Die Autorität der Ratio (Aql)
Wie weit reicht die Autorität des Verstandes und worin
liegt sie? Einmal sprechen wir über die Autorität der Ratio,
was dann eine Autoritätsdiskussion wäre, die in den Bereich
der Wissenschaft von den Fundamenten (Fundamentaltheologie/ilm
al-usul) fällt. Ein anderes Mal diskutieren wir die Frage, ob
ein rationales Argument der Gewissheit dienlich ist oder
nicht. Diese Frage kann dann Gegenstand der Philosophie oder
der spekulativen Theologie sein. Wenn wir auf diese Weise
diskutieren, werden wir es einfach haben. Sie gleicht der
Diskussion über die Bedeutung. Man muss auch darüber
diskutieren, ob der rationale Beweis zur Gewissheit führt oder
nicht. Wenn er zur Gewissheit führt, wird er zu einem Argument
mit autoritativem Charakter. Wenn jemand über die Autorität
der Ratio sprechen möchte, muss er wissen, dass dies nur auf
dem Wege der Definition und der klaren Analyse möglich ist
nicht durch Argumentation. Das bedeutet, wenn jemand durch
Argumente beweisen möchte, dass der rationale Grund Autorität
besitzt, ist ihm dies wahrscheinlich nicht möglich. Wenn er
beweisen möchte, dass er keine Autorität besitzt, ist ihm dies
wahrscheinlich auch nicht möglich. Mit welchem Argument
beweisen Sie, dass der rationale Grund Autorität besitzt? Mit
rationalen Argumenten oder mit einem Beweis aus der
Überlieferung. Wenn sie mit einem rationalen Argument beweisen
möchte, dass das rationale Argument keine Autorität besitzt,
dann ist diese Widerlegung widersinnig, aber nicht das
Argument selbst. Es liegt ebenso fern, die Autorität des
rationalen Argumentes aus den Überlieferungen heraus beweisen
zu wollen. Das, was Sie beweisen möchten und das, was sie
widerlegen möchten, ist unmöglich. Einen Beweis für die
Autorität des rationalen Argumentes zu finden ist unmöglich
und seine Widerlegung ebenfalls. Die Angelegenheit kreist
ständig zwischen diesen beiden Sachverhalten. Entweder es ist
von seinem Wesen her unbekannt, weil das an sich Unbekannte
nicht bewiesen und auch nicht widerlegt werden kann, oder es
ist an sich (von seinem Wesen her) bekannt. Wenn ein
rationales Argument aufgestellt wird, wird es durch seinen
Gebrauch an sich bekannt. Seine Autorität wird durch seine
praktische Anwendung bewiesen. Denn der Mensch lebt mit genau
diesem Wissen und, wie unser Vorbild Allama Tabatabai sagt,
folgt der Mensch immer dem Bekannten, aber erhält auch Wissen
(ohne sein Zutun). Also ist die Frage nach der Autorität der
Ratio definierbar und darstellbar, aber nicht argumentativ zu
lösen. Bei der Definition und Darstellung des rationalen
Argumentes muss man Zweifel ausräumen, weil die rationale
Argumentation für die Erlangung der Gewissheit hilfreich ist.
Sie wissen, dass die Gewissheit in unseren Logikbüchern in
vier
Faktoren unterteilt wurde, die wieder 2 Faktoren untergeordnet
sind, durch die sie zur Gewissheit werden. Wenn nicht, dann
bezeichnen wir sie nicht als Gewissheit.
- Der Mensch muss die feste Absicht haben, etwas zu
beweisen.
- Er muss eine These aufstellen, die unumstößlich ist.
- Er muss alle Widerlegungsmöglichkeiten ausräumen.
- Als Endresultat muss er eine feststehende These
aufstellen, die nichts ins Wanken bringt.
Die Kombination dieser Faktoren bildet zusammen die
Gewissheit. Scheich ar-Rais Abu Ali Sina schreibt in der Logik
des "Schifa": Es gibt viele Vermutungen, von denen angenommen
wird, dass sie Gewissheit sind. Was sehr selten vorkommt, ist
Gewissheit und Wissen." Er sagt sogar über die Sternkarten der
Astronomen, dass vieles in ihnen nur Vermutung ist, weil diese
Schemata und Karten von einem Astronomen in irgendeiner
Sternwarte ausgearbeitet werden. Er schreibt, es komme selten
vor, dass ein Astrologe oder ein Kalenderschreiber Gewissheit
erlangt, es sei denn ein Chwadscha Nasîr, der alles selbst
ausarbeitete.
Also ist das Minimum der Gewissheit, dass man mindestens
zwei Thesen aufstellt. Gewissheit bedeutet nicht, dass der
Mensch das Angenommene für eine Angelegenheit beweist, aber
nicht fähig ist, sein Gegenteil auch zu beweisen. Gewissheit
setzt sich nicht aus Wissen um eine Sache und dem Unvermögen
(ihr Gegenteil zu beweisen) zusammen. Dies ist nicht das
Wissen, welches die Logik, die Philosophie und die Theologie
meinen. Gewissheit ist keine Sammlung aus konsequenter Absicht
(etwas zu beweisen) und dem Unvermögen (es zu widerlegen).
Gewissheit setzt sich aus den 4 Faktoren zusammen, die durch
diese beiden gebündelt werden. So ist es sowohl in der
theoretischen wie in der praktischen Weisheit mit dem
Unterschied, dass es in der praktischen Weisheit auch
anwendbar sein muss.