Erweiterung des Bewusstseinshorizonts
Hijra ist für den Menschen ein Mittel, sich neue Horizonte
zu erschließen. Durch die Auswanderung löst sich der Mensch
aus seinem begrenzten Lebensbereich und kommt mit anderen
Anschauungen, Lebensformen und fremden Kulturen in Verbindung.
Oft überwinden ganze Völker dadurch ihre geistige Stagnation
und gelangen zu neuen Einsichten.
Es ist ein historisches Phänomen, daß allen großen
Zivilisationen der Menschheit Völkerwanderungen vorausgegangen
sind. Erst als die Völker bereit waren, den Schritt der
Auswanderung zu vollziehen, waren sie in der Lage,
eigenständige Hochkulturen zu errichten.
Aus demselben Grund schenkt der Islam dem Reisen große
Bedeutung. Wenn ein Mensch andere Länder, Gebräuche und Sitten
kennenlernt und darüber reflektiert, wird sich der Horizont
seines Bewußtseins erweitern. Durch die Auseinandersetzung mit
dem Fremden wird er nicht nur Einsicht über Stärken und
Schwächen anderer Völker gewinnen, sondern auch größere
Erkenntnis von seinem eigenen Leben.
»Sprich: Bereist die Länder und sehet, wie das Ende der
Unheilstifter war!« (Sure 27, 69) »Sind sie denn nicht auf der
Erde gereist und haben gesehen, wie diejenigen endeten, die
vor ihnen lebten? Jene waren viel mächtiger als sie und
hinterließen viel mehr Zeichen auf der Erde. Trotzdem erfaßte
sie Gott wegen ihrer Sünden und es gab keinen Beschützer für
sie vor Gott!« (Sure 40, 21) Ein Mensch, der aus seinem eng
umgrenzten Lebensbereich heraustritt und sich die Geschichte
und Kulturen anderer Völker bewußt macht, wird sein eigenes
Selbst und das eigentliche Ziel seines Daseins besser
verstehen lernen. Die Auswanderer sollen nicht aufhören, Jihad
zu führen, und nicht in Passivität erstarren. Hijra und Jihad
bilden eine Einheit. Auswanderung im islamischen Sinne ist
eine Form des Kampfes gegen Unrecht und Unterdrückung.
Dagegen heißt es im Quran über die Gläubigen, die sich mit
der Unterdrückung arrangierten und nicht auswanderten, um sich
ihren Glauben zu retten, folgendermaßen:
»Diejenigen Gläubigen, die von den Engeln hinfort genommen
werden, nachdem sie sich gegen sich selbst vergingen, werden
gefragt werden: >was habt ihr denn erreicht?< Sie werden
antworten: >wir waren doch Unterdrückte im Lande!< Sie werden
erwidern: »ist die Erde Gottes nicht groß und weit genug
gewesen, so daß ihr hättet auswandern können auf ihr!«
Deren Wohnstätte wird die Hölle sein, und schlimm ist die
Einkehr dorthin. Ausgenommen davon werden die unterdrückten
Frauen, Männer und Kinder sein, die keine Möglichkeit hatten
und keinen anderen Ausweg fanden.
Diesen ist Gott nahe dabei zu verzeihen, denn Gott ist der
Allverzeihende, Allbarmherzige.« (Sure 4, 97-99) Auswanderung
im islamischen Sinn bedeutet also die Schaffung einer
geeigneten Grundlage für die Fortsetzung des Jihad. Den
Auswanderern, die Hijra so verstehen, verspricht Gott höchste
Anerkennung:
»Derjenige aber, der auswandert für die Sache Gottes,
findet auf der Erde viele Erleichterungen. Und wer sein Heim
verläßt im Streben nach Gott und Seinem Gesandten und dabei
vom Tod ereilt wird, dessen Lohn ist bei Gott. Wahrlich, Allah
ist Allvergebend, Allbarmherzig!« (Sure 4, 100)