Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Zweiter Aufzug - Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Omar.

Omar

Nur getrost, es springen
Die Ketten bald entzwei. Der Himmel ist
Euch günstig. Mahomet ist nah.

Seide

Wer?

Palmire

Unser hoher Vater?

Omar

Zu dem Rat
Von Mekkas Ältesten sprach, eben jetzt,
Sein Geist durch meinen Mund.
»Der Freund des Gottes der die Schlachten lenkt,
Der große Mann, der, einst bei euch geboren,
Nun Könige beherrschet und beschützt,
Den wollt ihr nicht als Bürger anerkennen?
Kommt er um euch zu fesseln? zu verderben?
Er kommt euch zu beschützen! und noch mehr,
Er kommt euch zu belehren, und sein Reich
Allein in euren Herzen aufzurichten.«
So sprach ich; mancher Richter war bewegt,
Die Geister schwankten. Doch Sopir steht auf,
Er, der sich vor dem Himmelslichte fürchtet.
Das allen alten Wahn zerstreuen soll,
Beruft das Volk, für sich es zu bestimmen;
Es läuft zusammen, und ich dringe zu.
Nun red' ich auch und weiß die Bürger bald
Zu schrecken, bald zu überreden. Endlich
Erhalt' ich einen Stillstand und das Tor
Für Mahomet ist offen, endlich naht er,
Nach funfzehnjähriger Verbannung, seinem Herde.
Die Tapfersten umgeben ihn, er kommt
Mit Ali, Pharan, Ammon; alles Volk
Stürzt, ihn zu sehn, an seinen Weg. Die Blicke
Sind, wie der Bürger Sinn, verschieden. Dieser sieht
In ihm den Helden, dieser den Tyrannen.
Der eine flucht und droht, der and're stürzt
Zu seinen Füßen, küßt sie, betet an.
Wir rufen dem bewegten Volk entgegen
Die heil'gen Namen: Friede! Freiheit! Gott!
Und die Partei Sopirs, verzweifelnd, haucht
Der Raserei ohnmächt'ge Flammen aus.
Durch den Tumult, mit ruhig freier Stirn,
Tritt Mahomet heran, als Herrscher; doch er führt
Den Ölzweig, und der Stillstand ist geschlossen.
Groß ist der Augenblick. Hier kommt er selbst.

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