Der verkaufte Joseph
Hareth Ben Hemmam erzählt:
Als ich durch der Wüste Gebiet
zog nach Sebid,
begleitete mich ein Sklave, dem ich hold gesinnt war,
weil
er meines Hauses Kind war
und dem ich wie ein Vater war
gewogen,
weil er von mir selber war erzogen.
Er aß mit
Dankbarkeit mein Brot
und hielt mit Unwankbarkeit mein
Gebot;
er kannte mich von außen und innen
und wusste die
Wege, mein Herz zu gewinnen,
tat keinen Fehltritt, wo er
trat,
und keine Fehlbitte, wo er mich bat;
zu Haus und auf
Reisen unbeschwerlich,
treu, bescheiden und unbegehrlich,
war er mir immer unentbehrlich.
Doch als uns aufnahm Sebid,
ging er ins Totengebiet.
Und ein Jahr lang, nachdem er
geschieden,
blieb der Schlaf von meinen Augenliden
und die
Speise von meinem Mund gemieden;
und ich konnt' es nicht
bestehn,
nach einem andern Diener mich umzusehn,
bis
zuletzt der Einsamkeit Unannehmlichkeiten
und des Stehns und
Gehns Unbequemlichkeiten
mich bewogen, für die Perle Glas zu
nehmen
und zu einem Lückenbüßer mich zu bequemen;
daher
ich ging und mich beriet
mit den Sklavenhändlern von Sebid,
sprechend: Ich such' einen Sklaven, der von außen gefällt
und der von innen die Probe hält,
solch einen von edlem
Kern, den gefeilt hat die Anmut
und feil gemacht seinem
Herrn nur die Armut.
Da rührten sie sich alle auf mein
Begehren
und versprachen, in Kürze mich zu gewähren.
Doch
es kreiste der Monde Tanz,
und ab nahm und wieder zu ihr
Glanz,
ohne dass von den Verheißungen eine trug Frucht,
noch ich hatte, was ich gesucht.
Da erkannt' ich, dass mir
niemand die Haut
so gut wie mein eigner Nagel kraut;
und,
dem Wege der Aufträge mich entschlagend, ging ich nun selber,
versehn mit weißer Münz und gelber,
auf den Markt,
dass ich
mir ließe weisen
die Sklaven, und fragte nach ihren Preisen.
Da trat ein Mann auf im Schleier,
der hielt an der Hand
einen Jüngling, wie eine Taube der Geier,
und rief:
Wem ist ein Sklave lieb, der auf dem Haupt die Krone
Der Schönheit trägt und sitzt hoch auf der Tugend Throne;
Der still ist wie der Mond, sanft wie die Anemone,
In dem mehr Gutes ist, als Körner sind im Mohne,
Der dir durchs Feuer geht, dich liebt gleich einem Sohne,
Der deinem Winke lauscht und horchet deinem Tone;
Und wenn du Schweres ihm auflegst, nicht rufet: Schone!
Nie müßig im Geschäft, nie lässig in der Frone,
Die Arbeitsbien' im Haus vorstellend, nicht die Drohne.
Begnügsam, wenn du ihm reichst täglich eine Bohne;
Des Herrn Zufriedenheit dient ihm zum vollen Lohne,
Von Kunst geschmückt, als wie Orion von der Zone,
Hat er doch nicht gelernt, zu trotzen dem Patrone,
Und stellet seinen Witz nicht gegen dich als Dohne.
Er ehrt die Heimlichkeit, die deinem Mund entflohne,
Und hegt im Busen sie, als ob im Grab sie wohne,
Bei Gott, und sähe nicht das Glück mich an mit Hohne,
Und hungerten mir nicht die Kinder; zweifelsohne,
Ich hätt' ihn nicht verkauft um die Chosruenkrone.
Hareth Ben Hemmam spricht:
Wie ich betrachtete des
Jünglings Wohlgestalt
und seiner Schönheit Vollgehalt,
schien er mir von Gebärde
nicht wie einer der Erde,
und
ich sprach bei mir: das ist ein Bewohner der Gärten von Eden,
nicht einer der Menschen, geformt aus Leden.
Leden
(in vergröberter Aussprache Letten) mundartlich für Thon,
lateinisch lutum, arabische Wurzel lat.
Da bat ich ihn, mir seinen Namen zu nennen,
nicht um
den Namen zu kennen,
sondern um aus seiner Rede seine
Geistesbildung zu sehn,
ob sie gegen seine Gesichtsbildung
möchte bestehn.
Doch er sprach weder übel noch gut,
er
stand wie ein Bild, das nicht den Mund aufthut.
Ich rief:
Schade, daß du stumm bist,
oder mehr noch schade, wenn du
dumm bist.
Da lacht' er auf mit hellem Klang,
wiegte das
Haupt und sang:
Du, dessen Zorn entbrannt ist, weil den Namen ich
Verschwieg, wohin ist deine Billigkeit entflohn?
Wenn nur des Namens Nennung dich zufrieden stellt,
So höre: Joseph bin ich, Joseph, Jakobs Sohn.
Nun hab' ich dir es klar gesagt, und bist du klug,
So merkst du's; doch du merkst es nicht, ich seh' es schon.
Der Erzähler spricht: Da schmolz mein Zorn vor seinem
Gesang,
und mein Herz ward bestrickt von seinem Zauberklang,
daß ich in der Beschämung nichts ermaß
und die Geschichte
des verkauften Josephs vergaß;
auf nichts bedacht, als von
seinem Herrn das Gebot zu erfahren,
und entschlossen, kein
Geld zu sparen.
Ich war darauf gefaßt, er würde nehmen einen
starken Schwung
und hoch spannen seine Forderung;
doch er
verstieg sich nicht, wohin sich meine Meinung verstieg,
sondern gab mir leichten Kaufs den Sieg,
sprechend: Wenn der
Preis eines Knechts ist niedrig
und der Aufwand für ihn
nicht widrig,
so freut es seinen Herrn,
und er hat ihn
gern.
Ich möchte diesen Jüngling dir machen wert
dadurch,
daß ich gering ansetze den Wert.
Bist du's zufrieden, daß du
zweihundert Drachmen gebest
und mir dankbar seiest, so lange
du lebest?
Da schlug ich schnell ein, wie einer einschlägt
bei einem Handel, der ihm einträgt,
und bezahlte auf der
Stelle das Geld,
wie man gern bezahlt, was wohl gefällt,
und was man für wohlfeil hält;
ich bedachte nicht, daß zu
jeder Frist
Wohlfeilgekauftes teuer ist.
Als nun nach des
Handels Beendigung
es ging an des Guts Aushändigung,
hob
der Jüngling die Augen, aus denen brach
ein Tränenbach
indem er zu seinem Verkäufer sprach:
O Schmach! verkauft man den als eine Ware,
Der es verdient, dass man als Schatz ihn wahre!
Und ist's gerecht und billig, dass zum Tragen
Du, ach, mir legest auf das Untragbare:
Dass du von Schrecknis mich zu Schrecknis führest!
Doch nicht erschrickt ein Edler, wo er fahre.
Hast du mich nicht geprüft? Und hast du etwas
Erprobt an mir als nur das Lautre, Klare?
Wie oft, wenn du zum Fangnetz aus mich stelltest,
Kam ich dir mit dem Löwen oder Aare.
Wie oft, dass du aufs Spiel mein Leben setztest!
Und niemals dacht' ich dran, dass ich es spare.
Ja, Gott sei Lob, du hast an mir nie Fehler
Entdeckt, geheime oder offenbare.
Und wird dir's nun so leicht, mich hinzuwerfen,
Wie man den Abfall wegwirft seiner Haare?
Um niedriges Bedürfnis satt zu machen,
Führst du mich wie ein Schlachtvieh zum Altare;
Entblößest mich, zur Deckung deiner Blöße,
Machst mich der Ehre bar fürs Geld, das bare.
Wie? willst du meiner Heimlichkeit nicht schonen,
Und siehst, wie ich die deinige bewahre!
Sekabi war ein Ross, doch die Temimer
Bewahrten es vor dem, was ich erfahre;
Die zu dem Kön'ge, der drum feilschte, sprachen:
Anspielung auf ein Gedicht der Hamasa, das den angegebenen
Inhalt hat.
Ein Kleinod ist's, nicht wird verkauft das rare.
Unedler bin ich nicht, du bist unedler,
Der du verkaufst die Blüte meiner Jahre.
Ja, linder, als von dir zu Markt geschleppet,
Sah' ich mich fortgetragen auf der Bahre.
Doch was du auch an mir verbrachst, nicht fürchte,
Dass mir ein Laut, der dich verdürb', entfahre.
Der Erzähler spricht: Als der Alte hörte des Jünglings
Liedesgruß
und sah seines Augenlides Tränenguss,
stöhnt'
er gleich einem Vergehenden
und weinte, bis mit ihm weinten
die Umstehenden.
Dann sprach er zu mir: Ja, dieser Jüngling
ist mir als ein Sohn,
er ist mein Herz oder ein Stück davon;
und täte nicht die Kahlheit meines Hauses
und die
Schmalheit meines Schmauses,
nicht hätt' ich mich getrennt
von meines Alters Stabe,
bis ich wäre an ihm gegangen zum
Grabe.
Du siehst, wie wild
sein Herz vom Weh der Trennung
schwillt;
der wahre Gläubige aber ist gut und mild:
willst
du drum nicht, zur Linderung seinem Herzen
und zur Minderung
meiner Schmerzen,
mir versprechen, dass, ohne dich zu
betrüben,
ich dürfe den Wiederkauf ausüben
und den Handel
rückgängig machen,
wenn sich verbessern meine Sachen?
weil
ja die Glaubensüberlieferungen verkünden:
Wer einem, den es
reut, erlässt einen Handel, dem erlässt Gott seine Sünden.
Hareth Ben Hemmam spricht:
Da gab ich ihm die Zusage mit dem
Mund,
doch andres dacht' ich im Herzensgrund.
Er aber zog
den Jüngling zu sich heran,
küßt' ihn zwischen die Augen
dann
mit fließenden Thränen und begann:
O unterdrück (dein Opfer sei mein Leben!)
Den Schmerz der Trennung, trag ihn ohne Beben.
Die Nacht wird nicht die Schatten ewig weben;
Des Wiedersehens Karawanen streben,
Im Morgenrot, bald wird ihr Staub sich heben,
Wenn Gottes Hilfe uns will Beistand geben.
Dann sprach er zu ihm: Ich überlasse dich einem Muster von
Herrn.
Damit schürzte er sich und enteilte fern.
Und der
Jüngling fuhr fort mit Gewinsel und Gewimmer,
bis jener dem
Blick war entschwunden auf immer.
Dann, nachdem er sich
gefasst
und sein Angesicht entnasst,
sprach er: Weißt du,
was ich gemeint,
und warum ich geweint?
Ich sprach: Ich
denke, der Abschied von deinem Herrn
machte tränen deinen
Augenstern.
Da sprach er: du gehst in diesem und ich in
jenem Tal,
und zwischen unsern Meinungen ist die Kluft
nicht schmal.
Dann hub er an:
Bei Gott, nicht wein' ich einem fliehenden Freunde nach,
Noch wein' ich um ein schönes Glück, das mir zerbrach;
Nur einzig strömet meiner Augenlider Bach
Um einen, des Verstandesblick war heut so schwach,
Dass aus Begierd' er sich verfing in Ungemach
Und, ach, sein blankgemünztes Geld verlor mit Schmach.
Warum verachtet hast du jene Warnung, ach:
»Ich bin ein Freier, des Verkauf nicht gilt, sei wach.«
Denn dieses war der Sinn, als ich von Joseph sprach.
Der Erzähler spricht: Da achtete ich erst für Scherz seine
Rede
und für Spiel seine Fehde;
doch er beharrte fest auf
seinem freien Stande
und wies standhaft von sich der
Knechtschaft Schande.
Da tummelten wir uns erst mit Worten,
guten und bösen,
und dann mit Stößen,
bis es kam zum
Berufen
vor des Gerichtes Stufen.
Als wir nun dem Richter
traten vors Gesicht,
und unser Bericht
ihm aufsteckt' ein
Licht;
sprach er: Wahrlich, wer warnt,
hat nicht umgarnt;
wer einen aufmerksam macht,
hat ihn nicht in Schaden
gebracht.
Aus eurem Vorbringen seh' ich, dass dieser Jüngling
dich weckte und du nicht erwachtest;
dass er dir ein Zeichen
steckte und du dir's zu nutz' nicht machtest.
So verbirg nun
deiner Torheit Schaden,
ohne deine Schuld ihm aufzuladen;
zieh ab deine Hand
von seinem Gewand,
denn er ist frei von
Haut und Haaren
und gehört nicht zu den käuflichen Waren.
Gestern eine Stunde vor der Nacht
hat ihn sein Vater vor
mich gebracht
und erklärt zu Protokoll,
dass er sein
einziger Sohn ist, der ihn erben soll.
Ich sprach zum
Richter: Bei Gott, dem Berater!
kennst du seinen Vater?
Er
sprach: Wie kennte ich nicht Abu Seid, den frechen,
von dem
jeder Richter im Lande weiß zu sprechen,
der einen Freibrief
hat auf unstrafbare Verbrechen.
Da brannte ich auf, tobte
und schwur
und war nun, doch zu spät, auf der Spur,
erkennend, dass sein Schleier war ein Netz des Truges
und
dieses Stück das Meisterstück seines Luges.
Doch die Scham
schlug mir die Augen nieder,
ich schwor, nie mit
Verschleierten zu handeln wieder.
Dann gelobt' ich, mich
aufs Leben von Abu Seid zu scheiden
und auf ewig seinen
Umgang zu meiden,
auszuweichen von ihm jeder Berührung,
aus Verdruss über seine Verführung
und aus Furcht vor neuer
Umschnürung.
Ich ging ihm aus dem Weg
und floh sein Geheg;
doch einst stellt' er mich an einem engen Orte,
und durch
ein paar seiner losen Worte
erschloss er wieder meines
Vertrauens Pforte.