Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Zweiter Aufzug - Vierter Auftritt

Mahomet. Omar.

Mahomet

Du, wackrer Omar, bleibest und vernimmst,
Was ich in meinem Sinn und Herzen wälze.
Soll ich die Stadt belagern? die vielleicht
Hartnäckig widersteht, und meinen Sieg
Im raschen Laufe hemmet, ja wohl gar
Die Bahn begrenzt die ich durchlaufen kann.
Die Völker müssen keine Zeit gewinnen,
Von meiner Taten Glanz sich zu erholen.
Das Vorurteil beherrscht den Pöbel. Alt
Ist das Orakel, die gemeine Sage,
Die einen gottgesandten Mann der Welt
Versprechen. Überall soll ihn der Sieg
Erst krönen, und er soll nach Mekka dann
Mit einem Ölzweig kommen, wohlempfangen,
Den Krieg von dieser heil'gen Stätte wenden.
Laß uns der Erde Wahn getrost benutzen;
Ich fühle mich zu ihrem Herrn bestimmt.
Die Meinen dringen schon mit neuem Eifer
Und Geisteskraft aufs unbeständ'ge Volk.
Du aber sage mir wie fandest du
Palmiren und Seiden?

Omar

Immer gleich.
Von allen Kindern, welche Hammon dir
Erzogen, sie zu deinem Dienst, zu deinem
Gesetz genähret und gebildet, die
Vor deinem Gott sich beugen, dich als Vater
Verehren, keins von allen hat ein Herz
So bildsam, keins von allen einen Geist
Zum Glauben so geneigt als dieses Paar,
Ergeben sind sie dir wie keine sind.

Mahomet

Und dennoch sind sie meine größten Feinde.
Sie lieben sich! Das ist genug.

Omar

Und schiltst
Du ihre Zärtlichkeit?

Mahomet

O lerne mich,
Und meine Wut und meine Schwachheit kennen!

Omar

Was sagst du?

Mahomet

Omar, dir ist nicht verborgen,
Wie Eine Leidenschaft die übrigen,
Die in mir glühen, mit Gewalt beherrscht.
Von Sorge für die Welt belastet, rings umgeben
Vom Sturm des Krieges, der Parteien Woge,
Schwing' ich das Rauchfaß, führ' ich Szepter, Waffen;
Mein Leben ist ein Streit, und mäßig, nüchtern,
Bezwing' ich die Natur mit Ernst und Strenge.
Verbannt ist der verräterische Trank,
Der Sterbliche zu heben scheint und schwächt.
Im glüh'nden Sand, auf rauhen Felsenflächen,
Trag' ich, mit dir, der strengen Lüfte Pein,
Und keiner unsrer Krieger duldet besser
Der Heereszüge tausendfält'ge Not.
Für alles tröstet mich die Liebe. Sie allein,
Sie ist mein Lohn, der Arbeit einz'ger Zweck,
Der Götze dem ich räuchre, ja! mein Gott!
Und diese Leidenschaft sie gleicht der Raserei
Der Ehrsucht, die mich über alles hebt.
Gesteh' ich's! Heimlich glüh' ich für Palmiren! sie
Ist mir vor allen meinen Frauen wert.
Begreifst du nun die höchste Raserei
Der Eifersucht, wenn sich Palmire mir
Zu Füßen wirft, ihr ganzes Herz mir zeigt,
Das einem andern schon gehört? Entrüstet
Steh' ich vor ihr und fühle mich beschämt.

Omar

Und du bist nicht gerochen?

Mahomet

Hör' erst alles,
Und lern' ihn kennen, um ihn zu verwünschen.
Die beiden, meine Feinde, die Verbrecher, sind –
Sind Kinder des Tyrannen, den ich hasse!

Omar

Sopir?

Mahomet

Ist Vater dieser beiden! Hammon brachte
Vor fünfzehn Jahren sie in meine Hand.
An meinem Busen nährt' ich diese Schlangen,
Und ihre Triebe feindeten mich an.
Sie glühten für einander, und ich fachte
Selbst Odem ihren Leidenschaften zu.
Vielleicht versammelt hier der Himmel alle
Verbrechen! Ja ich will – er kommt, er blickt
Uns grimmig hassend an, und seinen Zorn
Verbirgt er nicht. Du gehst, bemerkest alles.
Mit meinen Tapfern soll sich Ali fest
Am Tore halten! Bringe mir Bericht,
Zu überlegen, ob mit meinen Streichen
Auf ihn ich zaudern oder eilen soll.

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