Erstes Kapitel - Umwälzungen in Persien
(Anmerkung der
Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen
sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als
Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die
Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der
Westlichen Welt auf den
Islam geblickt worden ist.)
Absetzung des Tyrannen Hormuz. – Usurpation
Bahrams. – Flucht und Wiedereinsetzung Chosroes II. – Seine
Dankbarkeit gegen die Römer. – Der Chagan der Avaren. –
Empörung des Heeres gegen Mauritius. – Sein Tod. – Tyrannei
des Phocas. – Erhebung des Heraklius. – Der persische Krieg. –
Chosroes unterjocht Syrien, Ägypten und Kleinasien. –
Belagerung von Konstantinopel durch die Perser und Avaren. –
Feldzüge gegen Persien. – Sieg und Triumph des Heraklius
Der Kampf zwischen Rom und Persien verlängerte sich vom
Tode des Crassus bis zur Regierung des Heraklius.
Siebenhundertjährige Erfahrung hätte die eifersüchtigen
Nationen von der Unmöglichkeit überzeugen sollen, ihre
Eroberungen jenseits der ihnen vom Schicksal bestimmten
Grenzen des Tigris und des Euphrats zu behaupten. Aber der
Wetteifer Trajans und Julians wurde durch die Trophäen
Alexanders angestachelt, und die Beherrscher von Persien
hegten die ehrgeizige Hoffnung, das Reich des Cyrus
wiederherzustellen. So außerordentliche Anstrengungen der
Macht und des Mutes werden stets die Aufmerksamkeit der
Nachwelt fesseln; aber die Ereignisse, durch die das Schicksal
der Nationen nicht wesentlich verändert wird, hinterlassen nur
einen schwachen Eindruck in der Geschichte und die Geduld des
Lesers würde durch die Wiederholung des Einerleis von
Feindseligkeiten ermüdet werden, die ohne Ursache begonnen,
ohne Ruhm fortgesetzt und ohne Wirkung beendet wurden. Die dem
einfach denkenden Senate und der Größe der Cäsaren unbekannten
Künste der Unterhandlung wurden von den byzantinischen Fürsten
emsig gepflegt. Ihre Denkschriften über die Gesandtschaften
reden gleichförmig immer nur mit Falschheit und Schönrednerei
von dem Übermut der Barbaren und dem knechtischen Charakter
der zinspflichtigen Griechen. Ich habe mich bestrebt, die
Darstellung dieser uninteressanten Vorgänge zusammenzudrängen.
Der gerechte Nushirwan wird zwar noch immer als das Muster
orientalischer Könige gepriesen, doch die Ehrsucht seines
Enkels Chosroes bereitete die Umwälzung des Morgenlandes vor,
die durch die Waffen und die Religion der Nachfolger Mohammeds
schleunigst bewerkstelligt wurde.
Griechen und Barbaren warfen einander in unnützen
Wortstreitigkeiten gegenseitig die Verletzung des Friedens
vor, der ungefähr vier Jahre vor dem Tode Justinians zwischen
den beiden Reichen geschlossen worden war. Der Souverän von
Persien und Indien strebte die Provinz Yemen oder Arabia Felix
unter seihe Herrschaft zu bringen, das Land der Myrrhen und
des Weihrauchs, das den Eroberern des Orients zu entlegen war,
als daß es den gleichen Widerstand geleistet hätte. Nach der
Niederlage Abrahahs unter den Mauern von Mekka verschaffte die
Zwietracht seiner Söhne und Brüder den Persern leicht Eingang;
sie jagten die Fremdlinge aus Abessinien über das Rote Meer
zurück, und ein eingeborener Fürst der alten Homeriten wurde
als Vasall oder Vizekönig des großen Nushirwan wieder auf den
Thron gesetzt. Aber der Neffe Justinians erklärte seinen
Entschluß, die Unbilden seines christlichen Verbündeten, des
Fürsten von Abessinien, zu rächen, weil ihm dies einen Vorwand
gab, die Zahlung des jährlichen, durch den Namen eines
Gehaltes nur zu armselig verschleierten Tributes,
einzustellen. Die Kirchen von Persarmenien wurden durch die
unduldsamen Magier unterdrückt; sie riefen insgeheim den
Beschützer der Christen an, und nach dem als fromm angesehenen
Morde an ihren Satrapen wurden die Empörer offen als Brüder
und Untertanen des römischen Kaisers anerkannt und
unterstützt. Die Klagen Nushirwans blieben von dem
byzantinischen Hofe unbeachtet, Justinus gab dem Drängen der
Türken nach, die ein Bündnis gegen den gemeinsamen Feind
antrugen, und zu gleicher Zeit wurde die persische Monarchie
von den vereinten Streitkräften von Europa, Skythien und
Äthiopien bedroht. Als achtzigjähriger Greis würde der
Souverän des Ostens vielleicht den friedlichen Genuß seines
Ruhmes und seiner Größe vorgezogen haben; sobald der Krieg
aber unvermeidlich geworden, zog er mit der frischen Kraft der
Jugend ins Feld, während der Angreifer im Palaste von
Konstantinopel zitterte. Nushirwan oder Chosroes leitete in
Person die Belagerung von Dara, und obwohl diese wichtige
Festung von Truppen und Vorräten entblößt worden war,
widerstanden doch die tapferen Einwohner über fünf Monate den
Bogenschützen, Elefanten und Kriegsmaschinen des Großkönigs.
Inzwischen rückte sein Feldherr Adarman von Babylon vor,
durchzog die Wüste, ging über den Euphrat, griff die Vorstädte
von Antiochien an, verwandelte die Stadt Apamea in Asche und
brachte die Beute von Syrien seinem Gebieter, dessen
Beharrlichkeit mitten im Winter endlich das Bollwerk des
Ostens stürzte. Aber diese Verluste, welche die Provinzen und
den Hof in Bestürzung versetzten, brachten eine heilsame
Wirkung, die Reue und Abdankung des Kaisers Justinus, hervor;
ein neuer Geist belebte den byzantinischen Rat und durch die
Klugheit des Tiberius kam ein dreijähriger Waffenstillstand
zustande. Diese willkommene Ruhezeit wurde zu Kriegsrüstungen
benutzt und es lief das Gerücht durch die Welt, daß aus den
fernen Ländern jenseits der Alpen und des Rheins, aus Skythien,
Mösien, Pannonien, Illyrien und Isaurien die kaiserliche
Reiterei um hundertfünfzigtausend Krieger verstärkt worden
sei. Der König von Persien aber beschloß, ohne Furcht oder
ohne Worttreue dem Angriffe seines Feindes zuvorzukommen, ging
abermals über den Euphrat und gebot hochmütig den Gesandten
des Tiberius, indem er sie fortschickte, seine Ankunft in
Cäsarea, der Hauptstadt der kappadozischen Provinzen, zu
erwarten. Die beiden Heere trafen in der Schlacht von Melitene
aufeinander. Die Barbaren, die Luft mit einem Pfeilregen
verdunkelnd, verlängerten ihre Linie und dehnten ihre Flügel
über die Ebene aus, während die Römer in tiefen und gedrängten
Haufen im Handgemenge durch die Wucht ihrer Schwerter und
Lanzen die Oberhand zu behalten hofften. Ein skythischer
Anführer, der ihren rechten Flügel befehligte, schwenkte
plötzlich um die Flanke des Feindes, griff dessen Nachhut im
Angesichte Chosroes an, drang in die Mitte des Lagers,
plünderte das königliche Zelt, entweihte das ewige Feuer und
belud einen Zug Kamele mit der Beute Asiens. Dann brach er
sich Bahn durch die persischen Scharen und kehrte mit
Siegesgesängen zu seinen Freunden zurück, die den Tag in
Einzelgefechten oder unerheblichen Scharmützeln hingebracht
hatten. Die Finsternis der Nacht und die getrennte Aufstellung
der Römer gaben dem persischen Monarchen Gelegenheit zur Rache
und eines ihrer Lager wurde durch einen schnellen und
ungestümen Angriff vernichtet. Aber der Verlust und das
Bewußtsein der Gefahr veranlaßten Chosroes zu einem
schleunigen Rückzuge; er verbrannte auf seinem Marsche die
leere Stadt Melitene und schwamm, ohne für die Sicherheit
seiner Truppen Sorge zu tragen, auf dem Rücken eines Elefanten
sitzend, kühn über den Euphrat. Nach diesem unglücklichen
Feldzuge zwang ihn der Mangel an Lebensmitteln und vielleicht
auch ein Einbruch der Türken, seine Streitkräfte aufzulösen
oder zu teilen. Die Römer blieben Meister des Feldes. Ihr
Feldherr Justinian zog den persarmenischen Rebellen zu Hilfe
und pflanzte seine Fahne an den Ufern des Araxes auf. Der
große Pompejus hatte drei Tagemärsche vom Kaspischen Meere
Halt gemacht; dieses Binnenmeer wurde zum ersten Male von
einer feindlichen Flotte befahren und siebzigtausend Gefangene
wurden aus Hyrkanien nach der Insel Zypern geschafft. Bei
Wiederkehr des Frühlings stieg Justinian in die fruchtbaren
Ebenen von Assyrien nieder, der Krieg näherte sich der
Residenz Nushirwans. Der entrüstete Monarch starb bald darauf
(579). Sein letztes Gesetz verbot seinen Nachfolgern, ihre
Person in einer Schlacht gegen die Römer auszusetzen.
Den Thron des Chosroes Nushirwan bestieg Hormuz oder
Hormisdas, der älteste oder bevorzugteste seiner Söhne. Mit
den Königreichen Persien und Indien erbte er den Ruhm und den
Mut seines Vaters und erlangte die Dienste erfahrener und
tapferer Beamten jedes Ranges und ein allgemeines
Verwaltungssystem, das Zeit und politische Klugheit in jeder
Weise festgefügt hatten, um das Glück des Fürsten und des
Volkes zu fördern. Aber der junge König erfreute sich eines
noch wertvolleren Schatzes, nämlich der Freundschaft eines
Weisen, der seine Erziehung geleitet hatte und stets die Ehre
dem Interesse seines Zöglings und dieses seiner Neigung
vorzog. In einem Streite mit den griechischen und indischen
Philosophen hatte Buzurg einst behauptet, daß größte Unglück
im Leben sei ein hohes Alter ohne Erinnerung an ein
tugendhaftes Leben, und wir dürfen mit Grund annehmen, daß ihn
dieser Grundsatz antrieb, drei Jahre hindurch die
Angelegenheiten des persischen Reiches zu leiten. Sein Eifer
wurde durch die Gelehrigkeit und Dankbarkeit des Hormuz
belohnt, der selbst gestand, daß er seinem Lehrer mehr
verpflichtet sei als seinem Vater. Als aber Alter und
Anstrengung seine körperlichen und vielleicht auch seine
geistigen Fähigkeiten geschwächt hatten, zog sich der kluge
Ratgeber vom Hofe zurück und überließ den jungen Monarchen
seinen eigenen Leidenschaften und denen seiner Günstlinge.
Infolge des unheilschwangeren Wechsels menschlicher Triebe
erneuerten sich zu Ktesiphon dieselben Szenen, die sich in Rom
nach dem Tode des Marcus Antonius ereigneten. Die von dem
Vater verbannten Schmeichler und sittenlosen Kreaturen wurden
von dem Sohne zurückberufen und geliebt, die Ungnade und
Verweisung der Freunde Nushirwans befestigte ihre Tyrannei und
die Tugend wurde allmählich aus der Seele des Hormuz, aus
seinem Palaste und aus der Regierung des Staates vertrieben.
Die treuen Kundschafter, die Augen und Ohren des Königs,
setzten ihn von den Fortschritten der Unordnung in Kenntnis
und berichteten, daß sich die vornehmsten Statthalter wie
Löwen und Adler auf ihre Beute stürzten und daß ihre Raubtaten
und Ungerechtigkeiten auch die treuesten Untertanen dahin
brächten, Namen und Macht ihres Souveräns zu verabscheuen.
Diese aufrichtigen Mitteilungen wurden mit dem Tode bestraft,
das Gemurre der Städter verachtet und der Aufruhr durch ein
kurzes Militärverfahren unterdrückt. Die vermittelnden
Behörden zwischen Thron und Volk wurden abgeschafft, und
kindische Eitelkeit ließ Hormuz, der die Tiara alltäglich
trug, häufig sagen, er allein wolle ebenso der Richter wie der
Herr seines Reiches sein. In jedem Worte, jeder Handlung wich
Nushirwans Sohn von der Art seines Vaters ab. In seiner
Habsucht betrog er die Truppen und in launenhafter Eifersucht
setzte er die Satrapen ab. Der Palast, die Gerichtshöfe, die
Gewässer des Tigris waren von dem Blute Unschuldiger befleckt,
und der Tyrann freute sich der Leiden und über die Hinrichtung
von dreizehntausend Opfern. Er ließ sich zuweilen, um seine
Grausamkeit zu entschuldigen, zu der Bemerkung bewegen, daß
die Besorgnisse der Perser Haß erzeugen und ihr Haß mit
Empörung enden müsse; aber er vergaß, daß seine eigene Schuld
und Torheit die Gefühle eingeflößt hatten, die er beklagte und
das Ereignis vorbereiteten, das er mit so viel Recht
fürchtete. Durch lange Tyrannei erbittert, hißten die
Provinzen Babylonien, Susa und Carmanien die Fahne des
Aufruhrs und die Fürsten von Arabien, Indien und Skythien
verweigerten Nushirwans unwürdigem Nachfolger den gewöhnlichen
Tribut. Die Römer suchten durch langsame Belagerungen und
häufige Einfälle die Grenzen von Mesopotamien und Assyrien
heim; einer ihrer Feldherren gebärdete sich als Schüler
Scipios und die Soldaten wurden durch ein Bild Christi zum
Kriege gereizt, dessen mildes Antlitz vor einer Schlachtlinie
nicht hätte gezeigt werden sollen. Zu gleicher Zeit ging der
Großkhan an der Spitze von drei- oder vierhunderttausend
Türken über den Oxus und überzog die östlichen Provinzen mit
Krieg. Der unkluge Hormuz nahm ihre treulose und furchtbare
Hilfe an. Die Städte von Khorasan oder Baktrien erhielten
Befehl, ihre Tore zu öffnen. Der Marsch der Barbaren gegen die
Gebirge von Hyrkanien war also ein Beweis für das
Einverständnis der Türken und Römer, deren Vereinigung den
Thron des Hauses Sassan hätte stürzen müssen.
Persien war von einem Könige ins Verderben gestürzt worden,
es wurde von einem Helden gerettet. Varanes oder Bahram wurde
nach seiner Empörung von dem Sohne des Hormuz ein undankbarer
Sklave genannt, ein hochmütiger und ungerechter Vorwurf des
Despoten, da er in der Tat von den alten Fürsten von Rei
abstammte, eine der sieben Familien, deren glänzende und
wertvolle Vorrechte sie über die Häupter des persischen Adels
erhoben. Bei der Belagerung von Dara hatte sich Bahram durch
Tapferkeit unter Nushirwan ausgezeichnet, und er war sowohl
vom Vater als vom Sohne nacheinander zum Kommando von Armeen,
zur Statthalterschaft von Medien und zur Oberaufsicht des
Palastes befördert worden. Die im Volke umlaufende
Prophezeiung, die ihn als den Retter Persiens bezeichnete,
mochte wohl durch seine früheren Taten und durch seine
außerordentliche Gestalt eingegeben worden sein. Der Beiname
Giubin drückt die Eigenschaft des trockenen Holzes aus; er
besaß Stärke und Wuchs eines Riesen und man liebte es, sein
grimmiges Antlitz mit dem einer wilden Katze zu vergleichen.
Während das Volk zitterte, während Hormuz seinen Schreck durch
das Wort Verdacht verschleierte und seine Diener ihre
Abneigung unter der Maske der Furcht verbargen, zeigte Bahram
allein seinen unerschrockenen Mut und seine scheinbare Treue,
und als er sah, daß ihm nur zwölftausend Soldaten gegen den
Feind folgen wollten, erklärte er kühn, daß der Himmel dieser
geweihten Anzahl den Sieg vorbehalten habe. Die steilen und
engen Abhänge des Pule Rudbar oder hyrkanischen Felsens sind
der einzige Paß, durch den ein Heer in das Gebiet von Rei und
die Ebenen von Medien dringen kann. Von den beherrschenden
Höhen konnte ein Häuflein entschlossener Männer durch Steine
und Pfeile die Myriaden der türkischen Heerscharen
überwältigen; ihr Kaiser und sein Sohn wurden von Pfeilen
durchschossen, und die Flüchtlinge blieben ohne Rat und
Mundvorräte der Rache eines beleidigten Volkes überlassen. Der
Patriotismus des persischen Feldherrn wurde aus Vorliebe für
die Stadt seiner Altvordern angeregt. In der Stunde der Gefahr
war jeder Bauer ein Soldat und jeder Soldat ein Held, und ihr
Eifer wurde noch durch den prächtigen Anblick von Betten,
Thronen und Tischen aus massivem Gold, die Beute Asiens und
die Üppigkeit des feindlichen Lagers entzündet. Auch ein Fürst
von minder bösartigem Charakter hätte seinem Wohltäter nicht
leicht verzeihen können. Der geheime Haß des Hormuz aber wurde
noch durch den boshaften Bericht vergiftet, daß Bahrain
insgeheim die kostbarsten Früchte des Sieges über die Türken
für sich behalten habe. Allein das sich von der Seite des
Araxes nähernde römische Heer zwang den unversöhnlichen
Tyrannen zu freundlichem Lobe, und die Mühen Bahrains wurden
durch die Erlaubnis belohnt, einem neuen durch Kriegskunst und
Heereszucht furchtbareren Feinde, als es die skythischen
Scharen gewesen waren, entgegen zu ziehen. Durch seinen noch
frischen Sieg stolz gemacht, schickte er einen Herold mit
einer trotzigen Herausforderung in das Lager der Römer und
verlangte, daß sie einen Tag zur Schlacht bestimmen und wählen
sollten, ob sie selbst über den Fluß gehen oder den
Streitkräften des Großkönigs freien Übergang gestatten
wollten. Der Feldherr des Kaisers Mauritius zog das für ihn
Vorteilhaftere vor, und dieser Umstand, der den Sieg der
Perser hätte erhöhen sollen, machte ihre Niederlage nur umso
blutiger und entscheidender. Aber die Schmach seines
persönlichen Feindes überwog den Verlust an Untertanen und die
Gefahr des Reiches in der Seele des Hormuz, und kaum hatte
Bahram seine Streitkräfte wieder gesammelt und gemustert, so
empfing er durch einen königlichen Boten das schimpfliche
Geschenk einer Spindel, eines Spinnrades und eines
vollständigen Frauenanzuges. Gehorsam dem Willen seines
Souveräns zeigte er sich den Soldaten in dieser unwürdigen
Vermummung. Sie empfanden die Schmach als ihre eigene, der Ruf
der Empörung lief durch die Reihen und sie schworen ihrem
Feldherrn Treue und dem König Rache. Ein zweiter Bote, der den
Befehl hatte, den Rebellen in Ketten zu bringen, wurde von
einem Elefanten zertreten. Man setzte emsig Manifeste in
Umlauf, welche die Perser aufforderten, ihre Freiheit gegen
einen hassenswerten und verächtlichen Tyrannen zu verteidigen.
Der Abfall ging schnell vor sich und war allgemein; seine
treuen Sklaven wurden der Volkswut geopfert, die Truppen
gingen zu Bahrams Fahne über und die Provinzen begrüßten ihn
abermals als Befreier seines Vaterlandes.
Da die Pässe treu bewacht wurden, konnte Hormuz die Zahl
seiner Feinde nur nach seinem Gewissen und dem täglichen
Abfalle derjenigen berechnen, die in den Stunden seiner
Bedrängnis ihre Unbilden rächten oder ihre Verpflichtungen
vergaßen. Er entfaltete stolz die Abzeichen der königlichen
Würde, aber Stadt und Land von Modain waren bereits den Händen
des Tyrannen entwunden. Unter den Opfern seiner Grausamkeit
war Bindoes, ein sassanidischer Fürst, in den Kerker geworfen
worden. Er brach mit Hilfe seines mutigen Bruders seine
Fesseln und stand an der Spitze jener nun ihm treuen Wachen,
die zu seinen Kerkermeistern, vielleicht zu seinen Henkern
gewählt worden waren. Durch das plötzliche Eindringen und die
kühnen Vorwürfe des Gefangenen in Bestürzung versetzt, suchte
Hormuz Rat und Beistand in seiner Umgebung, aber umsonst; er
entdeckte endlich, daß seine Macht im Gehorsam gegen andere
bestand und folgte geduldig Bindoes, der ihn vom Throne in
denselben Kerker schleppte, den er noch vor so kurzer Zeit
innegehabt hatte. Während der ersten Wirren entfloh Chosroes,
der älteste von Hormuz Söhnen, aus der Stadt; er ließ sich
aber durch die dringende und freundliche Aufforderung Bindoes,
der versprach, ihn auf den Thron seines Vaters zu erheben, zur
Rückkehr bewegen. In der gerechten Zuversicht, daß seine
Mitschuldigen weder selbst verzeihen, noch auf Verzeihung
hoffen könnten, und daß man jedem Perser als dem Richter und
Feinde des Tyrannen trauen dürfe, hielt er ein öffentliches in
den Annalen des Ostens sowohl vorher als nachher unerhörtes
Gericht. Der Sohn Nushirwans, der gebeten hatte, zu seiner
eigenen Verteidigung sprechen zu dürfen, wurde als Verbrecher
in die Versammlung der Edlen und Satrapen geführt. Man hörte
ihm mit Aufmerksamkeit zu, solange er sich über die Vorteile
der Ordnung und des Gehorsams, die Gefahr der Neuerungen und
die unvermeidliche Zwietracht derjenigen verbreitete, die sich
gegenseitig aufgemuntert hatten, ihren rechtmäßigen und
erblichen Souverän abzusetzen. Durch eine pathetische Berufung
auf ihre Menschlichkeit nötigte er ihnen jenes Mitleid ab, das
einem gefallenen König nur selten versagt wird, und als sie
die herabwürdigende Stellung und das schmutzige Aussehen des
Gefangenen, seine Tränen, seine Ketten und die Spuren
schimpflicher Schläge sahen, konnten sie nicht umhin sich zu
erinnern, vor wie kurzer Zeit sie noch den göttlichen Glanz
seines Diadems und Purpurs angebetet hatten. Ein zürnendes
Gemurmel erhob sich aber in der Versammlung, als er es wagte,
sein Benehmen zu rechtfertigen und die Siege seiner Regierung
zu preisen. Er setzte die Pflichten eines Königs auseinander,
und die persischen Großen hörten mit verächtlichem Lächeln zu.
Entrüstung überkam sie, als er sich erdreistete, den Charakter
Chosroes herabzusetzen und durch das unkluge Anerbieten auf
das Zepter zugunsten seines zweiten Sohnes Verzicht leisten,
unterzeichnete er seine eigene Verdammung und opferte das
Leben eines unschuldigen Kindes. Die verstümmelten Leichen des
Knaben und seiner Mutter wurden öffentlich zur Schau gestellt,
die Augen des Hormuz mit einem glühenden Drahte ausgebrannt,
und auf die Bestrafung des Vaters folgte die Krönung seines
ältesten Sohnes. Chosroes hatte den Thron ohne Schuld
bestiegen und er bestrebte sich mitleidig, das Elend des
abgesetzten Monarchen zu erleichtern. Er ließ Hormuz aus dem
Kerker in den Palast bringen, sorgte freigebig für seine
sinnlichen Vergnügungen und ertrug mit Geduld die wütenden
Ausbrüche seines Zornes und seiner Verzweiflung. Den Zorn
eines blinden und verhaßten Tyrannen konnte er allerdings
verachten, aber die Tiara schwankte auf seinem Haupte, solange
es ihm nicht gelang, die Macht des großen Bahram, der
unbeugsam die Rechtmäßigkeit einer Umwälzung, wobei er und
seine Soldaten, Persiens echte Stellvertreter, gar nicht zu
Rate gezogen worden waren, in Abrede stellte, entweder zu
stürzen oder seine Freundschaft zu erwerben. Dem Anerbieten
einer allgemeinen Amnestie und des zweiten Ranges im
Königreich antwortete in einem Schreiben Bahram, der Freund
der Götter, Besieger der Menschen, Feind der Tyrannen, Satrap
der Satrapen, Feldherr der persischen Heere und eines mit den
elf Tugenden geschmückten Fürsten. Er gebot Chosroes, dem
Sohne des Hormuz, das Beispiel und Schicksal seines Vaters zu
vermeiden, die Verräter, die von ihren Ketten befreit wurden,
wieder einzukerkern, an irgendeinem heiligen Orte das Diadem,
das er usurpiere, niederzulegen und von seinem gnadenreichen
Wohltäter Verzeihung seiner Fehler und die Statthalterschaft
einer Provinz anzunehmen. Der Rebell war nicht stolz und der
König gewiß nicht demütig; aber jener handelte im Bewußtsein
seiner Macht, dieser fühlte seine Schwäche und selbst die
bescheidene Sprache in seiner Antwort ließ noch Raum zur
Unterhandlung und Versöhnung. Chosroes führte die Sklaven des
Palastes und den Pöbel der Hauptstadt ins Feld; sie erblickten
mit Entsetzen die Banner eines alterprobten Heeres, wurden
durch die schnellen Bewegungen des Feldherrn eingeschlossen
und überrumpelt, und die Satrapen, die Hormuz abgesetzt
hatten, empfingen die Strafe für ihre Empörung oder sühnten
ihren ersten Verrat durch ein noch größeres Verbrechen der
Treulosigkeit. Leben und Freiheit des Chosroes wurden
geschont, aber er sah sich in die Notwendigkeit versetzt, in
einem fremden Lande um Hilfe oder einen Zufluchtsort zu
flehen. Der unversöhnliche Bindoes kehrte in dem Bestreben,
sich unwiderruflich Anspruch auf den Thron zu erwerben, eilig
in den Palast zurück und machte (590) durch einen Bogenschuß
dem elenden Dasein des Sohnes Nushirwans ein Ende.
Während Chosroes die Vorbereitungen zu seinem Abzuge
beschleunigte, beratschlagte er mit seinen noch übrigen
Freunden, ob er in den Tälern des Kaukasusgebirges ein
Versteck suchen oder zu den Zelten der Türken fliehen oder den
Kaiser um Schutz anflehen sollte. Der lange Kampf der
Nachfolger des Artaxerxes und Konstantin erhöhte sein
Widerstreben an einem nebenbuhlenden Hofe als Bittender zu
erscheinen. Er schätzte einigermaßen die Streitkräfte der
Römer nach ihrer Stärke und bedachte klug, daß die Nähe von
Syrien sein Entkommen erleichtern und ihre Hilfe wirksamer
machen müsse. Nur von seinen Haremsfrauen und dreißig Soldaten
der Leibwache begleitet, verließ er heimlich die Hauptstadt,
folgte den Ufern des Euphrat, durchzog die Wüste und machte in
einer Entfernung von zehn Meilen vor Circesium Halt. Um die
dritte Nachtwache wurde der römische Präfekt von seiner
Annäherung unterrichtet und geleitete den königlichen Fremden
mit Anbruch des Tages in die Festung. Von da wurde der König
von Persien nach der Residenz Hierapolis geführt, und
Mauritius zeigte sich bei Empfang des Schreibens und der
Gesandten des Enkels Nushirwans weder stolz noch hart, sondern
bewies ihm sein Wohlwollen. Sie stellten ihm demütig die
Wechselfälle des Glückes und das gemeinsame Interesse der
Fürsten vor, übertrieben die Undankbarkeit Bahrams, des
Werkzeugs des bösen Geistes, und machten mit glänzenden
Gründen geltend. daß es im Interesse der Römer selbst liege,
die beiden Monarchien zu stützen, welche die Welt im
Gleichgewichte halten, die beiden großen Lichtkörper, durch
deren heilsamen Einfluß sie belebt und geschmückt werde. Die
peinliche Ungewißheit Chosroes wurde bald durch die
Zusicherung behoben, daß der Kaiser die Sache der
Gerechtigkeit und des Königtums zur seinigen gemacht habe.
Mauritius lehnte aber kluger Weise der großen Ausgabe wegen
seinen nutzlosen Besuch in Konstantinopel ab. Dem flüchtigen
Fürsten wurde im Namen seines edelmütigen Wohltäters ein
reiches Diadem und ein unschätzbares Geschenk an Juwelen und
Gold übergeben; ein zahlreiches Heer wurde an den Grenzen von
Syrien und Armenien unter dem Befehle des tapferen und
getreuen Narses zusammengezogen. Dieser Feldherr, der sich
selbst erboten hatte und vom Volke bestätigt worden war, wurde
angewiesen, über den Tigris zu gehen und sein Schwert nicht
eher in die Scheide zu stecken, als bis er Chosroes wieder auf
den Thron seiner Ahnen gesetzt hätte. Die Unternehmung war
trotz ihres Glanzes minder schwierig als es scheinen mochte.
Persien bereute bereits die verderbliche Unbesonnenheit, die
den Erben des Hauses Sassan einem ehrgeizigen, rebellischen
Untertanen verraten hatte, und die kühne Weigerung der Magier,
seine Usurpation zu heiligen, zwang Bahrain, das Zepter, ohne
Rücksicht auf die Gesetze oder Vorurteile der Nation, zu
ergreifen. Der Palast wurde bald durch Verschwörung, die Stadt
und die Provinzen durch Aufruhr zerrüttet, und die grausame
Hinrichtung der Schuldigen und Verdächtigen diente mehr zur
Steigerung als zur Dämpfung der öffentlichen Unzufriedenheit.
Kaum hatte der Enkel Nushirwans jenseits des Tigris seine
eigenen und die römischen Fahnen entfaltet, als jeden Tag
stets zunehmende Scharen der Edlen und des Volkes zu ihm
stießen. Wie er vorrückte, empfing er von allen Seiten das
willkommene Anerbieten zur Auslieferung der Schlüssel der
Städte und der Häupter seiner Feinde. Sowie Modain von der
Gegenwart des Usurpators befreit war, gehorchten die treuen
Einwohner der ersten Aufforderung des Mebodes an der Spitze
von nur zweitausend Reitern. Chosroes empfing den geheiligten
und kostbaren Schmuck des Palastes als Pfand ihrer
Aufrichtigkeit und als Zeichen seines herannahenden Triumphes.
Nach der Vereinigung der kaiserlichen Truppen, die Bahram
vergeblich zu hindern bestrebt gewesen war, wurde der Kampf in
zwei Schlachten an den Ufern des Zab und an den Grenzen von
Medien entschieden. Die Römer waren mit den getreuen
Untertanen von Persien sechzigtausend Mann stark, während die
Streitmacht des Usurpators sich nur auf vierzigtausend belief;
die beiden Feldherren bewiesen ihre Geschicklichkeit und
Tapferkeit, der Sieg wurde aber zuletzt durch das Übergewicht
der Zahl und Heereszucht entschieden. Mit dem Reste einer
geschlagenen Armee floh Bahram nach den östlichen Provinzen am
Oxus. Die Feindschaft der Perser versöhnte ihn mit den Türken;
aber seine Tage waren durch Gewissensbisse und Verzweiflung
und durch das Andenken verlorenen Ruhmes vergiftet, vielleicht
das schrecklichste aller Gifte, die das Leben verkürzen. Die
jetzigen Perser preisen indes noch heute Bahrains Taten- und
einige treffliche Gesetze haben seine stürmische und kurze
Regierung überdauert.
Die Wiedereinsetzung Chosroes (591) wurde durch Feste und
Hinrichtungen gefeiert und die Musik des königlichen Bankettes
häufig durch das Stöhnen sterbender und verstümmelter
Verbrecher gestört. Eine allgemeine Amnestie hatte zwar Trost
und Ruhe über ein Land, das durch die neuerlichen Umwälzungen
erschüttert worden war, gebracht. Bevor man aber den
blutdürstigen Charakter Chosroes tadelt, sollte man zuerst
untersuchen, ob die Perser nicht gewohnt waren, die Strenge
ihres Souveräns zu fürchten oder seine Schwächen zu verachten.
Die Empörung Bahrams und die Verschwörung der Satrapen wurden
durch den rächenden oder gerechten Sieger ohne Unterschied
bestraft; selbst Bindoes Verdienste vermochten seine Hand von
der Schuld, königliches Blut vergossen zu haben, nicht zu
reinigen und der Sohn des Hormuz wollte seine eigene Unschuld
erhärten und die Heiligkeit der Könige kräftigen. Während der
römischen Herrschaft waren mehrere Fürsten durch die Waffen
und die Macht der ersten Kaiser auf den persischen Thron
gesetzt worden. Ihre neuen Untertanen wurden aber immer bald
der Laster oder Tugenden überdrüssig, die sie im Auslande
eingesogen hatten, und die Untätigkeit ihrer Herrschaft gab zu
dem Sprichworte Veranlassung, daß die Wahl Roms von dem
launenhaften Leichtsinne der orientalischen Sklaven mit
gleichem Eifer gesucht und verworfen würde. Aber der Ruhm des
Mauritius leuchtete während der langen und glücklichen
Regierung seines Sohnes und Bundesgenossen. Eine Schar von
tausend Römern, welche Chosroes zu bewachen fortfuhren, bewies
sein Vertrauen auf die Treue der Fremden; seine zunehmende
Macht setzte ihn in den Stand, diese unpopuläre Hilfe
aufzugeben, aber er bekannte unwandelbare Dankbarkeit und
Ehrfurcht für seinen Adoptivvater, und bis zum Tode des
Mauritius wurde der Frieden und das Bündnis zwischen den
beiden Reichen treulich bewahrt. Die Söldlingsfreundschaft des
römischen Fürsten jedoch war durch kostspielige und gewichtige
Geschenke erkauft worden. Die festen Städte Martyropolis und
Dara wurden zurückgegeben, ebenso wie die Gebiete der
Persarmenier, willige Untertanen des Reiches, dessen östliche
Grenzen sich weiter als in früheren Zeiten bis an die Ufer des
Araxes und die Nähe des Kaspischen Meeres ausdehnten. Man
hatte sich der frommen Hoffnung überlassen, daß sowohl die
Kirche als der Staat bei dieser Umwälzung triumphieren würden.
Wenn aber auch Chosroes den christlichen Bischöfen aufrichtig
Gehör geschenkt hatte, so wurde der Eindruck durch den Eifer
und die Beredsamkeit der Magier verwischt. War er dagegen mit
philosophischer Gleichgültigkeit bewaffnet, so modelte er
seinen Glauben oder vielmehr seine Bekenntnisse nach den
verschiedenen Einstellungen eines Verbannten und eines
Souveräns um. Die eingebildete Bekehrung des Königs von
Persien beschränkte sich auf eine lokale und abergläubische
Verehrung für Sergius, einen der Heiligen von Antiochia, der
seine Gebete erhörte und ihm im Traume erschien; er
bereicherte dessen Schrein mit Dankopfern in Gold und Silber
und schrieb seinem unsichtbaren Beschützer den Erfolg seiner
Waffen und die Schwangerschaft der Sira, einer frommen
Christin und der geliebtesten seiner Frauen, zu. Die Schönheit
der Sira oder Schirin, ihr Verstand und ihre musikalischen
Talente sind noch in der Geschichte oder vielmehr in den
Dichtungen der Orientalen berühmt; ihr Name drückt in der
persischen Sprache Lieblichkeit und Anmut aus, und der Beiname
Parviz spielt auf die Schönheit ihres königlichen Anbeters an.
Sira teilte jedoch nie die Leidenschaft, die sie einflößte,
und das Glück Chosroes wurde durch den eifersüchtigen Zweifel
gemartert, daß sie, während er ihre Person besaß, ihre Neigung
einem geringeren Geliebten zugewendet habe.
Während die Macht der Römer im Osten wieder auflebte,
bietet Europa ein minder erfreuliches und minder rühmliches
Schauspiel dar. Durch den Abzug der Langobarden und die
Vernichtung der Gepiden war das Gleichgewicht der Macht an der
Donau zerstört. Die Avaren dehnten ihre bleibende Herrschaft
vom Fuße der Alpen bis an die Küste des schwarzen Meeres aus.
Die Regierung Bajans ist die schönste Epoche ihrer Monarchie;
ihr Chagan, der den einfachen Palast Attilas bewohnte, scheint
dessen Charakter und Politik nachgeahmt zu haben; da sich aber
dieselben Szenen in einem kleineren Kreise wiederholten, würde
eine ausführliche Beschreibung der Größe und Neuheit des
Originals entbehren. Der Stolz des zweiten Justinus, des
Tiberius und Mauritius wurde durch einen Barbaren gedemütigt,
der schneller zur Hand war, die Gewalttaten des Krieges
auszuüben, als er selbst von ihnen erreicht werden konnte; und
so oft die persischen Waffen Asien bedrohten, wurde Europa
durch die gefährlichen Einfälle oder die kostspielige
Freundschaft der Avaren unterdrückt. Wenn die römischen
Gesandten sich der Residenz des Chagans näherten, erhielten
sie Befehl, vor dem Throne seines Zeltes zu harren, bis es ihm
vielleicht nach zehn oder zwölf Tagen gefiel, sie vorzulassen.
So oft das Wesen oder die Abfassung der Botschaft ihn
beleidigte, beschimpfte er mit wirklicher oder verstellter Wut
ihre eigene Würde und die ihres Fürsten; ihr Gepäck wurde
geplündert, und sie kamen mit dem Leben nur durch das
Versprechen eines reicheren Geschenkes oder einer
ehrfurchtsvolleren Anrede davon. Seine geheiligten Gesandten
aber genossen und mißbrauchten in Konstantinopel eine
grenzenlose Freiheit; sie drangen mit ungestümem Geschrei auf
Erhöhung des Tributes oder auf Auslieferung der Gefangenen und
Ausreißer, und die Majorität des Reiches wurde fast in
gleichem Grade durch niedrige Nachgiebigkeit oder durch die
falschen und furchtsamen Entschuldigungen geschändet, womit
man ihren hochmütigen Forderungen auswich. Der Chagan hatte
noch nie einen Elefanten gesehen. Die fremdartige, ja
vielleicht fabelhafte Abbildung dieses wundervollen Tieres
machte seine Neugier rege. Auf seinen Befehl wurde einer der
größten Elefanten der kaiserlichen Ställe auf das stattlichste
aufgezäumt und von einer zahlreichen Begleitung nach der
königlichen Residenz in die Ebenen Ungarns geführt. Er
betrachtete das ungeheure Tier mit Erstaunen, Ekel, vielleicht
mit Entsetzen und lachte über den nichtigen Fleiß der Römer,
die um solcher nutzlosen Seltenheiten willen die äußersten
Grenzen des Landes und Meeres durchforschten. Er wünschte auf
Kosten des Kaisers in einem goldenen Bette zu ruhen. Der
Reichtum von Konstantinopel und die Geschicklichkeit und der
Fleiß seiner Künstler wurden sogleich zur Befriedigung seiner
Laune herangezogen; als aber das Werk vollendet war, wies er
mit Verachtung ein der Majestät eines großen Königs so
unwürdiges Geschenk zurück. Das waren zufällige Launen seines
Stolzes. Die Habsucht des Chagans jedoch war eine größere
Leidenschaft. Seidene Gewänder, Hausrat und Silbergeschirr,
reiche und regelmäßige Lieferungen bewirkten es, daß in den
Zelten der Skythen Kunst und Luxus zu herrschen begann. Ihr
Appetit wurde durch den Pfeffer und den Zimt Indiens gereizt,
die jährliche Summe der Hilfsgelder oder des Tributes von
achtzig- bis hundertzwanzigtausend Pfund Goldes erhöht und
nach jedem feindlichen Einbruch die Bezahlung der Rückstände
nebst außerordentlich hohen Zinsen stets zur ersten Bedingung
eines neuen Friedensvertrages gemacht. Der Avarenfürst klagte
in der Sprache der Barbaren ohne Arg und Falsch über die
Unaufrichtigkeit der Griechen, indessen stand er den meisten
zivilisierten Nationen in der verfeinerten Verstellung und
Treulosigkeit nicht nach. Als Nachfolger der Langobarden
machte der Chagan auf die wichtige Stadt Sirmium, das alte
Bollwerk der illyrischen Provinzen, Anspruch. Die Ebenen von
Niederungarn bedeckten sich mit der Reiterei der Avaren, und
eine Flotte großer Boote wurde in dem herkynischen Walde
gebaut, um die Donau herabzufahren und die Materialien zu
einer Brücke in die Save zu schaffen. Da aber die starke
Besatzung von Singidunum, das den Zusammenfluß der beiden
Ströme beherrscht, ihre Fahrt hätte hindern und seine Pläne
vereiteln können, verscheuchte er ihre Besorgnis durch den
feierlichen Eid, daß er keine feindlichen Absichten gegen das
Reich hege. Er schwor bei seinem Schwerte, dem Symbole des
Kriegsgottes, daß er nicht als Roms Feind eine Brücke über die
Save baue. »Wenn ich meinen Eid breche«, fuhr der
unerschrockene Bajan fort, »so möge ich selbst mit den Letzten
meines Volkes durch das Schwert umkommen! Möge der Himmel und
das Feuer, die Gottheit des Himmels, auf unsere Häupter
fallen! Mögen die Wälder und Berge uns unter ihren Trümmern
begraben und die Save gegen das Gesetz der Natur zu ihrer
Quelle zurückkehren und uns mit ihren zornigen Wassern
bedecken!« Nach dieser barbarischen Verwünschung fragte er
ruhig, welcher Eid bei den Christen der heiligste und
höchstgehaltene sei, welche Schuld des Meineides auf sich zu
laden am gefährlichsten wäre. Der Bischof von Singidunum
reichte ihm das Evangelium dar und der Chagan empfing es mit
frommer Ehrfurcht. »Ich schwöre«, sagte er, »bei dem Gotte,
der in diesem heiligen Buche gesprochen hat, daß weder
Falschheit auf meiner Zunge noch Verrat in meinem Herzen ist.«
Sowie er sich von seinen Knien erhoben hatte, beschleunigte er
die Arbeiten an der Brücke und entsendete einen Boten, um zu
verkünden, was er nicht länger zu verheimlichen wünschte.
»Meldet dem Kaiser«, sprach der treulose Bajan. »daß Sirmium
von allen Seiten eingeschlossen ist. Ratet ihm, die Bürger und
ihre Habe wegzuschaffen und eine Stadt aufzugeben, deren
Entsatz und Verteidigung jetzt gleich unmöglich ist.« Ohne
Hoffnung auf Entsatz wurde aber die Verteidigung von Sirmium
über drei Jahre ausgedehnt. Die Mauern standen noch unberührt,
aber der Hunger war in die Stadt eingekehrt, bis eine gnädig
gewährte Kapitulation den von allem entblößten und
ausgemergelten Einwohnern abzuziehen gestattete. Das fünfzig
Meilen davon entfernt liegende Singidunum erfuhr ein
grausameres Schicksal. Die Gebäude wurden der Erde
gleichgemacht und die besiegte Bevölkerung zur Sklaverei und
Verbannung verdammt. Nichtsdestoweniger sind nicht einmal die
Ruinen von Sirmium noch sichtbar. Die vorteilhafte Lage von
Singidunum dagegen zog bald eine neue Kolonie Slaven herbei.
Der Zusammenfluß der Sau und Donau wird durch die
Befestigungen von Belgrad oder der weißen Stadt bewacht, um
welche die Türken und Christen so oft und so hartnäckig
gekämpft haben. Von Belgrad bis Konstantinopel mißt die
Luftlinie sechshundert Meilen; diese Linie war mit Flammen und
Blut bezeichnet. Die Pferde der Avaren badeten abwechselnd im
Schwarzen und im Adriatischen Meere. Der römische Papst sah
sich daher, aus Furcht vor der Annäherung eines noch wilderen
Feindes veranlaßt, die Langobarden als die Beschützer von
Italien zulieben. Die Verzweiflung eines Gefangenen, den sein
Vaterland auszulösen sich weigerte, verriet den Avaren die
Anfertigung und den Gebrauch der Kriegsmaschinen. Aber bei den
ersten Versuchen waren sie noch roh gebaut und wurden
ungeschickt gehandhabt. Der Widerstand der Bewohner und
Soldaten von Diokletianopolis und Beröa, von Philippopolis und
Adrianopel erschöpfte bald Kunst und Geduld der Belagerer.
Bajan führte den Krieg als Barbar, nichtsdestoweniger war sein
Herz empfänglich für menschliche und edle Gefühle. Er
verschonte Anchialus, dessen Heilwasser die Gesundheit der
geliebtesten seiner Frauen hergestellt hatte, und die Römer
selbst gestehen ein, daß ihre hungernde Armee durch den
großmütigen Feind mit Lebensmitteln versehen und entlassen
worden war. Sein Reich dehnte sich über Ungarn, Polen und
Preußen, von der Mündung der Donau bis zur Oder aus. Seine
neuen Untertanen wurden durch die eifersüchtige Politik des
Eroberers getrennt und in ein anderes Land versetzt. Die
östlichen Länder Deutschlands, welche durch die Auswanderung
der Vandalen fast unbewohnt waren, wurden von slavischen
Kolonisten besetzt; man gewahrt dieselben Stämme in der
Nachbarschaft des Adriatischen Meeres wie der Ostsee, und
nebst dem Namen Bajans selbst findet man die illyrischen
Städtenamen Neyss und Lissa im Herzen von Schlesien wieder.
Bei Verteilung seiner Truppen und Provinzen setzte der Chagan
die Vasallen, deren Leben er geringschätzte, dem ersten
Angriff aus, und das Schwert des Feindes war schon
abgestumpft, wenn es die angestammten Avaren selbst traf.
Das Bündnis mit Persien gestattete den Truppen des Ostens,
zur Verteidigung von Europa wegzuziehen und Mauritius, der
zehn Jahre lang den Übermut des Chagan ertragen hatte,
erklärte seinen Entschluß, selbst gegen die Barbaren zu
marschieren. Im Laufe von zwei Jahrhunderten war keiner der
Nachfolger des Theodosius im Felde erschienen. Ihr Leben
verging in träger Ruhe im Palaste von Konstantinopel, Die
Griechen vermochten nicht mehr zu begreifen, daß der Titel
Imperator in seinem ursprünglichen Sinne Oberhaupt der Heere
der Republik bedeutete. Der würdevolle, schmeichelnde Senat,
der furchtsame, abergläubische Patriarch und die in Tränen
schwimmende Kaiserin Konstantina widersetzten sich seinem
kriegerischen Eifer; sie alle beschworen ihn, die Beschwerden
und Gefahren eines skythischen Feldzuges irgend einem Anführer
von geringerem Range zu übertragen. Taub gegen ihren Rat und
ihre Bitten rückte der Kaiser kühn bis auf sieben Meilen von
der Hauptstadt vor; das heilige Kreuzzeichen erglänzte vor der
Front, und Mauritius musterte mit stolzem Selbstbewußtsein die
Waffen und die Scharen der Veteranen, die jenseits des Tigris
gefochten und gesiegt hatten. Anchialus sah das Ziel seines
Zuges zu Wasser und zu Land; er flehte ohne Erfolg um ein
Wunder in seinen nächtlichen Gebeten; seine Seele wurde durch
den Tod eines Lieblingspferdes, durch die Begegnung mit einem
wilden Eber, einen Sturmwind mit Platzregen und die Geburt
eines mißgestalteten Kindes in Schrecken gesetzt, und er
vergaß, daß es das beste Vorzeichen ist, wenn man das Schwert
zur Verteidigung des Vaterlandes zieht. Unter dem Vorwande,
die Gesandten von Persien zu empfangen, kehrte er nach
Konstantinopel zurück, vertauschte die Kriegsgedanken mit
Andachtsübungen und täuschte die Erwartung des Volkes durch
seine Abwesenheit wie durch die Wahl seiner Stellvertreter.
Blinde Parteilichkeit brüderlicher Liebe mochte die
Beförderung seines Bruders Petrus entschuldigen, der
schmachvoll vor den Barbaren, vor seinen eigenen Soldaten und
vor den Einwohnern einer römischen Stadt floh. Wenn wir der
Ähnlichkeit des Namens und Charakters trauen dürfen, so war
diese Stadt das berühmte Azimuntium, das allein den
Weltstürmer Attila zurückgetrieben hatte. Das Beispiel, das
ihre kriegerische Jugend gab, feuerte die nachfolgenden
Geschlechter an. Ihr wurde durch den ersten oder zweiten
Justin das ehrenvolle Vorrecht zuteil, daß ihre tapferen
Bewohnet stets für die Verteidigung ihrer Vaterstadt
aufgespart werden sollten. Der Bruder des Mauritius versuchte
es, dieses Recht zu verletzen und eine Patriotenschar unter
die Söldlinge seines Lagers zu mengen; jene zogen sich in die
Kirche zurück, diese schreckte die Heiligkeit des Ortes nicht.
Da erhob sich das Volk für ihre Sache. Die Tore wurden
geschlossen, die Mauern bemannt und die Feigheit Peters kam
seinem Hochmute und seiner Ungerechtigkeit gleich. Der
kriegerische Ruf des Commentiolus ist mehr Gegenstand der
Satire oder des Lustspiels als ernster Geschichte, denn es
fehlte ihm sogar an der armseligen und allgemeinen Eigenschaft
des persönlichen Mutes. Seine feierlichen
Kriegsratversammlungen, seltsamen Hin- und Herzüge und
geheimen Befehle dienten ihm stets zum Vorwand für irgendeine
Verzögerung oder Flucht. Wenn er gegen den Feind rückte, waren
ihm die schönen Täler des Hämusgebirges stets eine
unübersteigliche Schranke, auf dem Rückzuge aber erforschte er
die schwierigsten und unbetretensten Pfade, die kaum der
älteste Eingeborene mehr kannte. Das einzige Blut, das er je
verloren, wurde ihm während einer wirklichen oder erheuchelten
Krankheit mit der Lanzette durch einen Wundarzt abgezapft. Er
war so empfindlich, daß er, sobald die Barbaren sich näherten,
krank wurde. Aber die Ruhe und Sicherheit der Winterquartiere
stellten seine Gesundheit sofort wieder her. Ein Fürst, der
diesen unwürdigen Günstling befördern und halten konnte, darf
sich aus dessen Amtsgenossen Priscus zufälligem Verdienste
keinen Ruhm zuschreiben. In fünf aufeinander folgenden, mit
Geschicklichkeit und Entschlossenheit gekämpften Schlachten
wurden siebzehntausendzweihundert Barbaren gefangen genommen
und nahe an sechzigtausend nebst vier Söhnen des Chagan
getötet. Der römische Feldherr überrumpelte einen friedlichen
Bezirk der Gepiden, die unter dem Schutze der Avaren schliefen
und errichtete seine letzten Siegeszeichen an den Ufern der
Donau und Theiß. Seit Trajans Tode waren die Streitkräfte des
Reiches niemals so tief in das alte Dazien eingedrungen. Aber
der Erfolg des Priscus war vorübergehend und unfruchtbar, und
er wurde bald infolge der Besorgnis zurückberufen, daß Bajan
mit unerschrockenem Mute und verstärkter Heeresmacht sich
anschicke, seine Niederlage unter den Mauern von
Konstantinopel zu rächen.
Man war mit der Theorie des Krieges in den Lagern Cäsars
und Trajans nicht vertrauter als in denen Justinians und
Mauritius. Das Eisen von Toskana oder Pontus wurde noch immer
von byzantinischen Arbeitern gehärtet. Die Magazine waren mit
allen Arten von Angriffs- und Verteidigungswaffen reichlich
gefüllt. In Bau und Handhabung der Schiffe, Maschinen und
Befestigungen bewunderten die Barbaren die überlegene Einsicht
eines Volkes, das sie so oft im Felde besiegten. Die
Wissenschaft der Taktik, der Ordnungen und der Kriegslisten
des Altertums fand sich in den Büchern der Griechen und Römer
und wurde aus ihnen studiert. Aber die Verödung und Entartung
der Bewohner der Provinzen konnte kein Geschlecht mehr
liefern, um diese Waffen zu führen, diese Mauern zu bewachen,
diese Schiffe zu steuern und die Theorie des Krieges in kühne
und erfolgreiche Praxis zu verwandeln. Das Gebiet des Belisar
und Narses war, ohne daß diese Lehrer gehabt hatten, erobert
worden und ging verloren ohne Schüler. Weder Ehre, noch
Vaterlandsliebe, noch hochherziger Glaube konnten die
schlaffen Körper der Sklaven und Ausländer beleben, die den
Legionen in ihren Auszeichnungen gefolgt waren; nur im Lager
hätte der Kaiser despotisch herrschen sollen, nur im Lager
gehorchte man seiner Macht nicht, sondern höhnte sie. Er
beschwichtigte und entflammte mit Gold die Zügellosigkeit der
Truppen; aber ihre Laster waren eingefleischt, ihre Siege
zufällig und ihre kostspielige Unterhaltung erschöpfte das
Mark eines Staates, den sie zu verteidigen unfähig waren. Nach
langer und verderblicher Nachsicht unternahm Mauritius die
Heilung dieses eingewurzelten Übels; aber der unbesonnene
Versuch, der das Verderben auf sein eigenes Haupt niederzog,
verschlimmerte nur den Zustand. Ein Reformator soll vom
Verdachte des Eigennutzes frei sein und muß die Achtung und
das Vertrauen derjenigen besitzen, die er bessern will. Die
Truppen des Mauritius hätten vielleicht auf die Stimme eines
siegreichen Anführers gehört; sie verachteten die Ermahnungen
von Staatsmännern und Sophisten, und als ihnen ein Edikt
kundgemacht wurde, das von ihrem Solde den Preis der Waffen
und Kleidung abzog, verwünschten sie die Habsucht eines gegen
die Beschwerden und Gefahren, denen er selbst entflohen war,
unempfindlichen Fürsten. Die Lager sowohl Asiens wie Europas
wurden durch häufige und wütende Aufstände erschüttert. Die
rasenden Soldaten von Edessa verfolgten mit Vorwürfen und
Drohungen ihre bebenden Anführer, brachten ihnen Wunden bei,
stürzten die Statuen des Kaisers um, warfen Steine nach dem
wundertätigen Bilde Christi und warfen entweder das Joch aller
Zivil- und Militärgesetze ab oder führten die gefährliche
freiwillige Subordination ein. Der Monarch, stets fern und
häufig getäuscht, war nie imstande, den Erfordernissen des
Augenblickes durch Nachgeben oder Standhaftigkeit gerecht zu
werden. Aber die Furcht vor einer allgemeinen Empörung
verleitete ihn zu leicht, die nächste tapfere Tat oder
irgendeinen Beweis von Treue als Sühne für das Verbrechen der
Menge gelten zu lassen. Er schaffte die neue Reform ebenso
eilig ab, als er sie begonnen hatte, und statt Strafe und
Einschränkung zugesprochen zu erhalten, wurden die Truppen
durch eine gnadenreiche Ankündigung von Vorrechten und
Belohnungen angenehm überrascht. Die Soldaten nahmen jedoch
ohne Dank die verspäteten und unwillig gebotenen Geschenke des
Kaisers an; ihr Hochmut wurde durch die Entdeckung seiner
Schwäche und ihrer eigenen Stärke gesteigert, und ihr Haß
überstieg jeden Wunsch nach Verzeihung und jede Hoffnung auf
Aussöhnung. Die Geschichtsschreiber jener Zeiten huldigen der
Meinung des Volkes, daß Mauritius damit umging, die Truppen
aufzureiben, die er zu reformieren versucht hatte; das falsche
Verhalten und die Gunst des Comentiolus werden diesem
unheilvollen Plane zugeschrieben. Jedes Zeitalter muß die
Unmenschlichkeit oder Habsucht eines Fürsten verdammen, der
durch das geringe Lösegeld von sechstausend Goldstücken die
Niedermetzelung von zwölftausend in der Gewalt des Chagans
befindlichen Gefangenen hätte verhindern können. Als es auf
dem Höhepunkte seiner gerechten Entrüstung angelangt war,
erhielt das Heer an der Donau Befehl, die Magazine der Provinz
zu schonen und Winterquartiere in dem feindlichen Lande der
Avaren aufzuschlagen. Das Maß der Unbilden war voll. Die
Soldaten erklärten Mauritius für unwürdig zu regieren,
vertrieben seine getreuen Anhänger oder metzelten sie nieder
und kehrten unter dem Befehle des Phocas, eines bloßen
Centurio, in Eilmärschen in die Nachbarschaft von
Konstantinopel zurück (Oktober 602). Nach einer langen Reihe
rechtmäßig zum Throne gelangter Herrscher wurden die
militärischen Unordnungen des dritten Jahrhunderts wieder
aufgefrischt; so groß war aber die Neuheit eines solchen
Beginnens, daß die Aufrührer durch ihre eigene Verwegenheit
eingeschüchtert wurden. Sie zögerten, ihren Liebling mit dem
Purpur zu bekleiden, und während sie alle Unterhandlungen mit
Mauritius selbst zurückwiesen, unterhielten sie einen
freundschaftlichen Verkehr mit seinem Sohne Theodosius und mit
Germanus, dessen Schwiegervater Phocas bisher eine so
untergeordnete Stellung eingenommen hatte, daß der Kaiser
nicht einmal den Namen und Stand des Nebenbuhlers kannte; als
er aber erfuhr, daß der Centurio, obschon ein kühner Anführer,
furchtsam angesichts der Gefahr wäre, rief der verzweifelte
Fürst aus: »Ach! Wenn er ein Feigling ist, wird er sicher ein
Mörder sein!«
Wenn indessen Konstantinopel fest und treu geblieben wäre,
hätte der Mörder seine Wut gegen die Mauern auslassen können
und das rebellische Heer würde durch die Klugheit des Kaisers
allmählich aufgerieben oder zur Pflicht zurückgebracht worden
sein. Bei den Zirkusspielen, die Mauritius mit ungewöhnlicher
Pracht feierte, verbarg er seine Angst unter zuversichtlichem
Lächeln und versuchte, um den Beifall der Parteien zu werben.
Er schmeichelte ihrem Stolze, indem er von ihren Tribunen eine
Liste von neunhundert Blauen und fünfzehnhundert Grünen
annahm, die er als die festeste Stütze seines Thrones zu ehren
vorgab. Seine Schwäche wurde durch ihre verräterische oder
laue Unterstützung offenbar und beschleunigte nur seinen Fall;
die grüne Partei stand insgeheim mit den Rebellen im Bunde und
die blaue empfahl Milde und Mäßigung in einem Kampfe mit ihren
römischen Brüdern. Die strengen Tugenden und die karge
Lebensweise des Mauritius hatten ihm seit langer Zeit die
Herzen seiner Untertanen entfremdet. Bei einem religiösen
Umzüge, bei dem er barfuß mitging, wurde er mit Steinen
beworfen, und die Leibwachen mußten zu ihren eisernen
Streitkolben greifen, um seine Person zu verteidigen. Ein
fanatischer Mönch rannte mit einem gezogenen Schwerte durch
die Straßen und lud Gottes Zorn und Strafgericht auf das Haupt
des Kaisers. Ein gemeiner Plebejer, der ihn und seine Tracht
nachahmte, wurde auf einem Esel durch die Straßen geführt und
von den Verwünschungen der Menge verfolgt. Der Kaiser sah mit
Argwohn die Beliebtheit des Germanus bei Soldaten und Bürgern.
Er zitterte, drohte, aber er verschob es immer wieder, den
Staatsstreich zu wagen. Der Patrizier flüchtete in das Asyl
einer Kirche, und das Volk erhob sich zu seiner Verteidigung.
Die Wachen verließen die Mauern und gaben die Stadt den
Flammen und der Plünderung preis. In einer kleinen Barke floh
der unglückliche Mauritius mit seiner Gattin und neun Kindern
nach der asiatischen Küste. Aber die Heftigkeit des Windes
zwang ihn, bei der Kirche des heiligen Autonomus in der Nähe
von Chalcedon zu landen. Von dort entsandte er seinen ältesten
Sohn Theodosius zu dem persischen Monarchen, um Dankbarkeit
und Freundschaft zu erbitten. Er selbst weigerte sich zu
fliehen. Ischias folterte seinen Körper und sein Geist ward
durch den Aberglauben geschwächt. Er erwartete geduldig den
Ausgang der Revolution und richtete ein inbrünstiges und
öffentliches Gebet zu dem Allmächtigen, ihn für seine Sünden
lieber in dieser als in jener Welt zu strafen. Nach der
Abdankung des Mauritius rechteten die beiden Parteien bei der
Wahl eines Kaisers; aber der Liebling der Blauen unterlag der
Eifersucht ihrer Gegner und Germanus selbst wurde von den
Scharen mit fortgerissen, die nach dem sieben Meilen von der
Stadt entfernten Palaste strömten, um dem Centurio Phocas zu
huldigen. Dem bescheidenen Wunsche des Phocas, den Purpur dem
verdienstvollen Germanus zu überlassen, widersprach dessen
hartnäckigere und aufrichtigere Entschlossenheit, ihn
anzunehmen. Senat und Geistlichkeit gehorchten seiner
Aufforderung und sobald der Patriarch sich von seiner
Rechtgläubigkeit überzeugt hatte, krönte er den glücklichen
Usurpator in der Kirche des heiligen Johannes des Täufers. Am
dritten Tage hielt Phocas unter den Jubelrufen des
leichtsinnigen Volkes in einem mit vier weißen Pferden
bespannten Wagen seinen öffentlichen Einzug. Er belohnte die
Empörung der Truppen mit einem verschwenderischen Geschenk,
und nachdem der neue Souverän den Palast besichtigt hatte, sah
er von seinem Throne aus den Spielen im Hippodrom zu. In einem
Streite über den Vorrang zwischen beiden Parteien neigte sich
sein parteiisches Urteil zugunsten der Grünen. »Gedenke, daß
Mauritius noch am Leben ist«, erscholl es von der
entgegengesetzten Seite und dieses unkluge Geschrei nährte und
stachelte die Grausamkeit des Tyrannen. Die Henker wurden nach
Chalcedon entsandt; sie schleppten den Kaiser aus dem
Heiligtume, und vor den Augen des schmerzdurchwühlten Vaters
wurden die fünf Söhne des Mauritius nacheinander ermordet (27.
November). Bei jedem Streiche, den er im tiefsten Herzen
fühlte, fand er Kraft genug, den frommen Ausruf zu
wiederholen: »Du bist gerecht, o Gott, und weise sind deine
Gerichte!« So groß war noch im letzten Augenblick seine
Wahrheit und Gerechtigkeit, daß er den Soldaten den frommen
Betrug einer Amme entdeckte, die ihr eigenes Kind mit dem
kaiserlichen Säugling vertauscht hatte. Das tragische
Schauspiel schloß endlich mit der Hinrichtung des Kaisers
selbst im zwanzigsten Jahre seiner Regierung und im
dreiundsechzigsten seines Lebens. Die Leichen des Vaters und
seiner fünf Söhne wurden ins Meer geworfen, ihre Häupter in
Konstantinopel den Beschimpfungen oder dem frommen Mitleid der
Menge ausgesetzt, und erst als die Fäulnis eintrat, gestattete
Phocas ein stilles Begräbnis der Reste. Die Fehler und
Irrtümer des Mauritius sanken mit ihm ins Grab. Bloß seines
unglücklichen Schicksals gedachte man, und zwanzig Jahre
danach wurde bei Vorlesung der Geschichte des Theophylact die
traurige Erzählung von den Tränen der Zuhörer begleitet.
Unter der Regierung des Phocas, der in den Provinzen des
Ostens und des Westens anerkannt wurde, mußten solche Tränen
insgeheim fließen und dort wäre ein solches Mitleid
verbrecherisch gewesen. Die Bilder des Kaisers und seiner
Gemahlin Leontia wurden im Lateran und dem Senate von Rom zur
Verehrung und später im Palaste der Cäsaren zwischen jenen
Konstantins und des Theodosius aufgestellt. Als Untertan und
Christ war es Gregors Pflicht, sich der bestehenden Regierung
zu fügen. Aber der freudige Beifall, mit dem der Heilige das
Glück des Mörders begrüßte, hat seinen Charakter mit
unauslöschlicher Schmach bedeckt. Der Nachfolger der Apostel
konnte mit geziemender Festigkeit auf die Blutschuld und auf
die Notwendigkeit der Reue aufmerksam machen. Er begnügte
sich, die Befreiung des Volkes und den Sturz des Unterdrückers
zu feiern, sich zu freuen, daß der fromme und milde Phocas von
der Vorsehung auf den kaiserlichen Thron erhoben worden war.
Er betete, daß sein Arm gegen alle seine Feinde gestärkt
werde. Außerdem wünschte und hoffte er zuversichtlich, daß er
nach einer langen und siegreichen Regierung von dem zeitlichen
in ein ewiges Königreich versetzt werden möge. Ich habe
bereits den Verlauf einer nach Gregors Meinung dem Himmel und
der Erde gleich wohlgefälligen Umwälzung erzählt. Phocas
erscheint bei der Ausübung der Macht nicht minder hassenswert
als bei ihrer Erwerbung. Der Griffel eines unparteiischen
Geschichtsschreibers hat ihn folgendermaßen beschrieben:
winzige ungestalte Figur, Ineinanderlaufen seiner buschigen
Augenbrauen, rotes Haar, bartloses Kinn und eine durch eine
furchtbare Narbe entstellte und entfärbte Wange. Der
Wissenschaften, der Gesetze, sogar der Handhabung der Waffen
unkundig, sah er in dem höchsten Range nur ein ausgedehnteres
Vorrecht für Wollust und Völlerei, und seine viehischen
Vergnügungen waren ebenso schmachvoll für ihn, als gefährlich
für seine Untertanen. Ohne das Amt eines Fürsten zu
übernehmen, verzichtete er auf den Beruf eines Kriegers. Die
Regierung des Phocas brachte Europa schimpflichen Frieden und
Asien verheerenden Krieg. Sein wilder Charakter wurde durch
Leidenschaften entflammt, durch Furcht verhärtet und durch
Widerstand oder Vorwürfe erbittert. Schnelle Verfolgung oder
Betrug vereitelte die Flucht des Theodosius an den persischen
Hof; er ward in Nizäa enthauptet und die letzten Stunden des
jungen Fürsten wurden durch den Trost der Religion und das
Bewußtsein seiner Unschuld gelindert. Aber sein Phantom störte
die Ruhe des Thronräubers: im Osten lief das heimliche Gerücht
um, der Sohn des Mauritius sei noch am Leben. Das Volk
erwartete seinen Rächer, und die Witwe und die Töchter des
verstorbenen Kaisers würden den Geringsten aller Sterblichen
als Sohn und Bruder anerkannt haben. Bei der Niedermetzelung
der kaiserlichen Familie hatte Phocas aus Erbarmen oder
vielmehr aus Klugheit diese unglücklichen Frauen verschont.
Sie wurden in einem anständigen Privathaus in Gefangenschaft
gehalten. Aber die Kaiserin Konstantina, ihres Vaters, ihres
Gatten, ihrer Söhne eingedenk, dürstete nach Freiheit und
Rache. In tiefer Mitternacht entfloh sie zu dem Heiligtum der
St. Sophienkirche. Aber weder ihre Tränen noch das Gold ihres
Genossen Germanus vermochten einen Aufruhr zu erregen. Ihr
Leben war der Rache, ja sogar den Gerichten verfallen. Der
Patriarch erwirkte ihre Begnadigung und leistete eidliche
Bürgschaft für sie; ein Kloster wurde ihr zum Gefängnisse
bestimmt. Die Witwe des Mauritius nahm die Gnade seines
Mörders an und mißbrauchte sie. Die Entdeckung oder der
Argwohn einer zweiten Verschwörung entband Phocas seiner
Verpflichtung und entfachte von neuem seine Wut. Eine Matrone,
die auf die Achtung und das Mitleid der Menschen Anspruch
hatte, die Tochter, Gattin und Mutter von Kaisern, wurde wie
der gemeinste Verbrecher gefoltert, um ihr ein Bekenntnis
ihrer Pläne und ihrer Mitschuldigen abzuzwingen. Hierauf wurde
die Kaiserin Konstantina mit ihren drei schuldlosen Töchtern
zu Chalcedon auf demselben Platze enthauptet, der mit dem
Blute ihres Gemahls und ihrer fünf Söhne befleckt war. Nach
einem solchen Vorgange ist es überflüssig, die Namen und
Leiden der geringeren Schlachtopfer aufzuzählen. Ihrer
Verurteilung ging selten ein förmlicher Prozeß voraus, und
ihre Strafe wurde durch raffinierte Grausamkeit verschärft:
man durchbohrte ihre Augen, riß ihnen die Zunge bei der Wurzel
aus, schnitt ihnen Hände und Füße ab. Einige kamen unter der
Geißel, andere in den Flammen um oder wurden mit Pfeilen
erschossen. Ein einfacher, schneller Tod war eine nur selten
zu erlangende Gnade. Der Hippodrom, die geheiligte Stätte der
Vergnügungen und der Freiheit der Römer, wurde durch Häupter
und Gliedmaßen und verstümmelte Leichen entehrt. Am meisten
empfanden es die den Phocas umgebenden Personen, daß weder
seine Gunst, noch Verdienste sie vor einem Tyrannen, dem
würdigen Nebenbuhler eines Caligula oder Domitian der ersten
Zeit des Kaiserreiches, zu schützen vermochten.
Des Phocas Tochter, sein einziges Kind, war mit dem
Patrizier Crispus vermählt worden. Die königlichen Standbilder
der Braut und des Bräutigams wurden unklugerweise im Zirkus
neben denen des Kaisers aufgestellt. Der Vater mußte wünschen,
daß seine Nachkommen die Frucht seiner Verbrechen erben
möchten, der Monarch aber war über diese vorzeitige
Verhimmelung entrüstet; die Tribunen der grünen Partei, die
den Irrtum ihrer geschäftigen Bildhauer verwünschten, wurden
augenblicklich zum Tode verurteilt. Ihr Leben wurde ihnen dann
zwar auf Bitten des Volkes geschenkt, Crispus konnte aber mit
Recht bezweifeln, daß ein eifersüchtiger Usurpator die ohne
Willen geschehene Mitbewerbung vergessen und verzeihen werde.
Die Undankbarkeit des Phocas und der Verlust ihrer Vorrechte
erbitterte die grüne Partei tief; jede Provinz des Reiches war
zur Empörung reif und der Exarch Heraklius von Afrika
verweigerte zwei Jahre lang dem Centurio, der den Thron von
Konstantinopel schändete, Tribut und Gehorsam. Geheime
Sendlinge des Crispus und des Senates drangen in den
unabhängigen Exarchen, sein Vaterland zu retten und zu
beherrschen. Aber das Alter hatte »einen Ehrgeiz abgekühlt und
er überließ das gefährliche Unternehmen seinem Sohn Heraklius
und dem Nicetas, dem Sohn Gregors, seines Freundes und
Unterbefehlshabers. Die afrikanischen Streitkräfte wurden von
den beiden Jünglingen aufgeboten; sie kamen überein, daß der
eine mit der Flotte von Karthago nach Konstantinopel segeln,
der andere ein Heer durch Ägypten und Asien führen solle und
daß der kaiserliche Purpur der Lohn des Erfolges sein werde.
Ein vages Gerücht von dem Unternehmen drang zu den Ohren des
Phocas, der die Mutter und Gattin des jüngeren Heraklius als
Geißel festnehmen ließ. Aber die verräterischen Intrigen des
Crispus verkleinerten die ferne Gefahr. Die
Verteidigungsrüstungen wurden vernachlässigt oder verschoben,
und der Tyrann wiegte sich noch in träger Ruhe, als schon die
afrikanische Flotte im Hellespont vor Anker ging. In Abydus
strömten die nach Rache dürstenden Flüchtlinge und Verbannten
unter ihre Fahne; die Schiffe des Heraklius, mit den heiligen
Symbolen der Religion geschmückt, steuerten im Triumphe durch
die Propontis, und Phocas sah von den Fenstern des Palastes
aus, wie sein unvermeidliches Schicksal herannahte. Die grüne
Partei ließ sich durch Geschenke und Versprechungen verlocken,
der Landung der Afrikaner einen schwachen und fruchtlosen
Widerstand entgegenzusetzen; aber das Volk, sogar die
Leibwachen, wurden durch den rechtzeitigen Abfall des Crispus
gewonnen und der Tyrann ward von einem persönlichen Feinde,
der kühn in den einsamen Palast drang, festgenommen. Des
Diadems und Purpurs beraubt, in ein schlechtes Gewand gehüllt
und mit Ketten beladen, wurde er in einem kleinen Boote nach
der kaiserlichen Galeere des Heraklius gebracht, der ihm die
Verbrechen während seiner verabscheuungswürdigen Herrschaft
vorwarf. »Wirst du besser regieren?« waren die letzten
verzweifelten Worte des Phocas. Nachdem er jede Art von
Schimpf und Marter erlitten hatte, wurde sein Haupt vom Körper
getrennt, der verstümmelte Rumpf in die Flammen geworfen, was
auch mit den Standbildern des eitlen Usurpators und mit der
aufrührerischen Fahne der Partei der Grünen geschah (4.
Oktober 610). Geistlichkeit, Senat und Volk luden Heraklius
ein, den Thron zu besteigen, den er von Schuld und Schmach
gereinigt hatte. Nach einigem, vom Anstand gebotenen Zögern
gab er ihrem Andringen nach. Seiner Krönung folgte unmittelbar
die seiner Gattin Eudoxia und ihre Nachkommen herrschten bis
in das vierte Geschlecht über das morgenländische Reich. Die
Fahrt des Heraklius war leicht und glücklich gewesen, der
lange Zug des Nicetas traf erst nach entschiedenem Kampfe ein.
Er unterwarf sich aber ohne Murren dem glücklichen Freunde und
seine lobenswerte Gesinnung wurde mit einer Reiterstatue und
mit der Hand einer Tochter des Kaisers belohnt. Schwieriger
hielt es, der Treue des Crispus zu trauen, dessen Dienste mit
dem Befehle über die Armee von Kappadozien vergolten wurden.
Sein Hochmut forderte indes die Undankbarkeit seines neuen
Souveräns heraus und schien sie zu entschuldigen. In Gegenwart
des Senates wurde der Schwiegersohn des Phocas verurteilt in
ein Kloster zu gehen, und der Spruch wurde durch den
gewichtigen Ausspruch des Heraklius gerechtfertigt, daß ein
Mann, der seinen Vater verraten habe, keinem Freunde Treue
bewahren werde.
Selbst nach dem Tode des Phocas wurde das Römische Reich
von seinen Verbrechen heimgesucht, weil sie ihren
furchtbarsten Feind mit einer edlen Sache waffneten. Phocas
kündete gemäß den freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem
byzantinischen und dem persischen Hof letzterem seine
Thronbesteigung an, und sein Gesandter Lilius, der ihm die
Häupter des Mauritius und seiner Söhne gebracht hatte, war der
geeignetste Mann, diese tragische Szene zu beschreiben. Wie
sehr auch Lüge und Sophistik am Werk gewesen sein mochten,
Chosroes wandte sich mit Abscheu von dem Mörder ab, kerkerte
den angeblichen Gesandten ein, sagte sich vom Thronräuber los
und erklärte sich zum Rächer seines Vaters und Wohltäters.
Schmerz und Entrüstung, von der Menschlichkeit und der Ehre
diktiert, wurden in diesem Falle noch durch das Interesse des
persischen Königs gefördert und dieses Interesse noch durch
die nationalen und religiösen Vorurteile der Magier und
Satrapen außerordentlich vergrößert. Schlau schmeichelnd mit
dem Schein des Freimutes wagten sie es, das Übermaß seiner
Dankbarkeit und Freundschaft gegen die Griechen zu tadeln;
eine Nation, mit der es gefährlich sei, Friede oder Bündnis zu
schließen, deren Glaube aller Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit
entbehre und die keiner einzigen Tugend fähig sein könne, weil
sie das schrecklichste aller Verbrechen, den gottlosen Mord
ihres Souveräns vollbracht habe. Wegen des Verbrechens eines
ehrgeizigen Centurios wurde das Volk, das er unterdrückte,
durch die Drangsale des Krieges gezüchtigt und dieselben
Drangsale erlitten nach Verlauf von zwanzig Jahren die Perser
und fielen mit doppelter Wucht auf ihre Häupter. Der Feldherr,
der Chosroes wieder auf den Thron gesetzt hatte, befehligte
noch im Osten und Narses' Name war das gefürchtete Wort, womit
die assyrischen Mütter gewohnt waren, ihre Kinder zu
erschrecken. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er als
geborener Untertan Persiens seinen Gebieter und Freund
aufmunterte, die asiatischen Provinzen zu befreien und in
Besitz zu nehmen. Wahrscheinlicher aber ist, daß Chosroes
seine Truppen durch die Versicherung ermutigte, daß das
Schwert, das sie am meisten fürchteten, entweder gar nicht
oder zu ihren Gunsten gezogen werden würde. Der Held konnte
sich auf das Wort eines Tyrannen nicht verlassen und der
Tyrann fühlte, wie wenig er den Gehorsam eines Helden
verdiente. Narses wurde seines Oberbefehles entsetzt, er
pflanzte eine unabhängige Fahne zu Hierapolis in Syrien auf,
ließ sich durch falsche Verheißungen täuschen und erlitt auf
dem Marktplatze in Konstantinopel den Feuertod. Des einzigen
Anführers beraubt, den sie fürchten oder achten konnten,
wurden die Scharen, die er zum Sieg geführt hatte, zweimal von
der persischen Reiterei durchbrochen, von den Elefanten
zertreten, von den Pfeilen der Barbaren erschossen und eine
große Anzahl Gefangener nach dem Urteilsspruch des Siegers.
der diese aufrührerischen Söldlinge mit Recht als Urheber oder
Mitschuldige der Ermordung des Mauritius verdammen konnte, auf
dem Schlachtfelde enthauptet. Unter der Regierung des Phocas
wurden die Festungen Merdin, Dara, Amida und Edessa
nacheinander von dem persischen Monarchen belagert, erobert
und geschleift. Er ging über den Euphrat, bemächtigte sich der
syrischen Städte Hierapolis, Chalcis, Beröa oder Aleppo und
belagerte bald Antiochia mit seinen unwiderstehlichen
Streitkräften (611). Die Schnelligkeit des Erfolges offenbart
den Verfall des Reiches, die Unfähigkeit des Phocas und die
Abneigung seiner Untertanen gegen ihn. Chosroes sorgte durch
einen Betrüger, der sein Lager als der Sohn des Mauritius
begleitete, für einen Vorwand zur Unterwerfung oder Empörung.
Die erste Nachricht, die Heraklius aus dem Osten empfing,
war die des Verlustes von Antiochia; aber diese alte, so oft
von Erdbeben zertrümmerte und von den Feinden geplünderte
Metropole konnte nur wenig Reichtum und Blut liefern. Gleich
siegreich aber glücklicher waren die Perser in der Plünderung
von Cäsarea, der Hauptstadt von Kappadokien, und je weiter sie
über die Bollwerke der Grenze, die Landmarken alter Kriege,
vordrangen, fanden sie minder hartnäckigen Widerstand und
reichere Ernte. Das schöne Tal von Damaskus war in allen
Jahrhunderten mit einer königlichen Stadt geschmückt gewesen;
ihr verborgenes Glück hat sie bisher dem Geschichtsschreiber
des römischen Reiches entzogen. Chosroes aber ließ seine
Truppen in dem Paradiese von Damaskus ausruhen, ehe er nach
den Bergen des Libanon emporstieg oder gegen die Städte der
phönizischen Küste zog. Die Eroberung von Jerusalem, die
Nushirwan im Sinne gehabt hatte, wurde durch den Eifer und die
Habsucht seines Enkels vollzogen. Die unduldsamen Magier
drangen mit Ungestüm auf die Vernichtung des stolzesten
Denkmals des Christentums, und er konnte zu diesem heiligen
Kriege auch eine Schar von sechsundzwanzigtausend Juden
verwenden, deren wütender Fanatismus ihren Mangel an
Tapferkeit und Heereszucht zum Teile ersetzte. Nach der
Bezwingung von Galiläa und dem Lande jenseits des Jordan,
dessen Widerstand das Schicksal der Hauptstadt verzögert zu
haben scheint, wurde Jerusalem selbst im Sturm genommen. Das
Grab Christi und die prachtvollen Kirchen der Helena und
Konstantins wurden von den Flammen verzehrt oder wenigstens
beschädigt. Die frommen Gaben dreier Jahrhunderte wurden an
einem einzigen Freveltage geraubt. Der Patriarch Zacharias und
das Kreuz wurden nach Persien verschleppt, und man schrieb die
Niedermetzelung von neunzigtausend Christen den Juden und
Arabern zu, die die Unordnung des persischen Zuges vergrößern
halfen. Die Flüchtlinge von Palästina wurden in Alexandria
durch die Mildtätigkeit des Erzbischofs Johann, der sich unter
einer Schar von Heiligen durch den Beinamen der Almosengeber
auszeichnet, unterstützt und die Einkünfte der Kirchen nebst
einem Schatze von dreihunderttausend Pfund ihren wahren
Eigentümern, den Armen jedes Landes, zurückgegeben. Aber
Ägypten selbst, die einzige Provinz, die seit der Zeit des
Diokletian von auswärtigem und innerem Kriege verschont
geblieben war, wurde abermals von den Nachfolgern des Cyrus
unterjocht (616). Pelusium, der Schlüssel dieses
unzugänglichen Landes, wurde von der Reiterei der Perser
überrumpelt; sie übersetzten ungestraft die unzähligen Kanäle
des Deltas und durchzogen das lange Niltal von den Pyramiden
von Memphis bis an die Grenzen von Äthiopien. Alexandria hätte
durch eine Flotte Beistand erhalten können, aber der
Erzbischof und der Präfekt schifften sich nach Zypern ein und
Chosroes zog in die zweite Stadt des Reiches, die noch immer
Reste ihres Gewerbefleißes und reichen Handels besaß. Sein
größtes Siegeszeichen wurde nicht auf den Mauern von Karthago,
sondern in der Nähe von Tripolis aufgerichtet. Die
griechischen Kolonien von Cyrene wurden vollends zerstört, und
der Sieger, in die Fußstapfen Alexanders des Großen tretend,
kehrte im Triumphe durch die lybische Wüste zurück. Im ersten
Feldzuge drang ein anderes Heer vom Euphrat nach dem
trazischen Bosporus vor. Chalcedon ergab sich nach einer
langen Belagerung und ein persisches Lager blieb über zehn
Jahre in der Nähe von Konstantinopel aufgeschlagen. Die
Seeküste von Pontus, die Stadt Ancyra, die Insel Rhodus werden
unter den letzten Eroberungen des großen Königs aufgezählt,
und wenn Chosroes eine Seemacht besessen hätte, würde er in
seinem grenzenlosen Ehrgeiz Sklaverei und Verheerung auch über
die europäischen Provinzen verbreitet haben.
Das Reich des Enkels Nushirwans dehnte sich somit plötzlich
von den so lange streitig gemachten Ufern des Tigris und
Euphrats bis an den Hellespont und Nil, die alten Grenzen der
persischen Monarchie, aus. Aber die Provinzbewohner, die durch
die jahrhundertelange Gewöhnung Tugenden und Laster der
römischen Bürger angenommen hatten, ertrugen mit Widerwillen
das Joch der Barbaren. Die Idee einer Republik wurde durch die
Einrichtungen oder wenigstens die Schriften der Griechen und
Römer lebendig erhalten, und die Untertanen des Heraklius
waren durch die Erziehung mit den Worten Freiheit und Recht
vertraut geworden. Aber es ist stets der Stolz und die Politik
der orientalischen Fürsten gewesen, ihre Titel zur Geltung zu
bringen und ihre Allmacht zu entfalten, einem Volke von
Sklaven ihren wahren Namen und verächtlichen Zustand vor Augen
zu führen und durch grausame und unverschämte Drohungen ihre
strengen und willkürlichen Befehle zu verschärfen. Den
Christen des Ostens gab die Verehrung des Feuers und die
gottlose Lehre von den beiden Urgewalten Ärgernis; die Magier
waren nicht minder unduldsam als die Bischöfe, und der
Märtyrertod einiger geborener Perser, die der Religion des
Zoroaster abtrünnig geworden waren, galt als Vorspiel einer
grimmigen und allgemeinen Verfolgung. Durch die drückenden
Gesetze Justinians waren die Gegner der Kirche in Feinde des
Staates verwandelt worden; der Beistand der Juden, Nestorianer
und Jakobiten hatte zum Erfolge des Chosroes beigetragen, und
seine parteiische Begünstigung dieser Sektierer erregte den
Grimm und die Besorgnisse der katholischen Geistlichkeit. Im
Bewußtsein, von seinen neuen Untertanen gehaßt und gefürchtet
zu werden, beherrschte sie der persische Eroberer mit eiserner
Strenge. Gleichsam an die Dauer seiner Macht nicht glaubend,
erschöpfte er ihren Reichtum durch unerschwingliche Steuern
und zügellosen Raub, plünderte oder zerstörte die Tempel des
Ostens und ließ das Gold, Silber, die kostbaren
Marmorstatuten, die Kunstwerke sowie die Künstler der
asiatischen Städte in seine Erblande schaffen. Es ist nicht
leicht, in dem düsteren Gemälde, das die Drangsale des Reiches
bildete, die Gestalt Chosroes' selbst zu erblicken, seine
Handlungen von denen seiner Unterbefehlshaber zu trennen oder
in dem allgemeinen Glänze, dem Ruhm und der Größe sein
persönliches Verdienst zu ermitteln. Er genoß prunkvoll die
Früchte des Sieges und zog sich von den Beschwerlichkeiten des
Krieges oft in das üppige Leben seines Palastes zurück.
Aberglaube oder Groll hielten ihn jedoch vierundzwanzig Jahre
davon ab, sich den Toren von Ktesiphon zu nähern, und seine
Lieblingsresidenz Artemita oder Dastadscherd lag jenseits des
Tigris, ungefähr sechzig Meilen nördlich von der Hauptstadt.
Rinderund Lämmerherden bedeckten die umliegenden Weiden, das
Paradies oder den Park füllten Fasane, Pfauen, Strauße, Rehe
und wilde Eber, und zuweilen wurden für die kühneren Jäger
Löwen oder Tiger losgelassen. Neunhundertsechzig Elefanten
wurden zum Gebrauche oder Glanze des Großkönigs unterhalten.
Zwölftausend große und achttausend kleinere Kamele trugen die
Zelte und das Gepäck des Großkönigs ins Feld. In den Ställen
standen sechstausend Maultiere und Pferde, von denen Shebdiz
und Barid ihrer Schnelligkeit und Schönheit wegen berühmt
geworden sind. Sechstausend Leibwachen zogen abwechselnd vor
dem Palaste auf. Der Dienst der inneren Gemächer wurde von
zwölftausend Sklaven versehen, und von dreitausend der
schönsten Jungfrauen Asiens durfte irgendeine glückliche junge
Nebenfrau ihren Gebieter über das Alter oder die
Gleichgültigkeit der Schirin trösten. Die verschiedenen
Schätze an Gold, Silber, Edelsteinen, Seide und Wohlgerüchen
wurden in hundert unterirdischen Gewölben aufbewahrt, und das
Gemach Badaverd enthielt auch noch das Eigentum des Heraklius,
das zufällig günstige Winde in einen der syrischen Häfen
seines Nebenbuhlers getrieben hatten. Lobrednerische Dichter
ermüdeten nicht, die dreißigtausend reichen Teppiche, welche
die Wände zierten, die vierzigtausend Säulen aus Silber oder
wahrscheinlicher aus Marmor und mit Silber verkleidetem Holze,
die das Dach trugen und die tausend Goldkugeln aufzuzählen,
die im Dome aufgehangen waren, um die Bewegungen der Planeten
und die Sternbilder des Tierkreises nachzuahmen. Während der
persische Monarch die Wunder der Kunst und seiner Macht
betrachtete, empfing er von einem unbekannten Einwohner von
Mekka ein Schreiben, worin er aufgefordert wurde, Mohammed als
Gottes Apostel anzuerkennen. Er verwarf die Aufforderung und
zerriß das Schreiben. »So wird Gott«, rief der arabische
Prophet, »das Reich des Chosroes zerreißen und sein Flehen
verwerfen.« Am Rande der beiden großen Reiche des Morgenlandes
beobachtete Mohammed mit geheimer Freude die Fortschritte
ihrer gegenseitigen Zerstörung und wagte, inmitten der
Triumphe der Perser, vorauszusagen, daß binnen wenigen Jahren
der Sieg wieder zu den Fahnen der Römer zurückkehren würde.
Zur Zeit, als diese Weissagung gemacht worden sein soll,
konnte keine Prophezeiung ihrer Erfüllung ferner sein, da in
den zwölf ersten Regierungsjahren des Heraklius das Reich
offenbar seiner nahen Auflösung entgegenging. Wenn die
Beweggründe des Chosroes rein und ehrenvoll gewesen wären,
würde der Kampf mit Phocas' Tode aufgehört haben, und er hätte
den glücklichen Afrikaner, der die Unbilden seines Wohltäters
Mauritius so hochherzig gerächt hatte, als seinen besten
Freund umarmen müssen. Die Fortsetzung des Krieges enthüllt
den wahren Charakter des Barbaren, der die Bittgesandtschaften
des Heraklius, die ihn zur Milde zu bewegen suchten, auf daß
er der Unschuldigen schone, einen Tribut anzunehmen und der
Welt den Frieden zu geben, entweder mit verächtlichem
Stillschweigen oder mit hochmütigen Drohungen abwies. Syrien,
Ägypten, Kleinasien waren von den persischen Waffen unterjocht
worden, während die unersättlich nach Blut und Kriegsbeute
dürstenden Avaren Europa von den Grenzen von Istrien bis zur
langen Mauer von Thrazien verheerten. Sie hatten ihre
männlichen Gefangenen auf dem heiligen Felde von Pannonien
kaltblütig niedergemetzelt; die Weiber und Kinder wurden zur
Knechtschaft verdammt, die edelsten Jungfrauen der Wollust der
Barbaren preisgegeben. Das liebestolle Weib, das die Tore von
Friaul geöffnet hatte, verbrachte eine kurze Nacht in den
Armen ihres königlichen Geliebten; am nächsten Abende wurde
Romilda gezwungen, die Umarmungen von zwölf Avaren zu dulden,
und am dritten Tage wurde die Langobardenfürstin im Lager an
einen Pfahl gespießt, während der Chagan mit grausamen Lachen
bemerkte, daß ein solcher Gatte die würdigste Belohnung ihrer
Geilheit und Treulosigkeit wäre. Von so unversöhnlichen
Feinden wurde Heraklius von allen Seiten gequält und belagert,
und das römische Reich beschränkte sich auf die Mauern von
Konstantinopel mit dem Reste von Griechenland, Italien und
Afrika und einigen Seestädten längs der asiatischen Küste von
Tyrus bis Trapezunt. Nach dem Verluste von Ägypten wurde die
Hauptstadt durch Hunger und Pest heimgesucht, und der Kaiser,
unfähig zum Widerstand und ohne Hoffnung auf Hilfe, hatte
beschlossen, sich und seine Regierung nach Karthago in
Sicherheit zu bringen. Schon waren die Schiffe mit den
Schätzen des Palastes beladen, da hemmte der Patriarch, der
die Macht der Religion im Dienste des Vaterlandes aufbot,
seine Flucht. Heraklius wurde zum Altar der Sophienkirche
geführt, wo man ihm den feierlichen Eid abnötigte, mit dem
Volke, das Gott seiner Obhut anvertraut habe, zu leben und zu
sterben. Der Chagan lagerte in den Ebenen von Thrazien, aber
er verbarg seine treulosen Pläne und ersuchte um eine
Unterredung mit dem Kaiser in der Nähe der Stadt Heraklea.
Ihre Aussöhnung wurde durch Zirkusspiele gefeiert. Senat und
Volk strömten in ihren besten Gewändern zum Friedensfeste und
die Avaren betrachteten neidisch und gierig den römischen
Luxus. Plötzlich wurde der Hippodrom von der Reiterei der
Avaren, die in der Nacht ihren geheimen Eilmarsch beschleunigt
hatten, umzingelt; der furchtbare Knall der Peitsche des
Chagan gab das Zeichen zum Sturme. Heraklius schlang sein
Diadem um den Arm und rettete sich nur mit großer Not durch
die Schnelligkeit seines Pferdes. So schnell war die
Verfolgung, daß die Avaren fast zu gleicher Zeit mit der
fliehenden Schar durch das goldene Tor von Konstantinopel
gedrungen wären. Mit der Beute der Vorstädte wurde ihre
Treulosigkeit belohnt, und zweihundertsiebzigtausend Gefangene
wurden von ihnen über die Donau geschleppt. Am Strande von
Chalcedon hatte der Kaiser in Sicherheit eine Unterredung mit
einem ehrenhafteren Feinde, der, bevor Heraklius aus seiner
Galeere stieg, mit Ehrfurcht und Mitleid die Majestät des
Purpurs begrüßte. Das freundschaftliche Angebot Sains, des
persischen Feldherrn, eine Gesandtschaft zum Großkönig zu
geleiten, wurde mit wärmstem Dank angenommen, und der
prätorianische Präfekt, der Präfekt der Stadt und einer der
ersten Geistlichen der Patriarchalkirche, überbrachten die
demütige Bitte um Schonung und Frieden. Aber der
Unterbefehlshaber des Chosroes hatte die Absichten seines
Gebieters mißverstanden. »Nicht eine Gesandtschaft «, rief der
Tyrann von Asien, »Heraklius selbst hätte er gefesselt vor die
Stufen meines Thrones bringen sollen. Ich werde nicht eher mit
dem römischen Kaiser Frieden schließen, als bis er seinen
gekreuzigten Gott abgeschworen und sich zum Dienste der Sonne
bekannt hat.« Sain wurde nach dem unmenschlichen Brauche
seines Vaterlandes lebendig geschunden. Dann verletzte man das
Völkerrecht und ein ausdrückliches Übereinkommen durch die
strenge Einkerkerung des Gesandten. Sechsjährige Erfahrung
bewog endlich den persischen Monarchen, die Eroberung von
Konstantinopel aufzugeben und den jährlichen Tribut oder das
Lösegeld des römischen Reiches zu bestimmen: tausend Talente
Gold, tausend Talente Silber, tausend seidene Gewänder,
tausend Pferde und tausend Jungfrauen. Heraklius nahm diese
schimpflichen Bedingungen an, aber die Zeit, die ihm gewährt
wurde, um in dem armen Osten solche Schätze zu sammeln, wurde
fleißig zu Rüstungen für einen kühnen und verzweifelten
Angriff benutzt.
Unter den berühmten historischen Gestalten ist Heraklius
eine der außerordentlichsten und sich am meisten
widersprechenden. In den ersten und letzten Jahren seiner
langen Regierung erscheint der Kaiser als Sklave der Trägheit,
der Vergnügungssucht oder des Aberglaubens, als der
leichtsinnige und ohnmächtige Zuschauer öffentlicher Not. Der
Arkadius des Palastes verwandelte sich indes bald in den Cäsar
des Lagers. Heraklius stellte seine und Roms Ehre durch die
Heldentaten und Trophäen von sechs kühnen Feldzügen wieder
her. Es wäre die Pflicht der byzantinischen
Geschichtsschreiber gewesen, die Ursachen seiner Untätigkeit
wie seiner plötzlichen Energie mitzuteilen. Wir können nach so
langer Zeit nur vermuten, daß er weit mehr persönlichen Mut
als politische Weisheit besaß. Durch die Reize und Intrigen
seiner Nichte Martina, mit der er nach dem Tode der Eudoxia
eine blutschänderische Ehe schloß, wurde er gefesselt, und
schließlich folgte er blindlings seinen verächtlichen,
Ratgebern, die als Grundsatz des Reiches geltend machten, daß
der Kaiser sein Leben nicht gefährden dürfe. Vielleicht, daß
die letzte übermütige Forderung des persischen Eroberers ihn
erweckte, aber zur Zeit, als Heraklius zum Helden wurde,
beruhte Roms einzige Hoffnung auf den Wechselfällen des
Glückes, die den stolzen Chosroes bedrohen mochten und die
denen, die bereits an der untersten Stufe der Demütigung
angelangt waren, nur günstig sein konnten. Es war dem Kaiser
gestattet worden, zur Herbeischaffung des Tributes sich an die
morgenländischen Provinzen zu wenden, und seine erste Sorge
war es, die Kriegskosten aufzubringen. Aber die Einkünfte
flossen nicht mehr so reich wie er es gewöhnt war. Heraklius
jedoch war mutig genug, den Reichtum der Kirche für seine
Zwecke in Anspruch zu nehmen, allerdings mit dem feierlichen
Gelübde, daß er alles, was er zu nehmen gezwungen sei, im
Dienste des Reiches und der Kirche verwenden und später alles
mit hohen Zinsen zurückerstatten werde. Die Geistlichkeit
selbst nahm lebendigen Anteil an der öffentlichen Not, und der
kluge Patriarch von Alexandria stand, ohne die Vermutung
aufkommen zu lassen, daß es sich um eine Verletzung des
Kircheneigentums handle, seinem Souverän durch die wunderbare
oder rechtzeitige Entdeckung eines geheimen Schatzes bei. Von
den Soldaten, die mit Phocas verschworen gewesen waren, hatten
nur zwei die Unbilden der Zeit und das Schwert der Barbaren
überlebt; der Verlust wurde durch die neuen Aushebungen des
Heraklius unvollkommen ersetzt, und das Gold der Kirche
vereinigte in ein und demselben Lager die Menschen, Waffen und
Sprachen des Morgen- wie des Abendlandes. Schon die bloße
Neutralität der Avaren mußte ihn zufriedenstellen, und seine
freundschaftliche Bitte, der Chagan möge nicht als Feind,
sondern als Beschützer des Reiches handeln, war mit einem
wirkungsvollen Geschenke von zweihunderttausend Goldstücken
begleitet. Zwei Tage nach dem Osterfeste (622) vertauschte der
Kaiser seinen Purpur mit dem einfachen Gewande eines Büßenden
und Kriegers und gab das Zeichen zum Aufbruch. Heraklius
empfahl seine Kinder der Treue des Volkes, legte die Zivil-
und Militärgewalt in die würdigsten Hände und stellte es der
Weisheit des Patriarchen und des Senates anheim, die Stadt zu
retten oder zu übergeben, wenn sie in seiner Abwesenheit von
überlegenen Streitkräften des Feindes auf das Äußerste
bedrängt werden sollte.
Die Höhen um Chalcedon waren mit Zelten und Waffen bedeckt;
wenn jedoch die neuangeworbenen Truppen übereilt zum Angriff
geführt worden wären, wäre ein Sieg der Perser vor
Konstantinopel der letzte Tag des römischen Reiches gewesen.
Nicht minder unklug wäre es gewesen, in die Provinzen von
Kleinasien vorzudringen, weil die Massen der persischen
Reiterei seine Zufuhren hätten abschneiden können und seine
Nachhut ermattet und in Unordnung gebracht hätten. Aber die
Griechen waren noch immer Herren des Meeres. Eine Flotte von
Galeeren, Transport- und Proviantschiffen sammelte sich im
Hafen. Die Barbaren willigten ein, an Bord zu gehen; ein
günstiger Wind führte sie durch den Hellespont. Die westliche
und südliche Küste von Kleinasien lag ihnen zur Linken. Der
Mut ihres Anführers zeigte sich zuerst während eines Sturmes,
und sogar die in seinem Gefolge befindlichen Eunuchen wurden
durch das Beispiel ihres Gebieters zur Standhaftigkeit und zu
Anstrengungen bewogen. Er setzte seine Truppen an den Grenzen
von Syrien und Kilikien, im Golfe von Svanderum, wo die Küste
sich gegen Süden wendet, ans Land, und die Wahl dieses
wichtigen Postens liefert einen Beweis seines Scharfblickes.
Von allen Seiten konnten da die zerstreuten Besatzungen der
Seestädte und Gebirge schnell und sicher den kaiserlichen
Fahnen zueilen. Die natürlichen Befestigungen Kilikiens
schützten, ja verbargen sogar das Lager des Heraklius, das in
der Nähe von Issus auf demselben Boden, wo Alexander die
Scharen des Darius besiegt hatte, aufgeschlagen war. Der
Winkel, den der Kaiser besetzte, schnitt tief in den Halbkreis
der kleinasiatischen, armenischen und syrischen Provinzen ein,
und nach welchem Punkte immer der Peripherie er seinen Angriff
richten mochte, fiel es ihm leicht, seine Bewegungen zu
verheimlichen und denen des Feindes zuvorzukommen. Im Lager
von Issus stellte der römische Feldherr die Trägheit und
Unordnung der älteren Soldaten ab und unterrichtete die
neuangeworbenen in der Geschichte und Ausübung der
kriegerischen Taten. Durch die Enthüllung des wundertätigen
Bildes Christi reizte er sie, die heiligen Altäre zu rächen,
die durch die Feueranbeter entweiht worden waren. Er redete
die Soldaten mit den Namen Söhne und Brüder an und beklagte
das öffentliche und private Unglück des Reiches. Die
Untertanen eines Monarchen wurden überredet, daß sie für die
Sache der Freiheit fochten. Eine ähnliche Begeisterung ergriff
die fremden Soldtruppen, denen eigentlich die Interessen Roms
ebenso gleichgültig sein konnten wie die Persiens. Heraklius
selbst schärfte ihnen mit der Geschicklichkeit und der Geduld
eines Centurionen die Lehren der Taktik ein und die Soldaten
wurden unablässig im Gebrauche ihrer Waffen und Schlachten
schlagen geübt. Die Reiterei und das Fußvolk, Schwer- und
Leichtbewaffnete wurden in zwei Haufen geteilt; die Trompeter
befanden sich in der Mitte, und ihre Signale leiteten den
Marsch, den Angriff, den Rückzug, die Verfolgung, den geraden
oder schiefen Aufmarsch, die tiefe und ausgedehnte Phalanx, um
im Scheinkampfe den wirklichen Krieg darzustellen. Die
Beschwerden, denen der Kaiser seine Truppen unterwarf, trug er
selbst in gleicher Schwere; ihre Arbeit, ihr Schlaf waren nach
den feststehenden Regeln der Heereszucht bemessen, und ohne
den Feind zu verachten, lernten sie ein unbedingtes Vertrauen
in ihre eigene Tapferkeit und in die Weisheit ihres Führers zu
setzen. Kilikien wurde bald von den persischen Truppen
eingeschlossen, aber ihre Reiterei zögerte, sich den Engpässen
des Taurusgebirges anzuvertrauen, bis sie durch Heraklius
eingeschlossen wurde, der ihr unvermerkt in den Rücken fiel
und ihr seine Front in Schlachtordnung darbot. Durch eine
Scheinbewegung, die Armenien zu bedrohen schien, verwickelte
er die Perser gegen ihre Wünsche in ein allgemeines Gefecht.
Die vorgetäuschte Unordnung seines Lagers verführte sie zum
Angriff. Als sie aber zum Kampfe vorrückten, war der Boden,
die Sonne, kurz alles den Barbaren ungünstig. Die Römer
verwendeten ihre Taktik mit Erfolg auf dem Schlachtfelde, und
der Ausgang des Tages verkündete der Welt, daß die Perser
nicht unbesieglich wären und daß ein Held den Purpur trug.
Durch Sieg und Ruhm erstarkt, überstieg Heraklius kühn die
Höhen des Taurusgebirges, marschierte durch die Ebenen von
Kappadozien und schlug seine Winterquartiere im gesicherten
und reichen Land auf. Er war über die Eitelkeit, in
Konstantinopel einen unvollständigen Triumph zu feiern,
erhaben, aber die Anwesenheit des Kaisers war unerläßlich, um
die unruhigen und raubsüchtigen Avaren in Schach zu halten.
Seit den Tagen Scipios und Hannibals wurde kein kühneres
Unternehmen zur Befreiung des Reiches versucht als das des
Heraklius. Der Kaiser ließ die Perser für eine Weile die
Provinzen unterdrücken und die Hauptstadt des Ostens
beschimpfen, indes er selbst den gefährlichen Weg übers
Schwarze Meer und über die Gebirge Armeniens einschlug, in das
Herz Persiens eindrang und so die Heere des Großkönigs zur
Verteidigung ihres blutenden Vaterlandes zurückrief. Mit einer
auserlesenen Schar von fünftausend Kriegern segelte Heraklius
von Konstantinopel nach Trapezunt, zog dort die Streitkräfte
an sich, die in den Bezirken von Pontus überwintert hatten und
rief von der Mündung des Phasis bis zum Kaspischen Meere seine
Untertanen und Bundesgenossen auf, mit ihm, dem Nachfolger
Konstantins, unter der wahren und siegreichen Fahne des
Kreuzes ins Feld zu ziehen. Als die Legionen des Lucullus und
Pompejus zum ersten Male über den Euphrat gingen, erröteten
sie ob ihres leichten Sieges über die Armenier. Aber die
langen und häufigen Kriege hatten die Seelen und Leiber dieses
verweichlichten Volkes gestählt; ihr Eifer und ihre Tapferkeit
zeichneten sich im Dienste eines sinkenden Reiches aus. Sie
verabscheuten und fürchteten die Gewaltherrschaft des Hauses
Sassan, und die Erinnerung an die Christenverfolgungen
steigerte ihren Haß gegen die Feinde Christi. Die Grenzen von
Armenien, wie es dem Kaiser Mauritius abgetreten worden war,
erstreckten sich bis zum Araxes. Heraklius, den Fußstapfen des
Marcus Antonius folgend, rückte bis Tauris oder Gandzaca, der
alten und auch jetzigen Hauptstadt einer der medischen
Provinzen, vor. An der Spitze von vierzigtausend Mann war
Chosroes selbst von irgendeinem fernen Zuge zurückgekehrt, um
die Römer aufzuhalten. Er zog sich aber bei Annäherung des
Heraklius zurück und wich der Wahl zwischen Frieden oder
Schlacht aus. Statt einer halben Million Einwohner, die man
Tauris unter der Regierung der Sophis zugesprochen hat, hatte
die Stadt nur dreihunderttausend Häuser. Aber der Wert der
königlichen Schätze wurde durch die Sage erhöht, daß es die
dem Krösus abgenommene Beute wäre, die Cyrus von der Zitadelle
von Sardes dahin hätte schaffen lassen. Nur der Winter hielt
die schnellen Eroberungen des Heraklius auf; Klugheit oder
Aberglauben bewog ihn zum Rückzug nach Albanien längs den
Küsten des Kaspischen Meeres, und seine Zelte waren
höchstwahrscheinlich in den Ebenen von Mogan, dem
Lieblingslager der orientalischen Fürsten, aufgeschlagen. Mit
diesem Einfall zeigte er den Eifer und die Rache eines
christlichen Kaisers. Auf seinen Befehl löschten die Soldaten
das Feuer der Magier aus und zerstörten ihre Tempel. Die
Standbilder des Chosroes, der göttliche Ehrenbezeigungen
anstrebte, wurden in die Flammen geworfen und die Trümmer von
Thebarma oder Ormia, dem Geburtsorte Zoroasters, sühnten
einigermaßen die dem heiligen Grabe widerfahrenen Unbilden.
Einen reineren Religionsgeist bewies er durch Unterstützung
und Freilassung von fünfzigtausend Gefangenen. Heraklius ward
durch Tränen und dankbares Freudengeschrei belohnt, und diese
weise Maßnahme, die den Ruf seiner Milde verbreitete,
steigerte das Murren der Perser gegen den Stolz und die
Hartnäckigkeit ihres eigenen Souveräns.
Während des folgenden glänzenden Feldzuges ist Heraklius
fast unseren als auch den Blicken der byzantinischen
Geschichtsschreiber entzogen. Aus den weiten, fruchtbaren
Ebenen von Albanien folgte der Kaiser dem Zuge der
hyrkanischen Bergkette, stieg in die Provinz Medien oder Irak
nieder und trug seine siegreichen Waffen bis zu den
Königstädten Casbin und Ispahan, denen sich noch niemals ein
römischer Eroberer genähert hatte. Über die Gefahr, die seinem
Königreich drohte, bestürzt, hatte Chosroes bereits seine
Streitkräfte vom Nil und aus dem Bosporus abberufen, denn drei
furchtbare Heere umringten in Feindesland das Lager des
Kaisers. Die kolchischen Bundesgenossen schickten sich an,
seine Fahnen zu verlassen, und das mutlose Schweigen der
tapfersten Veteranen offenbarte ihre Besorgnisse mehr als es
sie verbarg. »Zittert nicht«, rief der unerschrockene
Heraklius, »ob der Menge eurer Feinde. Mit Gottes Hilfe kann
ein Römer über tausend Barbaren siegen. Wenn aber unser Leben
der Rettung unserer Brüder zum Opfer fällt, erlangen wir die
Krone des Märtyrertums und Gott und die Nachwelt werden uns
reichen und unsterblichen Lohn geben.« Diesen hochherzigen
Gesinnungen entsprachen Heldentaten. Er schlug den dreifachen
Angriff der Perser zurück, benützte die
Meinungsverschiedenheiten ihrer Anführer und jagte sie endlich
nach wohlberechneten Märschen, Rückzügen und Gefechten aus dem
Felde in die festen Städte von Medien und Assyrien. Sabaraza
hielt sich während des strengen Winters in Salban für sicher.
Heraklius aber, der seine Truppen teilte und in tiefer Nacht
einen beschwerlichen Marsch ausführte, überrumpelte ihn. Die
flachen Dächer der Häuser wurden mit Tapferkeit vergeblich
gegen die Pfeile und Pechkränze der Römer verteidigt; die
persischen Satrapen und Großen mit ihren Gattinnen und Kindern
und mit der kriegerischen Jugend fanden entweder den Tod oder
mußten sich ergeben. Der Feldherr entkam durch schleunige
Flucht, aber seine goldene Rüstung fiel in die Hände des
Siegers und die Soldaten des Heraklius erfreuten sich des
Reichtums und der Ruhe, die sie so sehr verdient hatten. Als
der Frühling wiederkehrte, durchzog er in sieben Tagen die
Gebirge Kurdistans und übersetzte, ohne Widerstand zu finden,
den reißenden Tigris. Durch Beute und Gefangene fast erdrückt,
machten die Römer unter den Mauern von Amida Halt, und
Heraklius teilte dem Senat von Konstantinopel seinen Erfolg
mit, den die Stadt bereits durch den Abzug ihrer Belagerer
gespürt hatte. Die Brücken über den Euphrat waren von den
Persern zerstört worden; kaum hatte jedoch der Kaiser eine
Furt entdeckt, als sie sich eilig zurückzogen, um die Ufer des
Sarus in Kilikien zu verteidigen. Dieser Fluß, ein wilder
Bergstrom, war gegen dreihundert Fuß breit. Die Barbaren
hatten die Brücke mit starken Türmen befestigt und ihre
Bogenschützen hielten die Ufer besetzt. Nach einem blutigen
Kampfe, der bis zum Abend währte, glückte den Römern der
Sturm, und ein Perser von gigantischem Wüchse wurde von des
Kaisers eigenen Händen getötet und in den Sarus geworfen. Die
bestürzten Feinde wurden zerstreut und verfolgt. Heraklius
setzte seinen Marsch nach Sebaste in Kappadozien fort, und
nach Ablauf von drei Jahren feierte man an der nämlichen Küste
des Schwarzen Meeres die Rückkehr des Kaisers von einem langen
und glücklichen Kriegszuge.
Statt an den Grenzen zu Scharmützeln, richtete jeder der
beiden Monarchen, die miteinander um die Herrschaft im Osten
kämpften, seine verzweifelten Schläge nach dem Herzen des
Nebenbuhlers. Die Streitkräfte Persiens waren durch die
Märsche und Kämpfe im Verlauf von zwanzig Jahren geschmolzen,
und viele der Veteranen, die weder dem Schwert noch dem Klima
erlegen waren, wurden noch in den Festungen Syriens oder
Ägyptens zurückgehalten. Aber Chosroes' Rachedurst und Ehrgeiz
erschöpfte sein Reich, Er teilte die neu ausgehobenen
Untertanen, Fremde und Sklaven, in drei furchtbare Heere. Die
erste Armee von fünfzigtausend Mann, ausgezeichnet durch
Schmuck und den Titel der goldenen Speere, sollte gegen
Heraklius ziehen. Die zweite nahm eine Stellung ein, um dessen
Vereinigung mit den Truppen seines Bruders Theodorus zu
verhindern. Die dritte endlich hatte Befehl, Konstantinopel zu
belagern und die Unternehmungen des Chagan, mit dem der
persische König einen Bündnis- und Teilungsvertrag
abgeschlossen hatte, zu unterstützen. Sarbar, der Anführer
dieser dritten Armee, drang durch die Provinzen von Asien nach
dem wohlbekannten Lager von Chalcedon und zerstörte die
heiligen und weltlichen Gebäude der asiatischen Vorstädte,
während er ungeduldig des Eintreffens seiner skythischen
Bundesgenossen am anderen Gestade des Bosporus harrte. Am 29.
Juni 626 brachen dreißigtausend Barbaren, die Vorhut der
Avaren, durch die lange Mauer und trieben einen wirren Haufen
Bauern, Bürger und Soldaten vor sich her in die Hauptstadt.
Unter der Fahne des Chagan kämpften achtzigtausend seiner
eigenen Untertanen und der von ihm abhängigen Stämme der
Gepiden, Russen, Bulgaren und Slawen. Ein Monat verging mit
Märschen und Unterhandlungen. Am 31. Juli aber war die ganze
Stadt von den Vorstädten von Pera und Galata bis zu den
Blachernä oder sieben Türmen eingeschlossen, und die Einwohner
gewahrten mit Entsetzen die Feuerzeichen auf dem europäischen
wie dem asiatischen Gestade. Inzwischen versuchten die
Machthaber von Konstantinopel wiederholt, den Rückzug des
Chagan zu erkaufen; aber ihre Abgeordneten wurden abgewiesen
und beschimpft, ja er ließ die Patrizier vor seinem Throne
stehen, während die persischen Gesandten in seidenen Gewändern
ihm zur Seite saßen. »Ihr seht«, sprach der stolze Barbar,
»die Beweise meines vollkommenen Einverständnisses mit dem
Großkönig. Sein Stellvertreter schickt sich an, eine
auserlesene Schar von dreitausend Kriegern in mein Lager zu
senden. Erdreistet euch nicht länger, euren Gebieter durch das
Angebot unangemessenen Lösegeldes versuchen zu wollen; eure
Reichtümer und eure Stadt sind die einzigen meiner Annahme
würdigen Geschenke. Was euch betrifft, will ich jedem
erlauben, mit einem Unterkleide und einem Hemde abzuziehen,
und mein Freund Sarbar wird euch auf meine Bitte den Durchzug
durch seine Reihen gewähren. Euer abwesender Fürst, in diesem
Augenblicke entweder Gefangener oder Flüchtling, hat
Konstantinopel seinem Schicksal überlassen; ihr vermögt den
Avaren und den Persern nicht zu entgehen, außer ihr könnt euch
in die Luft emporschwingen wie die Vögel oder unter das Wasser
tauchen wie die Fische.« Zehn Tage hintereinander wurde die
Hauptstadt von den Avaren, die einige Fortschritte in der
Belagerungskunst gemacht hatten, angegriffen; sie rückten
unter dem Schutze eines undurchdringlichen Schirmdaches vor,
um die Mauern zu untergraben oder zu erschüttern. Ihre
Maschinen spieen einen unaufhörlichen Regen von Steinen und
Wurfspießen aus und zwölf hohe Holztürme brachten die
Kämpfenden auf gleiche Höhe mit den benachbarten Wällen. Aber
Senat und Volk waren von Heraklius' Geiste beseelt, der eine
Abteilung von zwölftausend geharnischten Reitern zu ihrer
Unterstützung entsandte. Feuer und Technik wurden zur
Verteidigung von Konstantinopel mit überlegener Kunst
angewendet; die Galeeren mit zwei oder drei Ruderbänken
beherrschten den Bosporus und machten die Perser zu müßigen
Zuschauern der Niederlage ihrer Bundesgenossen. Die Avaren
wurden zurückgeschlagen und eine Flotte slawischer Schiffe im
Hafen vernichtet. Die Vasallen des Chagan drohten, ihn zu
verlassen. Seine Vorräte waren erschöpft, und er gab, nachdem
er seine Maschinen verbrannt hatte, das Zeichen zu einem
langsamen und verheerenden Abzuge. Die frommen Römer schrieben
diese denkwürdige Befreiung der Jungfrau Maria zu; die Mutter
Christi würde aber gewiß die unmenschliche Ermordung der
persischen Gesandten verdammt haben, die auf Menschheitsrechte
Anspruch hatten, wenn sie auch nicht durch das Völkerrecht
beschützt wurden.
Heraklius ging nach der Teilung seines Heeres wohlweislich
nach dem Ufer des Phasis zurück, von wo aus er einen
Verteidigungskrieg gegen die fünfzigtausend goldenen Speere
von Persien führte. Seine Besorgnisse wurden durch die
Befreiung von Konstantinopel gehoben, seine Hoffnungen durch
einen Sieg seines Bruders Theodorus gesteigert, und dem
feindlichen Bunde des Chosroes mit den Avaren setzte der
römische Kaiser das nützliche und ehrenvolle Bündnis mit den
Türken entgegen. Seiner freundlichen Einladung folgend,
verpflanzte die Horde der Chozaren ihre Zelte aus den
Wolgaebenen nach den Gebirgen von Georgien. Heraklius empfing
sie in der Nähe von Tiflis. Der Khan und seine Großen stiegen
von den Pferden und warfen sich, wenn wir den Berichten der
Griechen Glauben beimessen, zu Boden, um den Cäsar anzubeten.
Eine so freiwillige Huldigung und ein so wichtiger Beistand
beanspruchte die wärmste Anerkennung. Der Kaiser nahm sein
eigenes Diadem und setzte es auf das Haupt des türkischen
Fürsten, den er mit einer liebevollen Umarmung und dem Namen
Sohn begrüßte. Nach einem prachtvollen Bankett beschenkte er
Ziebel mit den Silbergeschirren und dem Schmucke, dem Golde,
den Edelsteinen und der Seide, die man bei der kaiserlichen
Tafel verwendet hatte und verteilte eigenhändig unter seine
Bundesgenossen Juwelen und kostbare Ohrringe. In einer
geheimen Unterredung zeigte er ihm das Bild seiner Tochter
Eudokia und ließ sich herab, dem Barbaren durch das
Versprechen einer schönen kaiserlichen Braut zu schmeicheln.
Dadurch erlangte er unverzüglich einen Beistand von
vierzigtausend Pferden, und die Türken unternahmen überdies
einen Ablenkungsangriff gegen die Feinde vom Oxus her. Die
Perser zogen sich nun ihrerseits eilig zurück. Heraklius
musterte im Lager von Edessa ein Heer von siebzigtausend
Römern und Fremden und verbrachte mehrere Monate mit der
glücklichen Wiedereroberung der Städte Syriens, Armeniens und
Mesopotamiens, deren Befestigungen unvollständig hergestellt
worden waren. Sarbar hielt noch den wichtigen Posten von
Chalcedon besetzt, aber Chosroes' Eifersucht oder eine List
des Heraklius entfremdeten diesen mächtigen Satrapen bald dem
Dienste seines Königs und Vaterlandes. Ein Bote wurde mit
einem wirklichen oder erdichteten Auftrage an den Cadarigan
oder zweiten Befehlshaber aufgefangen, wodurch dieser
aufgefordert wurde, unverzüglich das Haupt des schuldigen oder
unglücklichen Feldherrn Chosroes zu bringen. Die Depeschen
wurden Sarbar übersandt, und sowie er sein Todesurteil gelesen
hatte, fügte er geschickt die Namen von vierhundert Offizieren
darin ein, versammelte den Kriegsrat und fragte den Cadarigan,
ob er bereit wäre, die Befehle ihres Tyrannen zu vollziehen?
Die Perser erklärten einmütig, daß Chosroes das Szepter
verwirkt habe. Ein Sondervertrag wurde mit der Regierung von
Konstantinopel geschlossen, und wenn auch Ehre oder politische
Gründe Sarbar abhielten, offen zu Heraklius zu stoßen, so war
der Kaiser doch sicher, daß er nun ungestört seine Sieges- und
Friedenspläne verfolgen könne.
Seiner festesten Stütze beraubt und an der Treue seiner
Untertanen zweifelnd, leuchtete Chosroes' Größe auch noch, als
sie bereits in Trümmern lag. Die Zahl 500.000 mag als
orientalische Metapher gelten, um die Menschen und Waffen, die
Pferde und Elefanten zu bezeichnen, die Medien und Assyrien
gegen den Einfall des Heraklius decken sollten. Trotzdem
drangen die Römer dreist vom Araxes nach dem Tigris vor. Der
kluge Rhazates begnügte sich indes, ihnen in Eilmärschen durch
ein verheertes Land zu folgen, bis er den Befehl erhielt, das
Schicksal Persiens in einer entscheidenden Schlacht aufs Spiel
zu setzen, östlich vom Tigris am Ende der Brücke von Mosul
hatte einst Ninive gestanden. Die Stadt, ja selbst ihre Ruinen
waren seit langer Zeit verschwunden, und nun bot dieser Platz
ein geräumiges Feld für die Bewegungen der beiden Heere. Aber
die taktischen Bewegungen werden von den byzantinischen
Geschichtschreibern nicht geschildert, und gleich Epikern oder
Romandichtern schreiben sie den Sieg nicht der Kriegskunst,
sondern der persönlichen Tapferkeit ihres Lieblingshelden zu.
An diesem denkwürdigen Tage (1. Dezember 627) übertraf
Heraklius auf seinem Rosse Phallas seine tapfersten Krieger.
Seine Lippe wurde von einem Speer durchbohrt, sein Pferd an
der Hüfte verwundet, aber es trug seinen Gebieter sicher und
siegreich durch die dreifache Phalanx der Barbaren. In der
Hitze des Gefechtes fielen nacheinander drei tapfere Anführer
durch die Lanze oder das Schwert des Kaisers, unter ihnen
Rhazates; er starb den Tod eines Kriegers. Er brachte jedoch
Schmerz und Verzweiflung in die ermattenden Reihen der Perser.
Seine Rüstung aus reinem, massiven Golde, der Schild aus
einhundertzwanzig Platten, Schwert und Gürtel, Sattel und
Panzer schmückten den Triumph des Heraklius, und wenn er nicht
Christus und dessen Mutter treu geblieben wäre, hätte der
römische Held die vierten Spolia opima dem Jupiter des
Kapitols opfern können. In der Schlacht von Ninive, in der mit
größter Erbitterung von Tagesanbruch bis zur elften Stunde
gekämpft wurde, verloren die Perser achtundzwanzig Fahnen, die
zerbrochenen oder zerrissenen nicht gerechnet. Der größte Teil
ihres Heeres wurde in Stücke gehauen, und die Sieger brachten,
um ihren Verlust zu verheimlichen, die Nacht auf dem
Schlachtfelde zu. Sie gestanden, daß es diesmal leichter
gewesen sei, die Soldaten Chosroes' zu töten, als sie in die
Flucht zu treiben. Mitten unter den Leichen der ihrigen, nicht
weiter als zwei Bogenschüsse vom Feind entfernt, stand die
persische Reiterei fast bis zur siebenten Nachtstunde; um die
achte kehrten sie in ihr unversehrtes Lager zurück, sammelten
ihr Gepäck und zerstreuten sich nach allen Seiten mehr aus
Mangel an Befehlen als an Entschlossenheit. Heraklius war bei
der Ausnützung des Sieges nicht minder bewunderungswürdig.
Infolge eines Marsches von achtundvierzig Meilen in
vierundzwanzig Stunden besetzte seine Vorhut die Brücke über
den großen und kleinen Zab, und die Städte und Paläste
Assyriens standen zum ersten Male den Römern offen. Sie
drangen bis zur königlichen Residenz Dastadscherd vor, und
obwohl von den Schätzen vieles entfernt, vieles verteilt
worden war, übertraf der noch vorhandene Reichtum ihre
Erwartungen, ja befriedigte sogar ihre Habsucht. Was nicht gut
fortgeschafft werden konnte, verbrannten sie, damit Chosroes
die Bitterkeit jener Wunden fühle, die er so oft den Provinzen
des Reiches geschlagen hatte. Ja man könnte gerechterweise
diese Entschuldigungen gelten lassen, wenn nur Gegenstände,
die dem königlichen Luxus gedient hatten, zerstört worden
wären und wenn nicht Nationalhaß, militärische Zügellosigkeit
und Religionseifer mit gleicher Wut die Wohnungen und Tempel
der schuldlosen Untertanen zerstört hätte. Die Wiedererlangung
von dreihundert römischen Fahnen und die Befreiung der
zahlreichen Gefangenen von Edessa und Alexandria zeigten
Heraklius in reinerem Glänze. Vom Palaste von Dastadscherd
setzte er seinen Marsch bis auf wenige Meilen von Modain oder
Ktesiphon fort, wurde aber endlich an den Ufern des Arba durch
den schwierigen Übergang, die Strenge der Jahreszeit und
vielleicht auch durch den Ruf der Uneinnehmbarkeit der
Hauptstadt aufgehalten. Der Ort, von wo der Kaiser
zurückkehrte, wird neuerlich als Stadt Sherzur bezeichnet. Er
kam glücklich vor dem Schnee, der vierunddreißig Tage hindurch
ununterbrochen fiel, über das Zaragebirge und die Bürger von
Gandzaca oder Tauris mußten seine Soldaten samt ihren Pferden
gastfrei aufnehmen und bewirten.
Als Chosroes sich in seinem Ehrgeiz auf die Verteidigung
seines ererbten Königreiches beschränken mußte, hätte ihn
Ruhmsucht, ja sogar nur Schamgefühl antreiben sollen, sich mit
seinem Gegner im Felde zu messen. In der Schlacht von Ninive
hätte er mutvoll die Perser zum Siege führen oder er hätte
ehrenvoll durch eine römische Lanze getötet werden können. Der
Nachfolger des Cyrus zog es aber vor, den Ausgang in sicherer
Entfernung abzuwarten, die der Niederlage entronnenen Truppen
zu sammeln und sich langsam vor dem andringenden Heraklius
zurückzuziehen, bis er mit einem Seufzer den einst geliebten
Palast von Dastadscherd erreichte. Freunde wie Feinde waren
überzeugt, es sei Chosroes' Absicht, sich unter den Trümmern
der Stadt und des Palastes begraben zu lassen, und da sich
beide seiner Flucht in gleichem Maße widersetzten, entwich der
asiatische Monarch mit Sira und drei Nebenfrauen durch ein
Loch in der Mauer (29. Dezember), neun Tage vor der Ankunft
der Römer. Der langsam sich bewegende, prachtvolle Zug, in dem
er sich sonst den zur Erde gebückten Scharen zeigte,
verwandelte sich in schnelle und geheime Flucht. Er schlief
die erste Nacht in einer Bauernhütte, deren niedrige Tür den
Großkönig kaum einließ. Sein Aberglaube wurde durch Furcht
besiegt. Er betrat freudig am dritten Tage die befestigten
Mauern von Ktesiphon, zweifelte jedoch an seiner Sicherheit,
so lange nicht der Tigris zwischen ihm und den Römern lag.
Seine Flucht versetzten Palast, Stadt und Lager von
Dastadscherd in Bestürzung und Aufruhr. Die Satrapen wußten
nicht, ob sie ihren Souverän oder den Feind mehr zu fürchten
hatten, und die Haremsfrauen wurden durch den Anblick von
Männern überrascht und erfreut, bis der eifersüchtige Gebieter
über dreitausend Frauen sie wieder in ein entfernteres Schloß
einsperrte. Auf seinen Befehl zog sich das Heer von
Dastadscherd in ein neues Lager zurück; die Front wurde durch
den Arba und eine Linie von zweihundert Elefanten gedeckt. Die
Truppen der ferneren Provinzen langten nacheinander an. und
selbst die niedrigsten Diener des Königs und der Satrapen
mußten als letztes Aufgebot zur Verteidigung des Thrones zu
den Waffen greifen. Noch stand es in Chosroes' Macht, einen
vernünftigen Frieden zu schließen, und die Gesandten des
Heraklius drangen wiederholt in ihn, seine Untertanen zu
schonen und dem menschenfreundlichen Sieger die schmerzliche
Notwendigkeit zu ersparen, die schönsten Provinzen Asiens mit
Feuer und Schwert zu verheeren. Aber der Stolz des Persers war
noch nicht gebrochen. Er schöpfte aus dem Rückzug des Kaisers
trügerische Zuversicht, weinte in ohnmächtiger Wut über die
Zertrümmerung seiner assyrischen Paläste und ließ allzulange
das immer stärker werdende Murren seines Volkes unbeachtet,
das klagte, daß sein Leben und seine Habe dem Starrsinn eines
alten Mannes geopfert wunden. Dieser unglückliche alte Mann
war selbst von den bittersten seelischen und körperlichen
Schmerzen gefoltert und beschloß im Gefühle seines
herannahenden Endes, die Tiara dem geliebtesten seiner Söhne,
Merdaza, aufs Haupt zu setzen. Aber der Wille des Chosroes
wurde nicht mehr beachtet. Siroes, stolz auf den Rang und das
Verdienst seiner Mutter Sira, hatte geschworen, die Rechte der
Erstgeburt zu behaupten. Zweiundzwanzig Satrapen, sie nannten
sich Patrioten, ließen sich durch die Reichtümer und die
Ehrenstellen, die eine neue Regierung zu vergeben hat,
verführen. Den Soldaten versprach der Erbe des Chosroes
Erhöhung des Soldes, den Christen Religionsfreiheit, den
Gefangenen Freiheit und Belohnung, der Nation unverzüglichen
Frieden und Steuerherabsetzung. Die Verschworenen beschlossen,
daß sich Siroes mit den Abzeichen der königlichen Würde im
Lager zeigen solle, und für den Fall des Mißlingens des
Unternehmens ward seine Flucht an den kaiserlichen Hof
vorbereitet. Aber der neue Monarch wurde einstimmig mit
Freudengeschrei begrüßt, Chosroes auf der Flucht (aber wohin
hätte er fliehen können?) verhaftet. Achtzehn Söhne wurden vor
seinen Augen ermordet und er selbst in einen Kerker geworfen,
in dem er am fünften Tage starb (28. Februar 628). Die
Griechen und neueren Perser beschreiben genau, wie Chosroes
auf Befehl seines unmenschlichen Sohnes, der so gar nicht
seinem Vater nachgeriet, beschimpft und gefoltert wurde und
schließlich den Hungertod erlitt; aber wer konnte zur Zeit
seines Todes die Geschichte eines Vatermordes erzählen?
Welches Auge in den finsteren Turm dringen? Nach dem Glauben
seiner christlichen Feinde sank er in die Hölle, und man kann
in der Tat nicht leugnen, daß der Tyrann solch höllische
Wohnung verdiente. Der Glanz des Hauses der Sassaniden endete
mit Chosroes Leben. Sein unnatürlicher Sohn genoß nur acht
Monate die Früchte seiner Verbrechen. Im Laufe von fünf Jahren
erhoben sich neun Thronprätendenten, die sich mit Schwert oder
Dolch die Reste einer erschöpften Monarchie streitig machten.
Jede Provinz, jede Stadt Persiens war der blutige Schauplatz
der Unabhängigkeit und der Zwietracht, und diese Anarchie
währte noch acht Jahre, bis die Parteien unter dem gemeinsamen
Joche der arabischen Kalifen vereinigt und zum Schweigen
gebracht wurden.
Sowie die Gebirge wieder gangbar geworden waren, empfing
der Kaiser die willkommene Nachricht von dem günstigen Erfolge
der Verschwörung, dem Tode Chosroes' und der Thronbesteigung
seines ältesten Sohnes. Die Anstifter der Verschwörung waren,
um ihre Verdienste am Hofe oder im Lager von Tauris geltend zu
machen, den Gesandten des Siroes, die ein Schreiben ihres
Gebieters an seinen Bruder, den römischen Kaiser, zu
überbringen hatten, vorausgeeilt. Siroes schrieb in der
Sprache aller Thronräuber seine eigenen Verbrechen der
Gottheit zu und erbot sich, ohne seiner Majestät etwas zu
vergeben, die lange Zwietracht der beiden Nationen durch einen
Friedens- und Freundschaftsvertrag zu beenden, der dauerhafter
sein sollte als Erz und Eisen. Der Vertrag wurde bald
abgeschlossen und seine Bedingungen treulich erfüllt. Durch
die Wiedererlangung der Fahnen und Gefangenen, die in die
Hände der Perser gefallen waren, ahmte der Kaiser das Beispiel
des Augustus nach. Die Fürsorge dieser beiden Fürsten für die
Nationalwürde wurde von den zeitgenössischen Dichtern
gefeiert, aber wie sehr das Land geistig in Verfall geraten
war, läßt sich aus dem großen Unterschied zwischen Horaz und
Georg von Pisidien ersehen. Die Untertanen und Brüder des
Heraklius wurden aus Verfolgung, Sklaverei und Elend errettet,
aber statt römischer Adler wurde das Holz des Kreuzes auf das
ungestüme Verlangen von Konstantins Nachfolger zurückgegeben.
Der Sieger geizte nicht danach, die Grenzen des geschwächten
Reiches zu erweitern. Der Sohn des Chosroes leistete ohne
Bedauern auf die Eroberungen seines Vaters Verzicht. Die
Perser, welche die Städte von Syrien und Ägypten räumten,
wurden ehrenvoll bis an die Grenzen geführt, und ein Krieg,
der beide Monarchien so sehr verwundet hatte, brachte in ihrer
äußeren gegenseitigen Lage keine Veränderung hervor. Die
Rückkehr des Heraklius von Tauris nach Konstantinopel war ein
ununterbrochener Triumph, und er genoß nach den Heldentaten
von sechs glorreichen Feldzügen in Frieden die Früchte seiner
Mühen. Nach langem Harren gingen Senat, Geistlichkeit und Volk
ihrem Helden unter Tränen und Freudengeschrei, mit Ölzweigen
und unzähligen Fackeln entgegen. Er fuhr auf einem von vier
Elefanten gezogenen Wagen in die Hauptstadt ein, und sobald er
sich dem öffentlichen Jubel entzogen hatte, kostete der Kaiser
eine reichere Freude in den Umarmungen seiner Mutter und
seines Sohnes.
Das folgende Jahr war durch einen Triumph sehr
verschiedener Art, die Rückbringung des heiligen Kreuzes nach
dem heiligen Grabe, ausgezeichnet. Heraklius wallfahrte
persönlich nach Jerusalem. Der kluge Patriarch ermittelte die
Identität der Reliquie, und diese hohe Feier wurde durch das
jährliche Fest der Kreuzerhöhung verewigt. Bevor der Kaiser
den heiligen Boden betrat, unterwies man ihn, das Diadem und
den Purpur, den Pomp und die Eitelkeit dieser Welt abzulegen.
Leichter aber waren nach dem Urteile seiner Geistlichkeit die
Verfolgung der Juden mit den Vorschriften des Evangeliums zu
vereinbaren. Er bestieg dann abermals seinen Thron, um die
Glückwünsche der Gesandten von Frankreich und Indien
entgegenzunehmen, und nach der allgemeinen Meinung wurde sogar
der Ruf Moses', Alexanders und Herkules' durch das überlegene
Verdienst und den höheren Ruhm des großen Heraklius in den
Schatten gestellt. Aber der Befreier des Ostens war arm und
schwach. Der wertvollste Teil der persischen Beute war im
Kriege ausgegeben, unter die Soldaten verteilt oder durch
einen unglücklichen Sturm in den Wogen des Schwarzen Meeres
begraben worden. Die Verpflichtung der Geistlichkeit, ihre
Reichtümer, die er zu ihrer eigenen Verteidigung entlehnt
hatte, zurückzugeben, folterte das kaiserliche Gewissen; ein
unendlich großer Fonds war erforderlich, um die Forderungen
dieser unerbittlichen Gläubiger zu befriedigen. Die Provinzen,
ohnehin schon durch die Waffen und die Habsucht der Perser
erschöpft, wurden gezwungen, die Steuer zum zweiten Male zu
bezahlen; die Rückstände eines einfachen Bürgers, des
Schatzmeisters von Damaskus, wurden in eine Geldbuße von
hunderttausend Goldstücken umgewandelt. Der Verlust von
zweihunderttausend durch das Schwert umgekommener Soldaten war
von geringerer Bedeutung als der Verfall der Künste, des
Ackerbaues und der Bevölkerung in diesem langen und
verheerenden Kriege, und obschon sich unter Heraklius' Fahnen
ein siegreiches Heer gebildet hatte, scheint die unnatürliche
Anstrengung ihre Kraft eher erschöpft als gestählt zu haben.
Während der Kaiser in Konstantinopel oder Jerusalem seinen
Triumph feierte, wurde eine kleine Stadt an der syrischen
Grenze von den Sarazenen geplündert, die einige zur Hilfe
vorgerückte Truppen vernichteten; ein gewöhnliches und
geringfügiges Ereignis, wenn es nicht das Vorspiel einer
gewaltigen Umwälzung gewesen wäre. Diese Räuber waren die
Scharen Mohammeds. Sie tauchten in tapferen Schwärmen aus der
Wüste, so daß Heraklius in den letzten acht Jahren seiner
Regierung an die Araber dieselben Provinzen, die er von den
Persern befreit hatte, verlor.