Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

zurück zum Inhaltsverzeichnis

Dritter Aufzug - Sechster Auftritt

Mahomet, Seide, Omar

Mahomet

O Sohn des Höchsten, der dich ruft!
Vernimm in meinen Worten seinen Willen.
Du bist bestimmt des heil'gen, einz'gen Dienstes
Verachtung, bist bestimmt Gott selbst zu rächen.

Seide

Als König, Hohenpriester, als Propheten,
Als Herrn der Nationen, den der Himmel
Ausdrücklich anerkennt, verehr' ich dich.
Mein ganzes Wesen, Herr! beherrschest du;
Erleuchte nur mit einem Wort den dunklen
Gelehr'gen Sinn! Gott rächen soll ein Mensch?

Mahomet

Durch deine schwachen Hände will der Herr
Die Schar unheiliger Verächter schrecken.

Seide

So wird der Gott, des Ebenbild du bist,
Zu rühmlich großen Taten mich berufen?

Mahomet

Gehorche, wenn er spricht! Das sei dein Ruhm.
Befolge blind die göttlichen Befehle!
Bet an und triff! Der Herr der Heere waffnet,
Der Todesengel leitet deinen Arm.

Seide

So sprich! und welche Feinde sollen nieder?
Welch ein Tyrann soll fallen, welches Blut soll fließen?

Mahomet

Des Mörders Blut, den Mahomet verflucht,
Der uns verfolgte, der uns noch verfolgt,
Der meinen Gott bestritt, der meine Jünger
Ermordete. Das Blut Sopirs.

Seide

Sopirs!
Den sollte diese Hand?

Mahomet

Verweg'ner, halt!
Wer überlegt der lästert. Fern von mir
Vermess'ner Sterblichen beschränkter Zweifel,
Die eignen Augen, eignem Urteil traun!
Zum Glauben ist der schwache Mensch berufen,
Ein schweigender Gehorsam ist sein Ruhm.
Verkennst du wer ich bin? Verkennst du, wo
Des Himmels Stimme dir verkündigt wird?
Wir sind in Mekka. Wenn sein Volk bisher
Abgöttern sich im Wahn dahingegeben,
So bleibt doch dieser Boden, diese Stadt
Das Vaterland der Völker Orients.
Warum soll dieser Tempel alle Welt
Versammelt sehn? Warum soll ich von hier
Ein neu Gesetz verkündigen? Warum
Bin ich als König, Hoherpriester,
Hierhergesandt? warum ist Mekka heilig?
Erfahr es! Abraham ist hier geboren!
In diesem Raume ruhet sein Gebein.
War es nicht Abraham, der seinen Sohn,
Den Einz'gen, am Altar, das ew'ge Wort
Anbetend, fesselte; für seinen Gott,
Die Stimme der Natur erstickend, selbst
Das Messer nach dem vielgeliebten Busen zuckte?
Wenn dieser Gott dich nun zur Rache ruft,
Wenn ich die Strafe seines Feinds verlange,
Wenn er dich wählt, so darfst du zweifelnd schwanken?
Hinweg du Götzendiener! Nimmer warst du wert,
Ein Muselmann zu sein! Such einen andern Herrn!
Schon war der Preis bereit, Palmire dein;
Dem Himmel trotzest du, verachtest sie.
Du wirst ihm, Schwacher, Feiger, nicht entfliehen!
Die Streiche fallen auf dich selbst zurück.
Verbirg dich, krieche, diene meinen Feinden.

Seide

Ich höre Gottes Stimme, du befiehlst,
Und ich gehorche.

Mahomet

Ja, gehorche! Triff!
Mit eines Ungerechten Blut bespritzt
Gehst du ins ew'ge Leben herrlich ein.

Zu Omar.

Folg ihm von fern und halte stets auf ihn
Und seinen Gang dein Auge wachend offen.

 

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de