Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Rumi

Aus dem Divan - Bald

Bald haßt man mich, bald bin ich der Verehrte,
Bald der Begehrende, bald der Begehrte;
Bald glückt es mir, die Sinne zu besiegen,
Bald siegen sie, und ich muß unterliegen;
Bald bin ich Joseph, der in Schönheit pranget,
Bald bin ich Jakob, der in Trauer banget;
Bald reißt mir Liebe die Geduld in Stücke,
Bald füg' ich mich, wie Job dem bösen Glücke.
Bald bin ich hohl wie Flöten, bald erfüllet,
Bald sinnlos, und in Weindunst bald gehüllet;
Bald macht ein Goldstück mich ins Feuer rennen,
Bald eine Silberbrust wie Gold mich brennen;
Bald reite ich auf eines Dives Rücken,
Bald neidet Job die Reize, die mich schmücken; Job, Hiob, nicht allein durch seine Leiden, sondern auch durch seine wunderbaren Reize bei den Mohammedanern ein Gegenstand der Verehrung.
Bald richtet sich auf Andacht all mein Streben,
Bald hab' ich sünd'gem Frevel mich ergeben;
Bald bin ich Wolf, bald Löwe und bald Schlange,
Bald bin ich Mensch und liebe und verlange;
Bald bin ich strenge, häßlich, rauh von Sitten,
Bald bin ich reizend, sanft und wohl gelitten;
Bald ist von Schande frei des Weisen Leben,
Bald ist er ganz der Schande preisgegeben.

Vinzenz Rosenzweig von Schwannau

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