Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

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1989 n.Chr.

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Meinungsfreiheit oder Massenbeleidigung - "Die Satanischen Verse" - Symbol der westlichen Literatur?

Ohne Zweifel hat Gott die Menschheit nicht umsonst erschaffen und Er hat sie nicht sich selbst überlassen. (Imam Mahdi (a.))

Die Folgen im Iran

Das Todesurteil gegen Salman Rushdie wurde drei Tage nach den imposanten Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Islamischen Revolution im Iran gefällt. Waren bereits zu diesen Feierlichkeiten mehrere Millionen Demonstranten auf den Straßen iranischer Städte zu sehen gewesen, die ihre Verbundenheit mit der Islamischen Republik und der Regierung im Iran zum Ausdruck brachten, so wurden bei Demonstrationen gegen Rushdie erneut die Straßen gefüllt. Das Volk dokumentierte in einer eindrucksvollen Art und Weise, wie sehr die Entscheidung des Imam vom Volk getragen wird. Für keinen Politiker der Welt, weder im Westen noch im Osten, gehen so viele Menschen auf die Straße, um seine im Ausland kritisierte Entscheidung voll und ganz zu unterstützen. Diese tiefe Verwurzelung der islamischen Weltanschauung im muslimischen Volk des Iran sind die Grundlage für die Revolution und für "zehn Jahre auf drittem Weg", wie eine Zeitung es nannte (Die Welt 10.2.89).

"Dritter Weg" paßt deswegen gut, weil die Islamische Republik Iran mit ihrer Einstellung "weder Ost noch West" innerhalb kürzester Zeit zum Sprecher und zur Hoffnung der entrechteten Völker der sogenannten dritten Welt geworden ist. Da es nach westlichem Verständnis nur drei Welten gibt, könnte auch von der "letzten Welt" gesprochen werden. Damit sind die Letzten, die Unterdrückten und Ausgebeuteten, die Hungernden und Verfolgten gemeint. Die islamische Regierung des Iran führt ein Modell vor, welches gestützt auf das Volk seinen eigenen Weg bestimmen kann und damit frei und unabhängig von den Großmächten ist.

Zum zehnten Jahrestag, aber auch schon vorher, wurde eine Bilanz über die vergangenen Jahre gezogen. Im Grunde waren es zwei Bilanzen: Die eine Bilanz verglich die Errungenschaften der Revolution mit den Zuständen vor der Revolution. Diese Bilanz fiel prächtig aus, denn die Muslime hatten innenpolitisch endlich erreicht, die von ihnen geliebten islamischen Gesetze einzuführen. Trotz größter Bedrängnis und Repression aus Ost und West war es gelungen, völlig unverschuldet zu bleiben und die Landwirtschaft anzukurbeln. Neben der eigenen sehr rasch wachsenden Bevölkerung wurden u.a. auch weit über 2 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan und 1 Million aus dem Irak versorgt; Zahlen, die verglichen mit Asylanten in Deutschland, einschließlich der Übersiedler aus der DDR, geradezu astronomisch sind. Die Bildung der Bevölkerung wurde sprunghaft gesteigert und die Zahl der Analphabeten drastisch gesenkt. All diese Errungenschaften wurden dazu in einer Zeit des auferlegten Krieges und politischen und wirtschaftlichen Schikanen der Großmächte erreicht. Auch im Ausland waren die Auswirkungen der islamischen Revolution deutlich vernehmbar. Der immer stärker werdende Befreiungskampf der muslimischen Palästinenser, der Machtzuwachs der Muslime im Libanon, der Rauswurf der Sowjets aus Afghanistan, sporadische Aufstände mit teilweise revolutionärem Charakter gegen fast alle arabischen Regime, sowie die Aufstände in fast allen islamischen Sowjetrepubliken gegen die kommunistische Herrschaft waren und sind außenpolitische Früchte des inzwischen fest verwurzelten islamischen Baums im Iran.

Aber es gab auch eine zweite Bilanz. Diese Bilanz verglich die Errungenschaften der Revolution mit den hohen Idealen des Islam und den damit angestrebten Zielen. Diese Bilanz mußte im gegenwärtigen Stadium zwangsläufig schlecht ausfallen. Denn es war nicht möglich, aus einer jahrhundertelang von nicht-islamischen Kräften beeinflußten Gesellschaft innerhalb eines Jahrzehntes eine ideale Gesellschaft mit idealen islamischen Bedingungen zu schaffen. Nach zehn Jahren islamischer Revolution bestand lediglich die Hoffnung, daß der erste Ansatz in Richtung einer idealen islamischen Gesellschaft aufgestellt war, indem zukunftsweisende Richtungsperspektiven vorgelegt wurden.

Diese Ansätze waren unzweifelhaft vorhanden. Imam Khomeini selbst drückte diese Tatsache in seinem Testament aus: "Ich habe niemals gesagt und werde das auch heute nicht tun, daß in dieser Republik der große Islam mit allen seinen Aspekten vollkommen ausgeführt wird, und daß es keine dummen und aufrührerischen Individuen gibt, die sich nicht gemäß dem islamischen Gesetz verhalten. Ich sage aber in aller Offenheit, daß Legislative, Judikative und Exekutive sich darum bemühen, dieses Land zu einem islamischen Land zu machen" (IRNA Bonn Bulletin 13/89).

Obwohl die Fatwa Imam Khomeinis nichts mit der Innenpolitik zu tun hatte, hinterließ sie naturgemäß auch ihre Spuren auf der inneren Situation im Iran. Diejenigen Kräfte, die eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen geplant und gewünscht hatten, waren nach der Rushdie-Affaire ganz und gar enttäuscht und unzufrieden. Die widersprüchlichen Reaktionen dieser Kräfte auf die Rushdie-Affaire warfen die Frage auf, wie es nach der Zeit von Imam Khomeini weitergehen sollte. Während der Westen bis vor kurzem noch darüber rätselte, ob eine gemäßigte dem Westen zugetane Haltung sich nach Imam Khomeini im Iran durchsetzen könne, wurde mit der Fatwa ein deutliches Signal auf der Linie des reinen unverfälschten Islam gesetzt. Durch die Rushdie-Affaire wurde es noch deutlicher: Die islamische Revolution hatte nicht im geringsten an ihrer revolutionären Kraft eingebüßt. Im Gegenteil war sie so jung wie am Anfang und so gefestigt, auch schwierige Entwicklungsprozesse durchzustehen.

Eines der schwierigsten Entwicklungsprozesse war der Rücktritt von Ayatollah Montezari als designierter Nachfolger Imam Khomeinis. Zwar galt Ayatollah Montezari als ein großer islamischer Gelehrter, doch seine Führungsschwäche im Zusammenhang mit der Weltpolitik hatte schon einige Male dazu geführt, daß er durch die Manipulation der ihm vertrauten zwielichtigen Personen zu Widersprüchen zu den Zielen der islamischen Revolution und seiner eigenen früheren Meinung verleitet wurde. Und das konnte ihn u.a. disqualifizieren, Imam der islamischen Gesellschaft zu werden, was er dann selbst auch erkannte. Er zog für sich daraus die Konsequenz zurückzutreten. Sein Rücktritt hatte gleichzeitig zur Folge, daß viele sogenannte gemäßigte Politiker an Einfluß verloren. Als "gemäßigt" werden im Westen im Allgemeinen Politiker genannt, welche den westlichen Interessen in gewisser Weise nachgehen. Mit dem Rücktritt Ayatollah Montezaris zerplatzte auch die letzte Hoffnung des Westens, in der Nachfolgeschaft Imam Khomeinis wieder an Einfluß im Iran zu gewinnen. Für den Westen gab es im Iran nichts mehr zu holen, außer bestenfalls einige Aufträge für die Wirtschaft, auch nach Imam Khomeini. Diese Erkenntnis ist wohl die bitterste aller Erkenntnisse, die der Westen in Bezug auf den Iran durch die Rushdie-Affaire gewonnen hat.

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