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Divan der persischen Poesie Blütenlese aus der
persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung,
biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.
Herausgegeben von
Julius Hart.
1887 n.Chr.
Inhaltsverzeichnis |
Divan der persischen Poesie
Sadi
Aus dem »Gülistan.« Aus der ersten
Abteilung: Die Sitten der Könige
Ein König hatte eine Krankheit, welche näher zu beschreiben
nicht anständig wäre. Mehrere griechische Ärzte kamen darin
überein, daß es gegen dieses Übel kein anderes Mittel gebe,
als die Galle eines Menschen, der durch bestimmte Merkmale
bezeichnet sei. Der König befahl zu suchen und man fand eines
Bauern Sohn mit den Merkmalen, welche die Ärzte angegeben
hatten. Der König ließ die Eltern rufen und stellte sie durch
ein unermeßliches Geschenk zufrieden. Der Kadhi gab ein
Gutachten, daß das Vergießen des Blutes eines Unterthanen
behufs Heilung des Königs erlaubt sei. Der Scharfrichter war
im Begriff die Hinrichtung zu vollziehen, da wandte der Knabe
sein Gesicht gen Himmel und lachte. Der König fragte: »Was
hast du in dieser Lage für eine Veranlassung zu lachen?« Der
Knabe antwortete: »Liebende Fürsorge für die Kinder ist die
Pflicht der Eltern, eine Klage bringt man vor den Kadhi und
Gerechtigkeit fordert man vom Könige; nun aber haben mich
meine Eltern um zerbrechlichen irdischen Gutes willen dem Tode
überliefert; der Kadhi hat zu meiner Hinrichtung sein
Gutachten gegeben, und der König sieht seine Rettung in meinem
Untergange; ich habe also keine andere Zuflucht als zu Gott
dem Erhabenen!«
Bei wem führ' ich gegen deine
Grausamkeit Beschwerde?
Gegen dich von dir verlang' ich, daß mein Recht
mir werde.Des Sultans Herz wurde ob dieser Worte gerührt, die Thränen
traten ihm in die Augen und er sprach: »Es ist besser, daß ich
sterbe, als daß ich das Blut eines Unschuldigen vergieße.« Er
küßte ihm Kopf und Augen, drückte ihn an seine Brust, gab ihm
ein sehr reiches Geschenk und ließ ihn los. Man sagt, in
derselben Woche sei der König gesund geworden.
Hiebei denk' ich stets an jenen
Elefantenführer,
Der einst diesen Vers hersagte an des Niles
Strand:
Weißt du, wie der Ameis' unter deinem Fuß zu Mut
ist?
So wie dir, wenn mit dem Fuß dich tritt der
Elefant.
Ferdinand Nesselmann |
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