Zwanzigstes Capitel - Henda reizt Abu Sofian und die
Koreischiten auf, den Tod ihrer in der Schlacht von Beder
gefallenen Verwandten zu rächen – Die Koreischiten rücken aus,
von Henda und deren Genossinnen begleitet – Schlacht von Ohod
– Henda's wilder Triumph – Mohammed tröstet sich durch
Verheirathung mit Hend, der Tochter Omeya's
Da Mohammeds Macht in Medina wuchs, so stieg auch die
Feindschaft der Koreischiten an Heftigkeit. Abu Sofian führte
den Oberbefehl in der heiligen Stadt und wurde unaufhörlich
zum Kriegszuge von seiner Gattin Henda gedrängt, da der
ungestüme Geist derselben keine Ruhe finden konnte, bis an
denen, welche ihren Vater und Bruder erschlagen hatten,
Blutrache geübt worden war. Auch Akrema, Abu Jahls Sohn, der
des Vaters Haß gegen den Propheten geerbt hatte, schrie nach
Rache. Im dritten Jahre der Hegira, im Jahre nach der Schlacht
von Beder, rückte Abu Sofian ins Feld; er stand an der Spitze
von drei tausend Mann, von denen die meisten Koreischiten
waren, obschon sich auch Araber der Stämme Kanana und Tehama
dabei befanden. Sieben hundert trugen Brustharnische und zwei
hundert waren beritten. Akrema war einer der Hauptleute, wie
auch Khaled Ibn al Waled, ein Krieger von unbezwinglicher
Tapferkeit, der nachher zu großem Ruhme aufstieg. Die Banner
trug Abd al Dar's Geschlecht, ein Zweig des Stammes Koreisch,
welcher auf den obersten Platz in der Versammlung, auf den
ersten Rang in der Schlacht und auf das Tragen der Fahnen beim
Auszuge der Armee ein Erbrecht hatte.
In der Nachhut des Heeres folgte die rachgierige Henda mit
fünfzehn vornehmen Frauen aus Mekka, Anverwandte der in der
Schlacht von Beder Erschlagenen; bald erfüllten sie mit
Jammern und Klagen um die Gefallenen die Luft, bald feuerten
sie durch den Schall der Pauken und kriegerische Gesänge die
Truppen an. Als sie durch das Dorf Abwa zogen, wo Mohammeds
Mutter Amina begraben lag, so konnte Henda nur mit Mühe
abgehalten werden, daß sie die modernden Gebeine nicht aus dem
Grabe riß.
Als Al Abbas, Mohammeds Oheim, welcher noch in Mekka wohnte
und für einen Feind des neuen Glaubens gehalten wurde, sah,
daß seinem Neffen Verderben drohte, wenn dieses Heer sich
durch Ueberrumpelung auf ihn stürzte: so sandte er heimlich
einen Eilboten ab, um ihn von der Gefahr zu unterrichten.
Mohammed war in dem Dorfe Koba, als ihn die Botschaft
erreichte. Sogleich eilte er nach Medina zurück und berief
eine Versammlung seiner vorzüglichsten Anhänger. Indem er die
Unzulänglichkeit ihrer Streitkräfte, um zu Felde ziehen zu
können, darstellte, sprach er seine Meinung dahin aus, daß sie
in Medina, wo ihnen sogar Frauen und Kinder durch Steinwürfe
von den Gipfeln der Häuser beistehen könnten, einen Angriff
abwarten sollten. Die ältern unter seinen Bekennern schlossen
sich seiner Meinung an; aber die jungen Leute, voll hitziger
Tapferkeit zu allen Zeiten und trunken von dem letzten Siege
am Beder, stimmten für ein redliches Gefecht im offenen Felde.
Mohammed gab ihrem Geschrei nach, aber seine Streitkräfte
betrugen, als er sie musterte, kaum tausend Mann; blos hundert
hatten Harnische und nur zwei waren beritten. Die Herzen
derjenigen, welche vor Kurzem den Ausmarsch schreiend
verlangten, erfüllten sich jetzt mit bangen Ahnungen, und sie
wollten den Kampf gern innerhalb der Mauern erwarten. »Nein,«
erwiderte Mohammed, »es ziemt sich nicht für einen Propheten,
das Schwert in die Scheide zu stecken, wenn er es einmal
gezogen hat, noch, wenn er einmal ausgezogen ist,
zurückzukehren, bis Gott zwischen ihm und dem Feinde
entschieden hat.« So sprechend führte er die Armee vorwärts.
Ein Theil derselben bestand aus Juden und Khazraditen, welche
Abdallah Ibn Obba Solûl führte. Mohammed lehnte den Beistand
der Juden ab, wofern sie nicht den Islam annähmen, und da sie
sich weigerten, so hieß er sie nach Medina zurückgehen; darauf
wendete sich auch ihr Beschützer Abdallah mit den Khazraditen
rückwärts; auf diese Weise verminderte sich die Armee ungefähr
bis auf sieben hundert Mann.
Mit dieser geringen Streitmacht stellte sich Mohammed auf
dem Hügel Ohod, ungefähr sechs Meilen von Medina, auf. Seine
Stellung wurde durch Felsen und durch andere
Ortsschwierigkeiten theilweise vertheidigt, und die
Bogenschützen wurden so gestellt, daß sie ihn in Flanke und
Rücken deckten. Er war mit einem Helme und zwei Panzerhemden
bekleidet; auf seinem Schwerte stand die Inschrift: »Furcht
bringt Schimpf, vorwärts liegt Ruhm; Feigheit errettet keinen
Menschen von seinem Geschicke.« Da er nicht geneigt war, an
der Schlacht thätigen Antheil zu nehmen, so vertraute er sein
Schwert dem tapfern Krieger Abu Duddschana an, welcher schwur,
es so lange zu schwingen, als es Schärfe und Härte hätte. Was
ihn selbst betrifft, so nahm er einen Platz ein, wo er das
Feld wegen des Commandos überblicken konnte.
Die Koreischiten marschirten mit fliegenden Bannern im
Vertrauen auf ihre Anzahl an den Fuß der Anhöhe. Abu Sofian
führte das Mitteltreffen; hundert Reiter befanden sich auf
jedem Flügel; der linke wurde von Akrema, dem Sohne Abu Jahls,
der rechte von Khaled Ibn al Waled befehligt. Als sie
vorrückten, schlugen Henda und ihre Gefährtinnen die Pauken
und sangen ihr Kriegslied, die Namen derjenigen, welche in der
Schlacht von Beder getödtet worden waren, von Zeit zu Zeit
ausschreiend. »Muth, ihr Söhne Abd al Dar's!« riefen sie den
Standartenträgern zu. »Vorwärts zum Gefecht! packet den Feind!
schlagt darauf los und schonet nicht! Scharf seien eure
Schwerter und mitleidslos eure Herzen!«
Mohammed zügelte die Ungeduld seiner Truppen, indem er
ihnen befahl, das Gefecht nicht anzufangen, sondern fest zu
stehen und den Vortheil des aufsteigenden Terrains zu wahren.
Vornämlich wurden die Bogenschützen angewiesen, ihren Posten
zu halten und die Schlacht gehen zu lassen wie sie wollte,
damit ihn die Reiterei nicht im Rücken anfallen könnte.
Die von Akrema geführten Reiter des linken Flügels
versuchten jetzt, die Moslemen in der Flanke zu fassen, wurden
jedoch von den Bogenschützen zurückgeworfen und wichen in
Verwirrung. Hierauf erhob Hamza das moslemische
Kriegsgeschrei: Amit! Amit! (Tod! Tod!) und stürzte mit seinen
Streitkräften auf das Centrum (Mitteltreffen) hinab. Zu seiner
Rechten befand sich Abu Dudschana, mit Mohammeds Schwerte
bewehrt, um den Kopf ein rothes Band, auf welchem geschrieben
war: »Hülfe kommt von Gott! der Sieg ist unser!«
Der Feind wurde durch diesen Stoß zum Wanken gebracht. Abu
Duddschana schlug gewaltig mitten in sie hinein, tödtliche
Streiche nach jeder Seite austheilend mit dem Ausrufe: »Das
Schwert Gottes und seines Propheten!« Sieben Standartenträger
aus Abd al Dar's Geschlechte wurden nach einander
niedergehauen und das Centrum begann zu weichen. Die
moslemischen Bogenschützen, welche den Sieg für gesichert
hielten, vergaßen Mohammeds Befehl, verließen ihre Stellung
und zerstreuten sich mit dem Geschrei »Beute! Beute!« zur
Aufsuchung derselben. Darauf nahm Khaled, seine Reiterei
wieder vereinigend, von dem von den Bogenschützen verlassenen
Terrain Besitz, griff die Moslemen im Rücken an, trieb einige
in die Flucht und brachte die übrigen in Verwirrung. Mitten in
dem Wirrwarr drängte sich ein Reiter, Namens Obbij (Obbidsch)
Ibn Chalaf, durch den Haufen und schrie: »Wo ist Mohammed? Es
ist keine Sicherheit, so lange er lebt.« Aber Mohammed ergriff
die Lanze eines Begleiters und stieß sie durch den Hals des
Götzendieners, welcher todt vom Pferde fiel. »Auf diese Weise
starb«, sagt der fromme Al Jennabi (Dschennabi), »dieser
Gottesfeind, welcher einige Jahre vorher dem Propheten gedroht
hatte: ›Ich werde einen Tag finden, an welchem ich dich tödten
werde.‹ ›Nimm dich in Acht!‹ war die Erwiderung, ›wenn es
Allah für gut findet, wirst du selbst durch meine Hand
fallen.‹«
Mitten in dem Handgemenge traf ein Stein von einer
Schleuder Mohammed an den Mund, spaltete ihm die Lippe und
brach ihm einen der Vorderzähne aus; auch im Gesichte wurde er
durch einen Pfeil verwundet, dessen eiserne Spitze in der
Wunde stecken blieb. Dazu wurde Hamza, während er einen
Koreischiten erlegte, von Waksa's, eines äthiopischen Sclaven
Lanze durchbohrt; demselben war die Freiheit versprochen
worden, wenn er den Tod seines Herrn, den Hamza in der
Schlacht von Beder getödtet hatte, rächen würde. Auch Mosaab
Ibn Omair, der Mohammeds Fahne trug, wurde hingestreckt, doch
Ali ergriff das heilige Banner und trug es hoch auf mitten im
Schlachtensturme.
Da Mosaab dem Propheten an Gestalt glich, so wurde von dem
Feinde ein Geschrei erhoben, daß Mohammed getödtet wäre. Bei
dieser Verkündigung wurde den Koreischiten doppeltes
Kampfesfeuer eingehaucht; die Moslemen flohen in Verzweiflung,
Abu Beker und Omar, welche verwundet waren, mit sich tragend.
Raab, Malek's Sohn, sah Mohammed unter den Verwundeten in
einem Graben liegen und erkannte ihn an seiner Rüstung. »O ihr
Gläubigen!« rief er, »der Prophet Gottes lebt noch. Zur
Rettung, zur Rettung!« Man zog Mohammed hervor und trug ihn
die Anhöhe hinan auf den Gipfel eines Felsen, wo die Moslemen
eine verzweifelte Gegenwehr vorbereiteten. Die Koreischiten
ließen jedoch von ihrer Verfolgung ab, weil sie Mohammed für
todt hielten, und begnügten sich mit der Plünderung und
Verstümmelung der Todten. Henda und deren Gefährtinnen waren
die ersten bei dem barbarischen Rachewerke, und die wilde
Heldin suchte Hamza das Herz auszureißen und es zu
verschlingen. Abu Sofian trug einen Theil des zerfetzten
Körpers auf der Lanze und die Anhöhe im Triumphe
hinabsteigend, rief er freudetrunken aus: »Der Krieg hat seine
Abwechselungen. Die Schlacht von Ohod folgt auf die Schlacht
von Beder.«
Nach dem Abzuge der Koreischiten stieg Mohammed vom Felsen
herab und besuchte das Schlachtfeld. Als er den Leichnam
seines Oheims Hamza, der so unmenschlich zerstückt und
verstümmelt war, erblickte: so gelobte er, an siebenzig von
den Feinden, wenn sie in seine Gewalt fielen, gleiche
Gewaltthat zu verüben. Seinen Kummer milderte, wie uns erzählt
wird, der Engel Gabriel, welcher ihm versicherte, daß Hamza
mit dem Titel »der Löwe Gottes und seines Propheten« als
Bewohner des Himmels eingeschrieben wäre.
Die Leiber der Getödteten wurden an den Stellen, wo sie
gefallen waren, je zwei und zwei oder je drei und drei
beerdigt. Mohammed verbot seinen Bekennern, die Todten durch
Abschneiden des Haares, durch Zerreißen der Gewänder und auf
andere unter den Arabern gebräuchliche Arten der Wehklage zu
betrauern; doch gestattete er ihnen, dieselben zu beweinen,
weil Thränen das belastete Herz erleichtern.
In der nach der Schlacht folgenden Nacht herrschte große
Unruhe darüber, daß die Koreischiten einen zweiten Angriff
machen oder Medina überrumpeln könnten. Am folgenden Tage
marschirte er nach dieser Stadt hin, indem er sich in der Nähe
des Feindes hielt und bei der Wiederkehr der Nacht zahlreiche
Wachfeuer anzündete. Abu Sofian hatte jedoch Nachricht
erhalten, daß Mohammed noch am Leben wäre. Er fühlte sich zu
schwach, die Stadt anzugreifen, weil Mohammed noch im Felde
stand und ihr zu Hülfe kommen konnte; er fürchtete, daß
Letzterer durch die Bewohner derselben verstärkt werden und
ihn mit überlegener Anzahl aufsuchen möchte. Deshalb begnügte
er sich mit dem frischen Siege, schloß mit den Moslemen einen
einjährigen Waffenstillstand und kehrte im Triumphe nach Mekka
zurück.
Mohammed suchte wegen dieser demüthigenden Niederlage darin
Trost, daß er wiederum ein Weib nahm, nämlich Hend, des
einflußreichen Omeya Tochter. Sie war Wittwe und war mit ihrem
Gatten unter der Zahl der Flüchtlinge in Abyssinien gewesen.
Jetzt zählte sie achtundzwanzig Jahre und hatte einen Sohn
Namens Salma, weshalb sie Omm Salma oder Mutter Salma's
gemeiniglich genannt wird. Da sie sich durch Anmuth und
Schönheit auszeichnete, so hatte Abu Beker und Omar, doch ohne
Erfolg, um sie geworben. Sogar Mohammed stieß auf
Schwierigkeiten. »Ach!« sagte sie, »was für ein Glück kann der
Prophet Gottes bei mir erwarten? Ich bin nicht länger jung;
ich habe einen Sohn und bin eifersüchtigen Characters.« »Was
dein Alter anbelangt«, erwiderte Mohammed, »so bist du weit
jünger als ich. Was deinen Sohn betrifft, so will ich ihm
Vater sein. In Rücksicht deines eifersüchtigen Characters will
ich Gott bitten, daß er ihn aus deinem Herzen vertilge.« Eine
besondere Wohnung wurde in der Nähe der Moschee für die Braut
eingerichtet. Die Ausstattung zum Haushalte bestand nach dem
Berichte eines moslemischen Schriftstellers in einem Sack
Gerste, einer Handmühle, einer Pfanne und einem Topf Fett oder
Butter. Das waren bis jetzt die beschränkten Mittel des
Propheten, oder vielmehr, das war die Einfachheit seiner
Sitten und die Schlichtheit des arabischen Lebens.