knaben von vierzehn bis fünfzehn Jahren, die sich am liebsten mit den Matrosen abgaben und bald mit ihnen spielten, zankten oder schwatzten. Die übrige Gesellschaft bestand aus einer wohlhabenden arabischen Familie samt deren Negersklaven und Sklavinnen und noch aus einigen andern, ganz armen Leuten. Und in solcher Umgebung mußte ich eine so lange Zeit zubringen! Freilich, werden manche sagen, konnte ich bei dieser Gelegenheit das Betragen und die Gewohnheiten dieser Leute recht aus der Nähe beobachten; aber gern hätte ich diesem Studium entsagt, denn es gehört wahrlich mehr als eine himmlische Geduld dazu, all die unzähligen Unannehmlichkeiten mit Standhaftigkeit zu ertragen. So zum Beispiel ist bei den Arabern und auch bei den gemeinen Griechen alles, was man bei sich hat, ein Gemeingut; ein Messer, eine Schere, ein Trinkglas usw. nimmt der eine von dem andern, ohne nur zu fragen, gebraucht diese Dinge und stellt sie zurück, ohne sie vorher zu reinigen. Auf die Matte, den Teppich oder das Polster, was man zum Gebrauch als Bett mit sich führt, legt sich der Neger so gut wie sein Herr, und wo dies Volk nur eine leere Stelle findet, flugs setzt oder legt es sich darauf. Bei der größten Sorgfalt ist es unausweichbar, daß man die ekelhaftesten Tiere auf Kopf und Gewand bekommt. Eines Tages putzte ich mir die Zähne mit einem Bürstchen, dies bemerkte einer der griechischen Matrosen, er sah mir zu, und als ich das Bürstchen einen Augenblick neben mich legte, nahm er es in die Hand; ich dachte, er wolle es besehen, aber nein, er machte es geradeso wie ich, und nachdem er sich die Zähne geputzt, legte er das Bürstchen hin und gab mir sein Wohlgefallen darüber zu erkennen.

Die Kost ist auf einem solchen Schiff ebenfalls äußerst schlecht. Des Mittags bekommt man Pilaw, alten Käse und Zwiebeln; des Abends Sardellen, Oliven und wieder alten Käse und statt des Brotes Schiffszwieback. Diese köstlichen Gerichte werden auf ein Brett auf den Boden gesetzt, und um dieses Brett lagern sich die Kapitäne (meistens hat ein Schiff zwei, drei Inhaber) nebst dem Steuermann und jenen Passagieren, die sich nicht selbst mit Lebensmitteln versehen haben. Ich nahm an diesen Mahlzeiten nicht teil, ich hatte einige lebende Hühner, Reis, Butter, getrocknetes Brot und Kaffee mitgenommen und besorgte mir die Kost selbst. Die Reise auf einem so appetitlichen Schiff kommt freilich nicht hoch, wenn man die Leiden und Entbehrungen nicht anrechnet. Für letztere wüßte ich wahrlich keinen Preis zu bestimmen. Ich zahlte für die Reise nach Alexandria (eine Entfernung von fünfhundert Seemeilen) sechzig Piaster, die Lebensmittel kamen mich auf dreißig Piaster, und so kostete mich die ganze Reise nicht mehr als neunzig Piaster oder sieben Gulden und dreißig Kreuzer.

Der Wind war uns meist sehr ungünstig, so daß wir oft Tage und Nächte kreuzten und, wenn wir des Morgens erwachten, uns beinahe auf demselben Fleck befanden.

Das ist eine der unangenehmsten Empfindungen, die sich gar nicht schildern läßt. Immer fahren und immer fahren und doch nicht weiterkommen. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich manchmal aus Ärger und Verdruß Tränen vergoß. Meine Reisegefährten konnten meine Ungeduld gar nicht fassen, denn ihnen ist es bei ihrer angeborenen Trägheit ganz gleichgültig, ob sie durch acht oder vierzehn Tage ihre Zeit auf dem Schiff oder zu Hause mit Nichtstun, Schlafen und Rauchen zubringen, ob sie nach Cypern oder Alexandria kommen. Erst am vierten Tage landeten wir in Limassol.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de