Die Fatwas des täglichen Lebens
Imam Khamene'i hat bereits
mit über Dreißigtausend Fatwas zu persönlichen und
öffentlichen Fragen der Umma aus der ganzen Welt
geantwortet. Voller Hoffnung haben die Muqallidien
(Befolger) von Imam Khamene'i überall in der Welt darauf
gewartet, dass seine Fatwas in gesammelter Form als Buch
veröffentlicht und übersetzt werden. Inzwischen liegt der
erste Teil im arabischen Original vor [6]. Englische und
türkische Übersetzungen sind in Arbeit.
Zahlreiche seiner Fatwas
wurden bereits vorher weltweit bekannt, weil sie entweder
für viele Muslime relevant waren, wie beispielsweise seine
zahllosen Fatwas, welche die Einheit der Muslime fördern
sollen. Oder aber sie stehen in einem sehr interessanten
Zusammenhang, so dass sie veröffentlicht wurden.
Eine Aufsehen erregende, aber
auch kuriose Fatwa war zweifelsohne die Aussage in Bezug auf
das Getränk Coca-Cola. Als Vorgeschichte zu dieser Fatwa muss
erwähnt werden, dass die US-Regierung, obwohl sie den Verkauf
aller nur erdenklicher Waren aus den USA in den Iran verbietet
und Verkäufe anderer Ländern extrem zu behindern versucht,
offensichtlich den Export von Coca-Cola freigibt. Noch während
dieses Buch geschrieben wurde, bekräftigte am 1. Mai 1995 der
US-Präsident Clinton – bezeichnenderweise bei einer Rede vor
dem Jüdischen Weltkongress – die Verschärfung des
Handelsboykotts gegen Iran. Diese Verschärfung schließt aber
leider Coca-Cola nicht ein. Hierin steckt wahrlich nicht nur
ein politisches Zeichen, denn Coca-Cola ist eines der
typischen Symbole des so genannten "American Way of Life".
Und die USA nutzen diese letzte Nische, um ihre Ideologie,
wenn auch nur als Getränk, in den Iran zu exportieren, zumal
alle anderen kulturellen Einflussmöglichkeiten kaum mehr
bestehen. Immerhin wird inzwischen der Originalname Coca-Cola
wieder verwendet. Denn lange Zeit wurde dieses Getränk nur
unter dem islamischen Namen Zamzam (Heiliger Brunnen in
Mekka) verkauft, was sicherlich eine Beleidigung des
Zamzam-Wassers war. Nicht nur deswegen, sondern weil Coca-Cola
sicherlich auch gesundheitsschädlich ist, haben
revolutionäre Muslime das Getränk immer verdammt.
Unglücklicherweise war es ein, wenn auch kleiner
Wirtschaftsfaktor. So konsumierte der Iran mit seinen 60
Millionen Bevölkerung ca. 2 Milliarden Flaschen (0,2 l) des
Getränkes pro Jahr, d. h. jeder zehnte Iraner trinkt im
Schnitt jeden Tag eine Flasche. Coca-Cola wird im Iran seit
1992 mit Original-Lizenz durch westlich orientierte iranische
Kapitalhaber produziert, was eine ständige Abgabe an den
Lizenzgeber bedeutet, und Pepsi-Cola eröffnete 1994 auch eine
Produktionsanlage (mit sehr umstrittener Unterstützung durch
eine iranische Stiftung). Da der Islamische Staat prinzipiell
den freien Handel gewährleistet, wurde bisher von offizieller
Seite nichts dagegen unternommen.
Vor diesem Hintergrund
stellte man die Frage nach der Legitimität des Getränkes an
Imam Khamene'i. Die Frage hatte keinen eindeutigen Charakter.
Jeder wusste, wenn das Getränk islamisch verboten gewesen
wäre, dann dürfte es keine Produktionsstätte im Iran mehr
gegeben. Bei einer möglichen religiösen Erlaubnis jedoch,
könnte damit für das in Bedrängnis geratene Getränk geworben
werden. Aus diesen beiden Möglichkeiten heraus war es eine
schwierige Frage. Die Antwort-Fatwa von Imam Khamene'i im
Februar 1995 war fatal für alle Cola-Hersteller und
Konsumenten:
"Alles, was (direkt) die
weltweite Arroganz und die zionistischen Kreise stärkt, ist
haram (verboten) für die Muslime".
Aufgeschreckt von dieser
Fatwa wandten sich die Produzenten der Getränke im Iran an
Imam Khamene'i und baten ihn um eine Klarstellung. Dieses Mal
antwortete nicht er selbst, sondern sein Büro und teilte den
Fragenden mit, dass sich die Aussage von Imam Khamene'i nicht
auf ein bestimmtes Getränk bezog, sondern eine
allgemeingültige Aussage war. Aber jeder, der es verstehen
wollte, hat die Fatwa verstanden! Statistiken über die
Cola-Verkaufszahlen seit dieser Fatwa liegen leider nicht vor.
Aber Beobachter können feststellen, dass die vielen guten
iranischen Getränke ihre Beliebtheit wiedergewinnen und
dieses westliche Getränk zunehmend vergessen lassen, so dass
meistens nur noch westlich orientierte Kreise derartiges
trinken.
Ähnlich klare und für einige
verheerende Aussagen hat Imam Khamene'i auch zu anderen
alltäglichen und fast jeden betreffende Themen getroffen. So
haben einige Fragesteller auch bei ihm versucht, durch eine
geschickte Fragestellung, eine Gesetzeslücke für die Rasur
des männlichen Bartes zu schaffen. Sie fragten, ob die Rasur
des Bartes auch verboten ist, wenn sie nicht mit einer Klinge,
sondern mit einer Schere erfolgt, was heutzutage technisch
möglich, aber faktisch nichts als Haarspalterei ist. Imam
Khamene'i ging gar nicht auf die Technik der Rasur ein,
sondern erklärte, dass jede Form der Rasur, die dazu führt,
dass man glatt rasiert aussieht, für einen muslimischen Mann
verboten ist. Es braucht hier nicht diskutiert zu werden,
welches islamische Wort – haram (verboten), ihtiyaten haram
(vorsichtshalber verboten) oder ähnlich – für dieses Verbot
benutzt wurde, denn es würde höchstens die Stufe der
Abscheulichkeit ausdrücken. Tatsache aber ist und bleibt, dass
ein erwachsener muslimischer Mann, abgesehen von
medizinischen und biologischen Ausnahmen, einen Bart tragen
muss! Auch heute noch wundert sich der kritische
Teheran-Besucher, wie viele Bartlose es doch noch gibt, die
offensichtlich zumeist aus Gewohnheit oder Unwissenheit ihre
äußere islamische Identität nicht ernst nehmen. Aber ihr
Anteil nimmt stetig ab.
Gemeint ist die von den Kapitalhabern auferlegte Lebensart
in den USA.