Mahomet

Mahomet
Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire

Siehe: Mahomet der Prophet

Übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe

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Dritter Aufzug - Dritter Auftritt

Mahomet. Palmire

Palmire

O Herr! dich sendet mir ein Gott zu Hülfe.
Seide –

Mahomet (seinen Zorn verbergend)

Welch Entsetzen faßte dich?
Bin ich nicht hier? Was fürchtet man für ihn?

Palmire

O Gott! Soll ich noch mehr geängstet werden!
Welch unerhörtes Wunder! Du bist selbst
Erschüttert? Mahomet ist auch bewegt?

Mahomet

Ich sollt' es sein, und wär' ich es um dich.
Wo ist die Scham? dass deine Jugend mir
Gewaltsam Flammen zeigen darf die ich
Vielleicht missbillige. Und könntest du
Gefühle nähren die ich nicht gebot?
Dich warnte keine Stimme, kein geheimes,
Wohltät'ges Schrecken? Dich, die ich gebildet,
Muss ich so ganz verändert wieder finden?
Hast du dem Vater alle Dankbarkeit,
Dem heiligen Gesetze Treu und Ehrfurcht
Und deinem Herrn Gehorsam abgeschworen?

Palmire (fällt nieder)

Was sagst du? Überrascht und zitternd liegt
Palmire dir zu Füßen. Schaudernd senk' ich
Den Blick zum Boden. Ja, ich fühlte mich
Vernichten, hielte mich die Kraft
Unschuld'ger, reiner Liebe nicht empor.
Wie? hast du nicht mit günst'gen Blicken selbst,
An diesem Ort, auf uns herab gesehn?
Die Hoffnungen genähret und gebilligt?
Ach! dieses schöne Band, das Gott um uns
Geschlungen, fesselt uns noch mehr an dich.

Mahomet

Der Unbesonnene verscherzt sein Glück.
Verbrechen lauern auch der Unschuld auf.
Das Herz kann sich betrügen. Diese Liebe,
Du kannst mit Tränen sie, mit Blut bezahlen.

Palmire

Mein Blut? Mit Freuden flöss' es für Seiden.

Mahomet

Du liebst ihn so?

Palmire

Seit jenem Tag, als Hammon
Uns deinen heil'gen Händen übergab,
Wuchs diese Neigung, still allmächtig, auf.
Wir liebten, wie wir lebten, von Natur.
So gingen Jahre hin, wir lernten endlich
Den süßen Namen unsers Glückes kennen,
Und nannten Liebe nun was wir empfanden.
Wir dankten Gott; denn es ist doch sein Werk.
Du sagst es ja, die guten Triebe kommen
Von ihm allein, und was in unsrer Brust
Er Gutes schafft, ist ewig, wie er selbst.
Sein Wille wechselt nie. Nein! er verwirft
Die Liebe nicht, die aus ihm selbst entsprang.
Was Unschuld war, wird immer Unschuld sein,
Kann nicht Verbrechen werden.

Mahomet

Ja, es kann's!
Drum zittre! Bald erfährst du ein Geheimnis!
Erwart' es, und erwarte, was ich dir
Zu wünschen und zu meiden anbefehle.
Mir glaubst du, mir allein.

Palmire

Und wem als dir?
An deinen Lehren und Befehlen hält
Der Ehrfurcht heilige Gewohnheit mich.

Mahomet

Bei Ehrfurcht ist nicht immer Dankbarkeit.

Palmire

Ich fühle beide. Könnten sie verlöschen;
So strafe mich Seidens Hand vor dir.

Mahomet (mit verhaltnem Zorn)

Seidens!

Palmire

Blicke mich nicht zornig an!
Mein Herz ist schwer gebeugt, du wirst es brechen.

Mahomet (gefaßt und gelind)

Ermanne dich und nähere dich mir!
Ich habe nun dein Herz genug geprüft,
Du kannst auf meinen Beistand dich verlassen.
Vertrauen ford're ich, und du gibst es gern,
Und dein Gehorsam gründet dein Geschick.
Sorgt' ich für dich, gehörst du mir; so lerne
Das, was ich dir bestimmte, zu verdienen.
Und was ein göttlicher Befehl Seiden auch
Gebieten kann, darin bestärk' ihn, lass
Zur Stimme seiner Pflicht die deine sich gesellen.
Er halte seinen Schwur! dies ist der Weg,
Dich zu verdienen.

Palmire

Zweifle nicht, mein Vater!
Was er versprach erfüllt er. Wie für mich
Steh' ich für ihn. Seide betet dich
Mit vollem Herzen an, wie er mich liebt.
Du bist ihm König, Vater, einz'ger Schutz.
Ich weiß, ich fühl' es! und ich schwör' es, hier
Zu deinen Füßen, bei der Liebe die
Ich für ihn hege, und ich eile nun
Zu deinem Dienst ihn treulich anzufeuern.

 

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