Familie el-Zubeir

Die Familie el-Zubeir

Aus dem Arabischen übertragen von Ferdinand Wüstenfeld

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Orwa ben el-Zubeir Abu Abdallah

63. Orwa ben el-Zubeir Abu Abdallah wurde in Medina im J. 23, nach anderen erst im J. 29 geboren; die erste Zahl stimmt besser zu der Nachricht, dass er zwanzig Jahr junger war als sein Bruder Abdallah, welcher im zweiten Jahre der Hi'gra geboren war, die Mutter von beiden war Asma, die Tochter des Abu Bekr. Es wird nirgends erwahnt, dass 'Orwa an Feldzugen und kriegerischen Unternehmungen Theil genommen habe, dagegen ist er durch die Weitererzahlung sehr vieler Erlebnisse und Ausspruche Muhammeds, die er von seiner Mutter, von deren Schwester 'A'ischa, Muhammeds Frau, und von den angesehensten seiner Begleiter gehört hatte, ein Hauptglied in der Kette der Überlieferer geworden. Aus seinen jüngeren Jahren ist nur ein Vorfall bekannt. Abd el-Rahman ben Chalid, welcher als Statthalter von Hingegen die Griechen große Vorteile errungen und sich in Syrien großes Ansehen verschafft hatte, erregte dadurch bei dem Chalifen Mu'awia die Besorgniss, dass er ihm gefährlich werden konnte, und er Hess ihn durch einen Christen Ibn Othal in Hirne, im J. 46 vergiften. Der Sohn Chalid ben Abd el-Rahman kam einige Zeit darauf nach Medina und 'Orwa, der mit ihm zusammen traf, fragte ihn: Was macht Ibn Othal? Ohne ein Wort zu erwiedern, stand Chalid auf, reiste sogleich nach Himc und todtete den Ibn Othal. Er wurde desshalb zu Mu'awia gebracht, welcher ihn einige Tage ins Gefangniss setzte, dann aber gegen ein Losegeld frei Hess. Chalid kehrte nun nach Medina zuruck und als er wieder mit 'Orwa zusammentraf, wiederholte dieser die Frage: Was macht Ibn Othal? Er antwortete: Dem ist dein Genuge geschehen, aber was macht Ibn Gurmuz (der Morder des Zubeir)? 'Orwa schwieg 1). — Er hatte sich mit seinem Bruder Abdallah nach Mekka zuruckgezogen und als dieser getodtet und gekreuzigt war, spielte 'Orwa eine etwas zweideutige Rolle. Er bestieg ein ungewöhnlich rasches Camel und eilte nach Syrien, um dem Boten, welchen el-Ha'g'ga'g mit der Siegesnachricht dahin schicken wurde, zuvor zu kommen. Er kam nach Damascus, Hess sich bei Abd el-Malik anmelden und begrusste ihn beim Eintritt als Chalifen; dieser uber die Am-ede aus solchem Munde ebenso uberrascht als erfreut, hiess ihn willkommen, umarmte ihn und liess ihn neben sich auf den Thron sitzen. Nachdem sie sich einige Zeit unterhalten hatten, kam endlich auch die Rede auf Abdallah und der Chalif fragte: Was macht er? — Er ist getodtet, war die Antwort, und Abd el-Malik fiel zum Gebet nieder, wahrend 'Orwa fortfuhr: el-Ha'g'ga'g hat ihn kreuzigen lassen, gieb doch den Leichnam seiner Mutter zuruck. Der Chalif gewahrte diese Bitte und schrieb desshalb an Ha'gga'g. Dieser hatte unterdess nach 'Orwa suchen lassen und als er nicht gefunden wurde, meldete er dem Chalifen, 'Orwa habe den Tempelschatz an sich genommen und sei damit geflohen. Der Chalif antwortete: er ist nicht geflohen, sondern zu mir gekommen und hat mir gehuldigt; ich habe ihm Sicherheit versprochen und ihn fur alles Geschehene begnadigt. 'Orwa kam nach einer Abwesenheit von 30 Tagen (oder 20 und etlichen Tagen) nach Mekka zuruck, el-Ha'g'ga'g liess den Leichnam des Abdallah von dem Holze abnehmen und schickte ihn seiner Mutter; sie wollte ihn waschen, aber er fiel, als das Wasser daran kam, auseinander, sie wusch nun die Glieder einzeln, legte sie dann zusammen, 'Orwa hielt eine Leichenrede und sie begrub ihn.

'Orwa wohnte dann wieder in Medina, wo er wegen seiner Gelehrsamkeit in hohem Ansehen stand; er war einer der sieben grossen Rechtsgelehrten, welche gleichzeitig dort lebten und soll der erste gewesen sein, welcher über die Feldzuge Muhammeds geschrieben hat. Hag'i Chalfa No. 12464. — Er kam noch einmal unter dem Chalifen el-Walid ben Abd el-Malik (reg. 86—96) nach Damascus; er litt an einem Knochenfrass und musste sich einen Fuss abnehmen lassen. Dies geschah in Gegenwart des Chalifen, welcher eben mit einem anderen in ein Gespräch verwickelt war; 'Orwa rührte sich nicht und ertrug die Operation ohne eine Miene zu verziehen so standhaft, dass der Chalif nichts davon merkte, bis er durch den Geruch der gebrannten Wunde darauf aufmerksam wurde. 'Orwa lebte danach noch acht Jahre und starb auf seinem Landgute zu el-Fur' vier Meilen von Medina auf dem Wege nach Mekka, wo er auch begraben wurde, im J. 94. Fruhere Jahre 91, 92 oder 93, welche auch angegeben werden, konnen nicht richtig sein, wenn er nach Walids Thronbesteigung im J. 86 in Damascus war und dann noch acht Jahre lebte; es werden sonst noch die Jahre 95, 99, 100 und 101 angegeben.

Von ihm hat der Brunnen Bir 'Orwa den Namen, welchen er auf dem von ihm angekauften Landgute in el-'Akik bei Medina neben dem von ihm erbauten Schlosse Cacr el-'Akik hatte anlegen lassen. Das kostliche Wasser dieses Brunnen war weit und breit beruhmt und wird von den Dichtern oft erwähnt; Pilger und Reisende, die dort vorüber kamen, fullten damit ihre Schlauche fur die Reise und fur ihre F'amilien daheim. Die Besitzung blieb lange Zeit in der Familie Zubeir, noch Bakkar ben Abdallah (VII, 43) sandte einige Kruge mit diesem Wasser an den Chalifen Harun el-Raschid, als er sich in Racca aufhielt. Ibn Challik&n vit. No. 427. Ibn Coteiba pag. 114. Nawawi pag. 420. Tabacdt el-Huff. II. 26. Ibn el-AtMr IV. 290.

'Orwa wird in der Geschichte der Frommen unter diese gerechnet und von seinen Grundsatzen und Ansichten einiges mitgetheilt, z. B. Ofter habe ich das Wort eines verworfenen Menschen geduldig ertragen, es hat fur mich auf lange Zeit besondere Ehren zur Folge gehabt. — Wenn du von einem Manne etwas Schones siehst, so sei uberzeugt, dass er zu Ahnlichem fähig ist, und wenn du von ihm etwas Schlechtes siehst, so sei überzeugt, dass er zu Ähnlichem fähig ist; denn das Schone lasst auf etwas Ahnliches schliessen, sowie das Schlechte auf etwas Ahnliches schliessen lasst. — Wenn die Zeit der Firnte kam, Hess 'Orwa die Umzaunungen seiner Garten abbrechen und gestattete Jedem einzutreten, zu essen und mit sich zu nehmen, und wenn er selbst eintrat, wiederholte er bestandig den Koranspruch Sure XVIII, 37: Und wolltest du nicht, wenn du deinen Garten betrittst, sagen: Was Gott will! es ist keine Macht ausser bei Gott. — Nach der Amputation seines Pusses in Damascus, so erzahlt sein Sohn Hischam, wurde einer seiner Sohne beim Betreten eines Stalles von einem Pferde so geschlagen, dass er starb; man horte hieruber von 'Orwa nicht ein Wort, bis er nach Medina kam, da sprach er: o Gott! ich hatte vier aussere Gliedmassen, du hast mir eins genommen und drei ubrig gelassen, dir sei Lob! und ich hatte vier Sohne 1), du hast mir einen genommen und drei ubrig gelassen, dir sei Lob! o mein Gott! wenn du nimmst, lassest du auch noch ubrig und wenn du heimsuchst, behutest du noch ofter. — Maslama ben Muharib erzahlt: Als ihm der Fuss abgenommen wurde, brauchte ihn Niemand zu halten, und seine Anwesenheit bei dem Chalifen wurde dadurch in jener Nacht nicht unterbrochen. Von el-Auzaf ist uberliefert: Als ihm das Bein abgesagt wurde, sprach er: o Gott! du weisst, dass ich mit ihm nie einen Schritt zu etwas Schlechtem gethan habe. — 'Orwa sah einen Mann beten, der es kurz abmachte, da rief er ihn an: Hast du denn gegen deinen Herrn gar keinen Wunsch zu aussern? ich wenigstens bitte Gott in meinem Gebet um Alles, selbst um das Salz. — Der Arabische Text hiervon ist: ....

1) Noch mehr zu verwundern ist, dass die beiden anderen Sohne des Zubeir, Abdallah und Muc'ab, ihre Arabische Natur soweit verleugneten, dass sie den Morder ihres Vaters, als er in ihre Gewalt kam , wieder in Freiheit setzten, anstatt an ihm Rache zu nehmen. Ibn Gurmuz war namlich zu Muc'ab gekommen, um sich mit ihm auszusohnen; er warf ihn ins Gefangniss und meldete dies seinem Bruder Abdallah. Dieser schrieb ihm wieder aus Angst den Anhang eines machtigen Stammes zu verlieren: Wehe, was hast dugethan! glaubst du, dass ich einen Araber vom Stamme Tamim todten wurde, um Zubeir zu rachen? setz' ihn in Freiheit. — Er that es. Agani XVI, 132.

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