Vierundzwanzigstes Capitel - Mohammed unternimmt eine
Wallfahrt nach Mekka – Umgeht Khaled und eine gegen ihn
gesendete Reiterschaar – Lagert bei Mekka – Unterhandelt mit
den Koreischiten wegen der Erlaubniß einzuziehen und die
Wallfahrt zu vollenden – Vertrag auf zehn Jahre, kraft dessen
ihm gestattet wird, einen jährlichen Besuch von drei Tagen zu
machen – Er kehrt nach Medina zurück
Sechs Jahre waren seit Mohammeds Flucht aus Mekka
verflossen. Da diese Stadt in den Augen der Araber heilig und
ihr großer Wallfahrtspunct war, so schadete ihm die lange
Verbannung aus ihr und der offene Krieg mit den Koreischiten,
welche die Aufsicht über die Kaaba hatten, in der Meinung
vieler Stämme und verzögerte die Ausbreitung seiner Lehre.
Dazu sehnten sich die Anhänger, welche ihn auf der Flucht
begleitet hatten, ihre Geburtsstadt noch einmal zu sehen, und
es war Gefahr vorhanden, daß bei einer verlängerten Verbannung
der Glaube derselben sich abschwächen würde.
Mohammed fühlte mehr und mehr die Wichtigkeit, seine
Religion mit der heiligen Stadt zu verbinden und die alten
Gebräuche seines Stammes aufrecht zu erhalten. Außerdem
behauptete er, nur ein Reformator und besorgt zu sein, die
Einfachheit und Reinheit des patriarchalischen Glaubens
herzustellen. Der Monat Doul Kaada, der Wallfahrtsmonat, war
nahe, in welchem Waffenruhe herrschte, und Feinde innerhalb
der heiligen Gränzen in Frieden sich treffen konnten. Eine
zeitgemäße Vision versicherte Mohammed, daß er und seine
Gläubigen mit Sicherheit den Schutz der ehrwürdigen Sitte
benutzen könnten, um das für arabische Anbetung heilige Haus
zu besuchen. Die Offenbarung wurde von den Gläubigen mit
Freuden aufgenommen, und an der Spitze von vierzehnhundert
Mann, theils Mohadscheren, theils Ansaren, brach er im
heiligen Mond von Mekka zur Pilgerreise auf. Siebenzig Kameele
nahmen sie mit sich, um sie bei der Kaaba zum Opfer zu
schlachten. Um öffentlich zu beurkunden, daß sie in
friedlicher und nicht in kriegerischer Absicht kämen, machten
sie in Dsu Huleifa, einem eine Tagereise von Medina entfernten
Dorfe, Halt, legten daselbst ihre sämmtlichen Waffen ab,
ausgenommen die in den Scheiden steckenden Schwerter, und
zogen von da in Pilgertracht weiter.
In der Zwischenzeit hatte ein verworrenes Gerücht über
diese Bewegung Mekka erreicht. Die Koreischiten,
Feindseligkeiten befürchtend, schickten Khaled Ibn Waled mit
einer starken Reiterschaar mit dem Befehle ab, ungefähr zwei
Tagereisen von Mekka in einem Thale Posto zu fassen und das
Vorrücken der Moslemen aufzuhalten.
Als Mohammed hörte, daß ihm die Hauptstraße auf diese Art
verlegt wäre, so schlug er einen rauhen und beschwerlichen Weg
durch die Engpässe der Gebirge ein, und stieg, Khaled und
seine Streitmacht umgehend, in die Ebene bei Mekka hinab;
daselbst lagerte er sich zu Hodeiba innerhalb der heiligen
Gränzen. Von hier schickte er den Koreischiten Versicherungen
seiner friedlichen Absichten und beanspruchte die Freiheiten
und Rechte der Wallfahrt.
Abgesandte der Koreischiten besuchten das Lager, um
Beobachtungen anzustellen. Sie waren von der Ehrfurcht, mit
welcher Mohammed von seinen Bekennern betrachtet wurde,
betroffen. Das Wasser, in welchem er seine Waschungen
verrichtete, wurde geheiligt, ein Haar, welches von seinem
Kopfe fiel, oder ein Abschnitzel eines Nagels wurde als eine
kostbare Reliquie aufgegriffen. Einer der Abgesandten berührte
unbewußt im Laufe der Unterhaltung den herabwallenden Bart des
Propheten; er wurde von den Gläubigen zurückgestoßen und vor
der Gottlosigkeit dieser Handlung gewarnt. Als er den
Koreischiten nach seiner Rückkehr Bericht erstattete, so sagte
er: »Ich habe den König von Persien und den Kaiser von
Constantinopel von ihrem Hofstaate umgeben gesehen; aber
niemals sahe ich einen Herrscher von seinen Unterthanen so
geehrt, wie Mohammed von seinen Gläubigen.«
Die Koreischiten waren um so abgeneigter, einen Gegner
ihrer Secte, welcher wegen des Einflusses auf den Geist und
die Gesinnung seiner Gefährten so furchtbar war, in die Stadt
hineinzulassen. Mohammed ließ wiederholt Gesandtschaften
abgehen, um wegen sicheren Zutritts zum heiligen Hause zu
unterhandeln, aber vergeblich. Othman Ibn Assan, sein
Schwiegersohn, war sein letzter Geschäftsträger. Mehrere Tage
verflossen, ohne daß er zurückkehrte, und es verlautete das
Gerücht von seiner Ermordung. Mohammed beschloß, seinen Fall
zu rächen. Er stand unter einem Baume, versammelte seine Leute
um sich und verlangte einen Eid, ihn sogar bis zum Tode zu
vertheidigen und niemals die Fahne des Glaubens zu verlassen.
Diese Feierlichkeit ist bei den Mohammedanern unter dem Namen
»Freiwillige Weihe« bekannt.
Othmans Wiedererscheinung im Lager stellte die Ruhe wieder
her. Er wurde von Solhail, einem Gesandten der Koreischiten
begleitet, um einen Friedensvertrag zu errichten. Sie
begriffen das Unpolitische der Kriegführung mit einem Manne,
dessen Macht unaufhörlich stieg, und welchem man mit solch
fanatischer Ergebenheit gehorchte. Der vorgeschlagene Vertrag
lautete auf zehn Jahre. Während dieser Zeit sollte Mohammed
und seine Anhänger freien Eintritt in Mekka haben und daselbst
jedes Mal drei Tage zur Ausübung ihrer religiösen Gebräuche
bleiben dürfen. Die Bedingungen wurden bereitwillig
angenommen, und Ali erhielt den Auftrag, den Tractat
niederzuschreiben. Mohammed dictirte die Worte. »Schreibe,«
sagte er, »das sind die Bedingungen des Friedens, welchen
Mohammed, der Apostel Gottes, abschließt.« »Halt!« rief der
Gesandte Solhail, »hätte ich geglaubt, daß du ein Apostel
Gottes wärest, so würde ich niemals die Waffen wider dich
ergriffen haben. Schreibe demnach einfach deinen Namen und den
Namen deines Vaters.« Mohammed war genöthigt nachzugeben, denn
er fühlte, daß er in diesem Augenblicke nicht hinlängliche
Gewalt hatte, um über Formen zu streiten; unter diesen
Umständen nannte er sich in dem Vertrage einfach Mohammed Ibn
Abdollah (Mohammed, Sohn Abdollahs), eine Verleugnung, welche
seinen Bekennern einigen Anstoß gab. Ihre Unzufriedenheit
steigerte sich, als er ihnen befahl, die Häupter zu scheren
und auf dem Platze die Kameele zu opfern, welche sie zur
Opferung bei der Kaaba mitgebracht hatten, da dies bewies, daß
er nicht die Absicht hatte, in Mekka einzuziehen, indem diese
Gebräuche eigentlich am Schlusse der Wallfahrtsfeierlichkeiten
verrichtet wurden. Sie erinnerten ihn an seine Vision, welche
einen gesicherten Eintritt in die heilige Stadt verheißen
hätte. Er erwiderte, der gegenwärtige Vertrag bedeute eine
ernstliche Erfüllung derselben, welche im folgenden Jahre
sicherlich stattfinden würde. Mit dieser Erklärung mußten sie
sich begnügen, und nachdem sie die Ceremonie vollendet und das
vorgeschriebene Opfer gebracht hatten, brachen sie das Lager
ab, und das Pilgerheer kehrte, in seinen Hoffnungen etwas
getäuscht und ein wenig niedergeschlagen, nach Medina zurück.