Gleichnis vom edlen Gast
Zur Morgenzeit trat einst ein edler Gast
Mit banger
Eil’ in Salomos Palast,
Aus Gram sein
Antlitz bleich und blau sein Mund; -
Der König
sprach: „was ist dir? Tu’ mir’s kund!“
Er sprach:
„Es sah, im Auge wilde Gier,
Der
Todesengel Asrael nach mir.“
Der König
sprach: „Was soll ich tun? Verkünde!“
Er sprach: „O
Seelenhort, befiehl dem Winde,
Dass er nach
Indien alsobald mich bringe,
Ob dort
vielleicht zu leben mir gelinge!“
So find’t der Mensch, der vor der Armut bang
Sich scheut,
in Geiz und Gier den Untergang.
Der
Armutsscheu glich jenes Manns Erbeben,
Es glich sein
Indien solchem nicht’gen Streben.
Und über Land und Meer trug ihn sofort
Der Wind nach
Indien auf das Königs Wort.
Im Ratsaal
aber sprach am andern Tage
Der König zu
dem Todesengel: „Sage,
Was schautest
du so grimm nach jenem Frommen,
Dass ihm die
Angst das Leben fast genommen?“
Er sprach:
„Nicht grimm hab’ ich ihn angesehn,
Verwundert
nur sah ich am Weg ihn stehn,
Da für
denselben Tag mir Gott befohlen,
Aus Indien
seine Seele herzuholen.
Ich sprach
erstaunt: Und hätt’ er hundert Schwingen,
Gar weit
ist’s, heut bis Indien noch zu dringen!“ –
Was alles ird’sche Tun, hiernach ermiss es!
Mach’ klar
dein Auge und zum Sehn erschließ’ es!
Vermagst du
je dir selber zu entfliehn,
Sündhaft dich
dem Allmcht’gen zu entziehn?“
-------------------
Der Leu sprach: „Wohl! doch bei den Sehern auch
Und Gläubigen siehst du des Strebens Brauch.
Gesegnet ward
ihr Streben von Allwahren,
Was Leides
sie in Glut und Frost erfahren.
Was alles sie
ersannen, das war gut,
Denn weise
ist, was nur der Weise tut.
Des Himmels Vöglein ihr Netz erpasste,
Und ihre Leere alle Füll’ erfasste.
Kein Kampf mit dem Verhängnis ist die Tat,
Da es ja
selbst die Tat geboten hat.
Ein Heide bin ich, wenn je Schaden litt,
Wer auf des
Gottgehorsams Pfaden schritt!
Dein Haupt ist ja nicht wund, wozu Verbände?
Nach kurzer Last zur Lust und Rast sich wende!
Das Schlechte
wählt, wer auf das Diesseits baut,
Das Rechte
wählt, wer nach dem Jenseits schaut.
Tot ist die
List, die Irdisches erstrebt. –
Gedeihlich,
die dem Ird’schen uns enthebt.
Entrinnen aus
der Haft, das heiß’ ich List;
Ein Tor ist,
wer sich selbst den Kerker schließt.
O du
Gefangner in der Welt Gefängnis,
Such’ einen
Ausgang dir aus der Bedrängnis!
Was Welt ich
nenne, ist das Gottvergessen,
Nicht, was an Hab und Gut uns zugemessen.
Vom
wohlerworbnen Gut, der Gottesgabe,
Sprach Achmed ja: ‚Wie schön ist solche Habe!’
Die Flut im
Schiff ist der Verderb des Schiffes,
Unter ihm trägt sie über Wog’ und Riff es.
Dem Erdengut
im Herzen abgewandt,
Hat Salomo sich selber arm genannt.
Wie auf der
Flut den wohl verschlossnen Schlauch
Die Luft
empor hält, die er führt im Bauch,
So sinkt nicht unter in dem Meer der Welt,
Wer der
Entsagung Hauch im Herzen hält;
Und wär’ das
Weltall sein, das Erdenglück
Erscheint als
Nichts vor seinem geist’gen Blick.
Verschließe
drum dein Herz, besiegl’ es auch
Und füll’ es
mit der Gotterkenntnis Hauch!
Die Tat
besteht, wie Schmerz besteht und Haucht,
Ihr Leugner
selbst beweist sie unbewusst“
-------------------
Also gelang’s dem Leu mit vielen Gründen,
Der Tiere
Widerspruch zu überwinden.
Fuchs, Hase,
Reh und Schakal ließen fahren
Die
Unfreiheit, der sie ergeben waren,
Und schlossen
einen Bund, auf dass der Leu
Sie schonte,
wenn sie dem Vertrage treu,
Dass
unverkürzt sein täglich Mahl sie gäben
Und ihn der
Müh’ des Jagens überhöben.
So eilte, wen
das Los traf, jeden Tag
Tigerschnell
hin, wo der Gewalt’ge lag.
-------------------
Als man den Kelch nun auch dem Hasen bot,
Da rief er:
„Welches Unrecht, welche Not!“
Ihn fragt die
Schar: „Freund, opfern unsrem Bunde
Nicht wir das
Leben auch zu jeder Stunde?
Du wolle
nicht, dass man uns treulos nenne;
Geh’ rasch,
dass nicht des Löwen Zorn entbrenne!“
Er sprach: „Ihr Freunde, gönnt mir eine Frist!
Ich rett’
euch aus der Not durch Trug und List.
Die
Seelenangst will ich auch so vertreiben,
Und euren
Kindern soll die Erbe bleiben.
Denn alle
Seher waren in der Welt
Zu ihrer
Zeitgenossen Heil bestellt,
Klein wie der
Mann im Aug’ für unsern Blick,
Und schauend
doch der ew’gen Freiheit Glück.
Die Welt
indes, die zwergeklein sie fand,
Des Augenmännleins Größe nicht verstand.
Drauf sprach das Volk: „Merk’ auf, du Eselsohr!
Vergiss
nicht, dass du nur ein Has’, o Tor!
Welch ein
Geschwätz ist dies? Uns Bessern allen
Ist solcher
Frevel doch nicht eingefallen.
Die Rache,
Geck, würd’ uns gar bald erreichen!
Und ziemt
wohl diese Rede deinesgleichen?“
Er sprach: „Mir offenbarte Gott den Pfad,
Er, der den
Schwachen kräftig macht an Rat.
Wildeseln
ward und Löwen ja verwehrt,
Was Gott er
kleinen Biene hat gelehrt,
Die Häuser
süßen Nasses voll erbaut, -
Mit dieser
Kunst hat sie der Herr betraut.
Desgleichen
nie die Kunst der Elefant,
Die Gott dem
Seidenwurm gelehrt, verstand.
Erkenntnis,
die hoch zu des Himmels Throne
Strahlt, gab dem Menschen Er, dem Erdensohne.
So brach der
Engel Stolz Gott, und dem Büßer
Von
sechsmalhunderttausend Jahren ließ er,
Da er am
Wahren zweifelte, dem Blinden,
Wie einem
jähr’gen Rind den Maulkorb binden,
Dass er der
Gotterkenntnis Milch nicht söge
Und lauernd diese Feste nicht umflöge!“
Den Weltbefangenen lässt sein eitles Wissen
Die Milch des
höhern Wissens nicht genießen.
Ruht doch in unserm Herzen ein Rubin,
Wie keinem
Meer und Himmel er verliehn!
Und, Sklav
der Form, du zauderst, dass den Geist
Aus der
Gestaltung Irrsal du befreist? –
Läg’ in der
Form das Menschentum, da wären
Bu Dschehl und Achmed ja in gleichen Ehren! –
Wohl gibt ein
Bildnis, auf die Wand gemalt,
Treulich
zurück die menschliche Gestalt;
Doch ist kein
Bild so treu, dem nicht die Seele,
Der Demant,
den du nimmer findest, stehle.
Es beugen
sich die Löwen dieser Welt,
Wenn sie ein
Hündlein sich zur Seite stellt,
Dem wahrlich
nicht die Hundsgestalt geschadet,
Da seine Seel’
im Lichtmeer sich gebadet.
Der Federkiel
beschreibt das Äußre nicht,
Da er von
Weisheit wird und Tugend nur gefunden
Im Geist, der
nicht an Raum und Form gebunden.
Ist doch
selbst für den Horizont zu groß
Der Seele Licht, das Gott auf uns ergoss!
Doch dies ist unerschöpflich; drum berichte
Ich weiter
dir vom Hasen die Geschichte.
-------------------
Versieh mit neuen Ohren dich, o Tor!
Denn nicht versteht mein Wort ein Eselsohr.
Merk auf die
Fuchslist, die der Hase spielte,
Der Hase, der
des Löwen Fall erzielte! –
Das Siegel Salomos ist Weisheit nur,
Die Seele sie
im Leib der Kreatur.
Sie ist’s,
durch die der Mensch zum Herrn des Heeres
Der Wälder
ward, der Felder und des Meeres,
Dass vor ihm
bebt der Tiger und der Leu,
Das Herz
erzittert in der See dem Hai,
Und Feen und
Dive an verborgne Stätten,
Öde Gestade,
fliehn, um sich zu retten.
Uns gilt so
viel verborgner Feinde Trug; -
Nur den, der
sich behütet, nenn’ ich klug.
Beständig
wirken die verborgnen Wesen
Auf unser Herz, die guten und die bösen.
Also verletzt
wohl, wen du in den Fluss
Zum Baden
steigst, ein Dorn dich in den Fuß;
Ob du im
Flusse auch den Dorn nicht siehst,
Wenn er dich
sticht, so fühlst du, dass er ist.
Einflüsterung, Verlockung, Gram und Sorgen
Kommen von
tausend Wesen, uns verborgen.
O dass mit
geist’gem Auge jene Wesen
Du schauest,
dass die Rätsel dir sich lösen,
Dass fern du
bleibst da dem bösen Worte
Und wählest
dir das gute Wort zum Horte! –
-------------------
Sie sprachen: „Schneller Hase, auf! so teile
Uns mit, was
du ersannst zu unserm Heile;
Der du
bekämpft des grimmen Löwen Macht,
Sag’ uns den
Plan, den du dir ausgedacht.
Einsicht gibt
die Beratung und Erkenntnis,
Der eine führt den andern zum Verständnis.
Muhammed
sprach: Nach Rat, o Weiser, schaue
Dich um, und dem, der Rat dir spendet, traue!“
Er sprach: „Nicht jeden Plan man offenbart;
Statt Part fällt Unpart oft, statt Unpart Part.
Du siehst,
behauchst du lächelnd einen Spiegel,
Getrübt alsbald den sonst so reinen Spiegel.
Von dreierlei der Kluge nimmer spricht:
Vom Gold, vom Reiseplan, vom Glauben nicht;
Denn
jegliches hat Feinde allerwegen,
Die ihm, wo
sie es wittern, Fallen legen.
Haben schon
drei von dem Geheimnis Kunde,
Alsdann fahr’
wohl! dann ist’s in aller Munde.
Auch Achmed
pflog in seiner Freunde Kreise
Des Rates stets in rätselhafter Weise;
In
Gleichnishüllen, welche nicht jedweder
Fremdling
durchschauen konnte, barg die Red’ er;
So nahm von
jedem den Bescheid er hin,
Und andre
ahnten nie der Frage Sinn.“
-------------------
Nach langem Zögern nahm der Hase drauf
Zum
klauenstarken Löwen seinen Lauf,
Der, den so
lang Ausbleibenden erharrend,
Tobte und
brüllte, n dem Boden scharrend,
Und sprach:
„Sagt’ ich es doch, dass nie Verträge
Zu halten
solch gemeines Volk vermöge!
Herab vom
Esel warf ihr frecher Lug mich, -
Wie quält der
Welt, der argen, Lug und Trug mich!“ –
Ins Elend
rennt der Fürst, der weder vor-
Noch
rückwärts schaut, der schlechtberatne Tor!
Ob grad der
Weg, Fallnetze sind darin,
Ob schön der Name auch, es fehlt der Sinn!
Der Name ist ein Netz, das süße Wort
Der Sand,
drin unsres Lebens Nass verdorrt.
Wohl einem
andern Sand entquillt dies Nass,
Nach ihm, dem
seltnen, ring’ ohne Unterlass!
Denn dieser
Sand ist, wer um Heiliges
Dem Irdischen
entsagt, Gedeihliches,
Der Fromme,
dem des Glaubens Nass entquillt,
Dies süße
Nass, das dich mit Leben füllt.
Der
Gottvergessne gleicht dem dürren Sand,
Drin deines Lebens Nass allzeit verschwand.
Such’ drum
beim weisen Mann der Weisheit Spur,
Erkennend
macht und schauend er dich nur;
Der
Weisheitssucher wird zum Weisheitsborne
Frei von des Strebens Müh’, der Auserkorne;
Die Tafel,
die da wahrte, wird gewahrt,
Geist wird aus Gottes Geist ihr offenbart.
Wenn im
Verstande sonst Belehrung fand
Der Mensch, - dann wird sein Schüler der Verstand,
Und sprich
wie Gabriel: „Achmed, ich brenne,
Wenn einen
Schritt mit dir ich weiter renne!
Lass mich
zurück und eile selber weiter,
Denn dies ist meine Grenze, Seelenleiter!“
O der du heimlich Lüste nährst, erneue,
Doch nicht mit Worten bloß, die Gottestreue!
Welk ist der Glaube, wenn die Lüste sprießen,
Die dir das
Paradiesestor verschließen.
Das reine Wort, du drehst es her und hin –
Lass seinen
Sinn und ändre deinen Sinn!
Denn Gottes
Buch nach deiner Lust erklärend,
Den hohen
Sinn verzerrend und zerstörend,
Ergeht es wie
der eitlen Fliege dir,
Die selber
groß sich deucht, des Weltalls Zier,
Die von sich selbst berauscht über dem Weine,
Sich eine
Sonne dünkt, die Stäubchenkleine!
Die, wenn man
von dem Adler ihr erzählt,
Ausruft: „Ich
bin die Anka dieser Welt!“ –
Auf einer
Pfütze macht ein Hälmchen Stroh,
Drauf als
Pilot sie sitzt, sie stolz und froh.
„Ein Schiff“,
spricht sie, „weiß ich zur See zu lenken,
Denn lange
Zeit gab dies mir Stoff zum Denken;
Hier ist ein
Meer, ein Schiff; - ich will’s regieren,
Will als
erfahrner Steuermann es führen!“
So treibt die
Flieg’ auf diesem Meer ihr Floß,
Das Kleine
ist für sie unendlich groß,
Die Lach’ ist
ihrem Auge ohne Schranke –
Denn wo
ergreift das Wahre der Gedanke!
Soweit ihr
Blick reicht, das ist ihre Welt,
Die Lach’ ihr
Meer, denn mehr ihr Aug’ nicht hält.
Desgleichen
ist des nicht’gen Deutlers Sinn
Nur eine
Lache und ein Hälmchen drin.
Könnte die
Fliege sich vom Wahn befrein,
Ein Phönix
würde sie, die Fliege, sein!
Nicht Fliege
bleibt, die sich dem Wahn enthebt,
Denn hoch ihr
Geist ob ihrem Leibe schwebt.
Fasst wohl de
Geist des Hasen, der Gewalt
Dem Löwen
antat, seine Zwerggestalt? –
-------------------
„Durch meines Ohrs Vermittlung“, sprach entbrannt
Der Leu, „mein Feind die Augen mir verband.
Der
Zwergbefangnen List hat mich gebunden,
Ihr hölzern
Schwert hat meinen Leib geschunden.
Nicht will
ich fürder ihrer Reden hören,
Koboldgeraunte ist’s, mich zu betören!
O zaubre
nicht, mein Herz, zerreiß’ sie schnelle,
Zerreiß’ ihr Fell, sie sind ja nichts als Felle!“ –
Denn Hüllen nur find nicht’ger Worte Tand,
Wie Striche
auf dem Wasser ohn’ Bestand.
Worte sind
Schalen, drin der Kern der Sinn ist,
Sind Leiber,
und der Sinn die Seele drin ist.
Der schlechten Kernes Schande birgt die Hülle,
Sie birgt des
guten Wassers Fläche mit dem Winde
Als Griffel
hin du schreibst, erlischt geschwinde;
Und von der
Schrift im Wasser hoffst du Treue?
Bald wandelt
sich dein Wahn in bittre Reue!
Was aber Wind
ich nenne, ist die Gier;
Entsag’ ihr
und von Gott wird Kunde dir,
Und diese
Kund’ ist lieblich immerdar,
Von Anfang
bis zu End’ unwandelbar! –
Der Betspruch für den König, seine Pracht
Vergeht, doch
nicht des Sehers Herrschermacht.
Des Königs Herrlichkeit ist eitler Dunst,
Des Sehers
Freibrief des Allmächt’gen Gunst.
Stets wird des Sultans Name umgeprägt.
Doch jedes Achmeds Namen trägt.
Und alle
Seher nennt ja Achmed einzig,
Wo Hundert steht, bedarf es nicht der Neunzig.
-------------------
Als lang er seinen Gang hinaus gesponnen
Und seinen
Plan sich kunstreich ausgesonnen,
da brach der
Has’, um tief versteckte Worte
Dem Leu zu
künden, auf von jenem Orte.
Denn im Verstand regt sich ein Weltenheer, -
Unendlich
tief ist des Verstandes Meer,
Dies süße
Meer, das die Gestaltung trägt
Und sie, wie
einen Krug die Well’ bewegt.
Wenn leer der
Krug ist, schwimmt er auf der Welle,
Doch angefüllt sinkt er zur Tiefe schnelle.
Auf des
Verstands verborgnem Meer ist nur
Der
Wellenschlag die Form in der Natur.
Sucht eine
Bahn die Form, um sich zu nahn
Dem Meer, es
stößt ihn fern von dieser Bahn,
Bis dass
erschaut den Seelenspendenden
Das Herz, den
fernhin Pfeile Sendenden.
Unsichtbar, weil zu nah, ist, wie im Bauch
Des Krugs das Nass, in uns der Lebenshauch.
Was grün, was rot und blau, du weißt es nicht,
So dir nicht
strahlt das dreigestalte Licht.
Geht aber irr dein Geist in Rot und Grün,
Rot da und
Grün dir jenes Licht entziehn.
Dass alle
Farb’ umflort bei dunkler Nacht ist,
Zeigt, wie
das Licht der Quell der Farbenpracht ist.
Dem äußern
Licht die äußre Farb’ entstrahlt,
Das innre
Licht die Phantasie ausmalt.
Jenes entströmt den Sternen, groß und klein,
Dies Herzens
Licht des Augenlichtes Quell ist,
Durch dieses Licht nur unser Auge hell ist.
Vom Sinnen-
und Verstandeslichte fern
Entstrahlt
des Herzens Licht dem Licht des Herrn.
Bei dunkler
Nacht siehst du die Farbe nicht,
Also macht
klar der Gegensatz das Licht.
Erst nimmst
das Licht du, dann die Farbe wahr, -
Das Licht
wird durch den Gegensatz dir klar.
So schuf Gott
Kummer auch und Leid zum Zwecke,
Dass Freud
und Lust ihr Gegensatz erwecke.
Der Gegensatz
macht klar das Unsichtbare –
Dunkel
bleibt, sein ermangelnd, der Allwahre.
Denn wie die
Finsternis vom Lichte lehrt,
Ein Gegensatz
den andern so erklärt;
Doch keinen
Gegensatz hat Gottes Licht,
Der es
enthülle unserm Angesicht.
Wie aus dem Waldgebüsch der Löwe springt,
So dem Gedanken sich das Wort entringt.
Aus der
Gedanken Meere taucht der Laut,
Das Wort –
dies Meer, wer hat es je erschaut?
Doch siehst
du lieblich seiner Reden Welle,
Da weißt du,
dass es selber klar und helle.
Aufsteigt im
Meer des Wissens der Gedanke
Und tritt als
Wort in der Gestaltung Schranke;
Im Worte
keimt die Form und stirbt dann hin,
Zum Meere
heimwärts es die Wellen ziehn.
Wie in dem
Herrn das All, so geht verloren
Die Form im
Formlosen, das sie geboren. –
Beständig ist das Weltall im Vergehn,
Um immer neu
dann wieder zu entstehn;
Wandelnd
zugleich und ruhend allezeit,
Wechselt es
jeden Augenblick sein Kleid.
Allzeit
verjüngt der Welt sich; doch nicht sehn
Wir in dem
Dauernden das Neuerstehn.
Gleich einem
Bach fließt immer frisch das Leben
Und deucht
ununterbrochen und eben;
Als Linie zeigt es sich um raschen Fluge,
Gleich eines
umgeschwungenen Funkens Zuge;
Erscheint ein
Feuerbrand doch wie ein Streifen,
Lässt man ihn
kreisen in der Luft und schweifen.
Dass lang der
Punkt erscheint, macht die Bewegung,
Mach unsrer
Sinne schleunige Erregung.
O Weiser, der
du ringst, dies zu erklären,
Nur mein
Hussam vermag dich zu belehren!
-------------------
Dann endlich sah der Leu, der Zornentbrannte,
Wie sich der
Hase fernher zu ihm wandte,
Der furchtlos
herkam, je selbst übermütig,
Mit zürnender
Gebärde, wild und wütig.
Denn es
erweckt die Bangigkeit Verdacht,
Doch jeden
Zweifel stumm die Kühnheit macht.
Als er
gelangt war in des Thrones Nähe,
Da rief der
Leu: „Weh dir, du Arger, wehe!
Bin ich’s
nicht, der ich Elefanten zwinge,
Ich, der ich
mit gewalt’gen Löwen ringe?
Wie kann denn
solch ein Hase sich erfrechen,
Meinem Befehl
zu trotzen, ihn zu brechen?
Erwach’ vom
Hasenschlaf, sorgloser Tor!
Es brüllt der
Leu, tu’ Esel, auf dein Ohr!“ –
Der Hase
sprach: „Um Gott! Nicht wirst du schuldvoll
Mich finden,
wenn du nur mich anhörst huldvoll.“
Der Zeu
sprach: „Narr, was sollen Worte frommen?
Ist etwa dies
die Zeit, zum Schah zu kommen?
Es gilt den
Kopf, du zeitvergessner Hahn!
Torenenschuldigung, wer hört sie an?
Ärger als
sein Verbrechen ist des Toren
Entschuldigung, ein Gift für weise Ohren!
Ein Langohr
wär’ ich, wenn auf deine leeren
Entschuldigungen, Has’, ich wollte hören!“ –
Er sprach: „Vergönne mir ein Wörtlein nur
Und höre,
welche Schmach mir widerfuhr.
Bei deines
Herrschertumes Glück und Segen!
Vertreib’
mich Irren nicht von deinen Wegen.
Denn fließt auch jedem Strom sein Nass vom Meere,
Kein Halm,
den nicht das Meer nach oben kehre;
Das Meer
verringert diese Gnade nicht,
Sie bringt
ihm Nutzen nicht und Schaden nicht.“
Der Leu
sprach: „Huld mess’ ich nach Ort und Zeit zu,
Je nach dem Wuchs schneid’ ich der Leute Kleid zu.“
Drauf jener:
„Hör’,, ob ich der Huld nicht wert; -
Schwebt doch
ob meinem Haupte des Sornes Schwert!
Früh morgens
brach ich auf in eines anders
Begleitung,
um zur Hofburg hinzuwandern.
Denn einen
zweiten Hasen hatte mir,
Herr, für
dich beigesellt das Waldgetier.
Da plötzlich
ist ein Leu auf und gestoßen,
Der überfiel
die wandernden Genossen.
Ich sprach:
‚Wir sind des Herrn der Könige
Getreue
Knechte, untertänige.’
Er sprach:
‚Und wer ist der? wie kannst du wagen,
Von solchem
nicht’gen Wesen mir zu sagen?
Dich selbst
samt deinem Schah zerreiß’ ich schnelle,
Wenn ihr zu
weichen denkt von meiner Schwelle.’
Ich sprach:
‚Nur heut noch lass’ dem Angesichte
Des Schahs
mich nahn, dass ich von dir berichte.’
Er sprach:
‚So lass den andern hier als Bürgen,
Sonst halt’
ich’s für erlaubt, dich zu erwürgen.’
Mein Flehn
war fruchtlos, er behielt bei sich
Meinen
Gefährten und entließ nur mich.
An zartem,
süßem, fettem Fleisch gewährte
Dreimal so
viel als ich, Herr, mein Gefährte.
Den Weg zu
dir hemmt fürder jener Leu;
So steht’s um
dich, ich künd’ es dir getreu.
Fortan auf
Unterhalt dir Hoffnung spare!
Ich red wahr, und – bitter ist das Wahre.
Willst ferner
du dein täglich Mahl, so treibe
Den Räuber
fort, dass rein die Strafe bleibe.“
Er sprach: „Wohlan, wir wollen zu ihm gehen;
Tritt vor,
und sprichst du wahr, - wir werden’s sehn –
So straf’ ich
ihn, - ja hundert seinesgleichen!
Doch lügst
du, da wird dich mein Zorn erreichen.“
So führte als Wegweise jenen Leuen
Der Has’, um
den Verderben ihn zu weihen,
Hin zu dem
Garne, das er ihm gespannt,
An eines ihm
bekannten Brunnen Rand.
Trüglich wie
Wasser überdeckt mit Spreu,
Ging hin zum
Brunn der Has’, mit ihm der Leu.
Ob auch die Flut die Spreu zur Ebene trage,
Doch rückt
sie nimmer Berge aus der Lage!
Dem Löwen
ward des Hasen List zu Schlinge, -
O dass des
Hasen Trug den Löwen zwinge!
So zog der Pharao mit Herr und Troß
Einst Moses in des Nilstroms Wellenschoß;
Und eine
Mücke, klein und flügelschwach,
Den Schädel Nimrods schonungslos durchstach.
So ging es dem, der Rat annahm vom Feinde.
So dem, der
sich den Neider kor zum Freunde,
Dem Pharao,
der auf den Haman hörte,
Dem Nimrod,
der mit Satan gar verkehrte.
Redet mit süßer Stimme die dein Feind
Von Körnern,
- wiss’, ein Netzt ist, was er meint;
Er spricht
von Rosen, und er meint den Dorn,
Von Wonn’ und
Huld, und denkt an Grimm und Zorn.
Ein jähes
Unglück blendet dein Gesicht,
Wer Freund
ist und wer Feind, du weißt es nicht.
Fühlst du
dich also blind, dann klag’ und bete,
Weinend und
fastend deinen Leib ertöte,
Und sprich:
„O du, dem klar mein Tun und Sinnen,
Lass mich dem
Fels der falschen Wahl entrinnen!
Ob hündisch
frech wir dein Verbot nicht scheuen,
du Löwenschöpfer send’ uns nicht den Leuen!
Des Feuers
Wut leih’ nicht der milden Flut,
Und zeig und
nicht, wie Fluten kühl’ die Glut!“ –