Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Hafis

Ghasele - Buchstabe Te 57.

Ich hört' ein schönes Wort, das einst
Der Greis von Kanaan gesagt:
»Es giebt kein ebenbürtig Wort
Für Schmerz, der über Trennung klagt!«

Die Schrecken selbst des Weltgerichts
Wie sie der Pred'ger schildern mag,
Ein schwaches Gleichnis sind sie nur
Von wahrer Freundschaft Scheidetag.

Wer bringt vom abgereisten Freund
Ein gutes Zeichen endlich mir?
Was mir der Ostwind vorgesummt,
Klang wirr und unverständlich mir.

So laßt uns denn den alten Gram
Vertilgen ganz durch alten Wein;
Der Landmann sagt: das Rebenkind
Pflanzt immer Lust ins Herz hinein.

Einst weise Worte sprach der Wind
Zu Salomo, es waren diese:
»Vertrau' dem Mund des Windes nicht,
Und wenn er noch so günstig bliese.«

So lang dein Lebensfaden hält,
Weich' nie vom rechten Pfade ab,
Geht's mit der alten Buhle Welt
Auch immer noch nicht grade ab.

Nie frage nach »Warum« und »Wie«,
Ein treuer Knecht fügt allezeit
Des Herrschers Wink und Worten sich,
Mit ganzer Seele dienstbereit.

Wer sagte dir, daß Hafis dich
Vergessen habe ganz und gar?
Ich hab' es nicht gesagt, und wer
Es dir gesagt, der sprach nicht wahr.

Bodenstedt.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de