Imam Khamene'i

Imam Khamene'i

Das Leben des Imam-ul-Umma Ayatollah-ul-Uzma Seyyed Ali Al-Husaini Al-Khamene'i

Yavuz Özoguz

mehr zum Thema siehe Imam Chamene'i

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Imam Khamene'i - Inhaltsverzeichnis

Unser neuer Mardscha

Viele von uns, durch die Islamische Revolution im Iran moti­vierten Muslime im deutschsprachigen Raum hatten zwar erst seit einigen Jahren die Wahrheit der Schia erkannt (z.B. sind meine eigene Eltern Hanefiten) und uns zu der Anhängerschaft der Ahl-ul-bait bekannt, aber eines wussten wir seither mit großer Gewissheit: Unser Imam, unser Vorbild, die Führungs­persönlichkeit der islamischen Weltgemeinschaft, unser Mudschtahid, muss jemand sein, der am Leben ist, der an­sprechbar ist, der bei uns auf der Erde weilt. Wenn wir einen abwesenden Imam wählen könnten, dann wäre sicherlich Imam Mahdi (a.) unser Imam, aber zu ihm habe zumindest ich kei­nen direkten Zugang, und wenn ein Verstorbener unser Imam sein könnte, dann sicherlich der Prophet (s.) selbst. Unser Imam muss unter uns leben, damit wir ihn fragen können, da­mit wir seine aktuelle auf die Zeit bezogene Interpretation des Islam erfahren können. Das Prinzip des lebendigen Mardscha-ul-Taqlid (Vorbild der Nachahmung) musste weiterleben, auch nach dem Ableben einer der größten Mardschas unserer Zeit.

In dieser so schwierigen Situation, in der alle möglichen Ge­lehrten von verschiedenen Seiten als Nachfolger der Mard­schaiya von Imam Khomeini (r.) genannt wurden, erklärte unser islamischer Lehrer klipp und klar, dass es ja wohl selbst­verständlich sei, unseren neuen Imam-ul-Umma als Mardscha zu wählen. Sicherlich war es die beste Wahl. Musste nicht religiöse und politische Führung in einer Hand sein und blei­ben? Unsere Absicht war gefasst, und wir beschlossen gemein­sam, in Zukunft Imam Khamene'is Fatwas zu folgen.

Sicherlich war dies in der Anfangszeit der Führung von Imam Khamene'i eine bei manchen umstrittene Entscheidung. Aber heute im Nachhinein weiß ich, dass unser Lehrer uns zur rich­tigsten Entscheidung geführt hat.

Wahrscheinlich haben einige Muslime die eigenen Aussagen von Imam Khamene'i, die er in seiner besonderen Bescheiden­heit damals gesagt hat, nicht richtig deuten können. Und sie haben ihn anfänglich nur deshalb nicht zum Mardscha gewählt, weil sie dachten, er selbst möchte dieses nicht. Sicher hatten sie recht, wenn sie den Eindruck erhielten, dass Imam Khame­ne'i dies von sich aus nicht möchte. Aber auch Imam Khomei­ni (r.) wollte von sich aus nie "Anführer" oder dergleichen sein. Es waren immer seine Anhänger, die ihn zu der Über­nahme der Verantwortung gedrängt haben. Einer von Imam Khomeinis (r.) größten Anhängern, nämlich Imam Khamene'i, erzählte: "Nach dem Tod (1962) von Ayatollah-ul-Uzma Borud­scherdi (der größte Gelehrte vor Imam Khomeini (r.)) hat der ehrwürdige Imam (Khomeini), auf dem, wie ihr selbst gesehen habt, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt ruhte, und der so mächtig war, dass er die ganze Welt in einer Hand hätte halten können, keine Risala (islamisches Regelwerk) veröffentlicht. Die Gläubigen haben ihn gedrängt, aber er gab keine Risala heraus. Ich selbst war damals unter denen, die ihn darum baten. Aber er meinte, dass es andere Gelehrte gab, die dafür zur Verfügung standen".

Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist sicherlich auch eine Situation, die sich sechs Jahre nach der Ernennung von Imam Khamene'i bei ihm ereignete. Unser Lehrer war zum ersten Mal mit einigen Muslimen am 16. Januar 1995 (14. Schaban 1415), kurz nach dem Ableben des damals ältesten Mardscha Ayatollah Araki (r.), bei Imam Khamene'i einge­laden. Nach einer kurzen Begrüßung und einigen Worten von Imam Khamene'i an die Anwesenden bat unser Lehrer mit allem Respekt Imam Khamene'i darum, einen Traum erzählen zu dürfen, den er einige Nächte vorher gehabt hatte, da dieser ihn beträfe. Imam Khamene'i erlaubte es ihm, und so erzählte er[1]:

"Ich sah in meinem Traum wie Imam Khomeini (r.) in unser Haus kam und sich neben mich setzte, und ich fragte ihn: 'Sie haben uns damals Imam Khamene'i empfohlen. Wenn Sie nun nach fünf, sechs Jahren urteilen sollten, würden Sie ihn dann immer noch empfehlen?'. Imam Khomeini antwortete unmissverständlich: 'Selbstverständlich! Selbst wenn ich weitere 100 Mal jemanden empfehlen sollte, ich wüsste keinen Geeigneteren, um ihn euch vorzustellen'. Daraufhin bedankte ich mich, und er sagte: 'Hast Du noch eine Frage?'. Ich sprach:' Ist Imam Kha­mene'i wirklich unser Imam und der Vertreter von Imam Mah­di? ', worauf Imam Khomeini entschieden antwortete: 'Selbstver­ständlich und ganz sicher! Was willst Du mich noch fragen?' Nun fragte ich Imam Khomeini, ob wir jedem Befehl und jeder Aussage von Imam Khamene'i gehorchen müssen, worauf er zurückfragte: 'Was meinst Du damit?'. Ich erläuterte, ob wir Imam Khamene'i auch in Bezug auf seine eigenen bescheidenen Aussagen über seine eigene Mardschaiya befolgen sollen (da er immer wieder darauf hinweist, wie geeignet doch andere für diese Aufgabe seien). Nun antwortete Imam Khomeini mit einem deutlichen Schmunzeln im Gesicht: 'Nein, in diesem Punkt nicht' (was so viel hieß wie, dass man Imam Khamene'i als Mardscha annehmen und ihm folgen sollte). Voller Freude bedankte ich mich bei ihm, worauf er fragte: 'War das alles, was Du fragen wolltest?'. Als ich dies nun bejahte, klopfte er mir auf den Rücken und forderte mich auf: 'Stehe nun auf, und führe Deine Arbeit fort'."

Die Anwesenden bei Imam Khamene'i freuten sich über diese Erzählung, und nachdem unser Lehrer von Imam Khamene'i verabschiedet worden war, sammelten sich die Anwesenden um unseren Lehrer und erkundigten sich wiederholt nach sei­nem Traum.

Es sei nebenbei noch darauf hingewiesen, dass es keine Voraus­setzung für die Auswahl eines Mardscha ist, dass dieser vorher eine Risala (islamisches Regelwerk) herausgebracht haben muss, wie manche fälschlicherweise vermuten. Und noch weni­ger ist es Voraussetzung, dass der Erwählte selber von sich behauptet, ein Mardscha zu sein. Imam Khamene'i hat nach seiner späteren öffentlichen Annahme der Mardschaiyah[2] in seiner eigenen Risala (islamisches Regelwerk) für die Zukunft diesen Aspekt deutlich klargestellt. Die Frage an Imam Kha­mene'i lautete: Darf man einen Mudschtahid (islamischer Ge­lehrter mit der Fähigkeit zur selbständigen Rechtsfindung) nachahmen, auch wenn er keine Risala herausgegeben hat und nicht von sich behauptet, Mardscha-ul-Taqlid (Vorbild der Nachahmung) zu sein. Imam Khamene'is Antwort lautete: Wenn derjenige, der die Nachahmung beabsichtigt, feststellt, dass er (der Nachzuahmende) ein Mudschtahid ist, der alle Voraussetzungen erfüllt, dann ist es zweifellos möglich (siehe Fatwa Nr. 9 in [6]).

[1]  Hier stark verkürzt wiedergegeben

[2] Siehe hierzu Kap.: Der höchste Gelehrte

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