Neunzehntes Capitel - Mohammeds wachsende Macht – Sein
Zorn wider die Juden – Angriff auf eine arabische Frau durch
den jüdischen Stamm Kainoka – Ein Aufruhr – Die Beni Kainoka
fliehen in ihre Burgen – Ihre Unterjochung und Bestrafung
durch Gütereinziehung und Verbannung – Othmans Verheirathung
mit des Propheten Tochter Omm Kolthum und des Propheten mit
Hafza
Die Schlacht von Beder hatte Mohammeds Stellung vollständig
geändert; er war jetzt das triumphirende Oberhaupt einer
wachsenden Macht. Die abgöttischen Stämme Arabiens wurden
leicht zu einem Glauben bekehrt, welcher ihren räuberischen
Neigungen schmeichelte, und der bei alle dem bezeugte, daß er
sie nur zur ursprünglichen Religion ihrer Altvordern
zurückführen wollte. Daher machte die erste Schaar, welche mit
der Beute eines Feldlagers zu den Thoren Medinas einzog, fast
alle seine heidnischen Bewohner zu Gläubigen und gab Mohammed
die Gewalt in der Stadt. Seine Sprache wurde jetzt eine
andere, und er redete wie ein Gesetzgeber und Oberherr. Das
erste Zeugniß von dieser Gesinnungsänderung hatte man in der
Behandlung der Juden, von denen es drei vornehme und mächtige
Familien in Medina gab.
Alle Zugeständnisse, welche er diesem hartnäckigen
Geschlechte gemacht hatte, hatten sich fruchtlos erwiesen; sie
verharrten nicht allein starrsinnig im Unglauben, sondern
behandelten ihn und seine Lehren mit Spott. Aßma, Merwans
Tochter, eine jüdische Dichterin, schrieb Satyren gegen ihn.
Sie wurde von einem seiner fanatischen Schüler ermordet. Abu
Afak, ein Israelit, ein hundert und zwanzig Jahre alt, wurde
ebenfalls getödtet, weil er sich in Satyren wider Mohammed
ergangen hatte. Kaab Ibn Aschraf, ein anderer jüdischer
Dichter, reiste nach der Schlacht am Beder nach Mekka, und
versuchte die Koreischiten zur Rache aufzureizen, indem er
Verse vortrug, in denen er die Tugenden pries und den Tod
beklagte von denen ihres Stammes, welche in der Schlacht
gefallen waren. So groß war seine Verblendung, daß er diese
Verse öffentlich und in Gegenwart einiger Anhänger des
Propheten, welche mit den Erschlagenen verwandt waren, nach
seiner Rückkehr nach Medina vortrug. Aufgestachelt durch diese
gehässige Feindseligkeit, rief Mohammed eines Tages im Zorne
aus: »Wer wird mich von diesem Sohne Aschraf's befreien?«
Wenige Tage darauf bezahlte Kaab seine Dichtung mit dem Leben;
von einem eifrigen Ansaren des awsitischen Stammes wurde er
ermordet.
Endlich trat ein Vorfall ein, welcher Mohammeds Groll wider
die Juden in offene Feindseligkeit ausbrechen ließ. Eine Frau
eines arabischen Hirtenstammes, welche Milch nach der Stadt
brachte, befand sich eines Tages in dem Viertel, welches von
den Beni Kainoka oder den Kindern Kainokas, einer der drei
vornehmen Judenfamilien, bewohnt wurde. Hier wurde sie von
einer Anzahl junger Israeliten angeredet, welche sie baten,
ihr Gesicht zu entschleiern, da sie ihre Schönheit hatten
preisen hören. Die Frau verweigerte eine Handlung, welche den
Schicklichkeitsgesetzen ihres Volkes entgegen war. Ein junger
Goldschmied, dessen Werkstelle ganz in der Nähe war,
befestigte heimlich das Ende ihres Schleiers an die Bank, auf
welcher sie saß, so daß, wenn sie zum Fortgehen aufstand, die
Decke zurückblieb und ihr Gesicht den Blicken blos gestellt
wurde. Darüber entstand unter den jungen Israeliten Gelächter
und Spott, und die Frau stand verlegen und beschämt in der
Mitte. Ein gegenwärtiger Mosleme, welchen die ihr zugefügte
Beschämung ärgerte, zog das Schwert und stieß es dem
Goldschmiede durch den Leib; er seinerseits wurde
augenblicklich von den Israeliten erschlagen. Die Moslemen des
benachbarten Viertels eilten zu den Waffen, die Beni Kainoka
thaten dasselbe; aber da sie in der Minderzahl waren, flohen
sie in ein befestigtes Schloß. Mohammed mischte sich ein, um
den Aufstand zu dämpfen; da er jedoch im Allgemeinen wider die
Juden aufgebracht war, so bestand er darauf, daß der
beleidigende Stamm sofort den Islam annehmen sollte. Sie
schützten den Vertrag vor, welchen er bei seiner Ankunft in
Medina mit ihnen gemacht hatte, und nach welchem die Uebung
ihrer Religion ihnen gestattet war; aber er ließ sich von
seinem Vorsatze nicht abbringen. Eine Zeit lang verweigerten
die Beni Kainoka die Unterwerfung und blieben hartnäckig,
obgleich sie in ihre Burg eingeschlossen waren; endlich zwang
sie der Hunger zur Ergebung. Abdallah Ibn Obba Solûl, der
Führer der Khazraditen, welcher Beschützer dieses jüdischen
Stammes war, trat zu ihren Gunsten vermittelnd ein und
verhinderte es, daß sie über die Klinge springen mußten; ihre
Güter wurden jedoch eingezogen, und sie selbst, sieben hundert
an der Zahl, wurden nach Syrien verbannt.
Die Waffen und Reichthümer, welche aus dieser Einziehung
Mohammed und seinen Anhängern zufielen, waren von großem
Vortheil in den nachfolgenden Glaubenskriegen. Unter den
Waffen, welche auf Mohammeds Antheil fielen, werden drei
Schwerter aufgeführt, nämlich Medham, der Scharfe, Al Battar,
der Schneidende und Hatef, der Todbringer; ferner zwei Lanzen,
Al Monthari, der Zerstreuer, und Al Monthawi, der Zerstörer;
ein silberner Harnisch, Al Fadha, und ein anderer Al Saadia
genannt, soll von Saul dem David gegeben worden sein, als er
im Begriffe war mit Goliath zu kämpfen; dazu kam ein Bogen, Al
Catum oder der Feste geheißen, der aber seinem Namen nicht
entsprach, denn in der ersten Schlacht, in welcher er sich
desselben bediente, zog er ihn mit solcher Gewalt auf, daß er
in Stücke zerbrach. Ueberhaupt gebrauchte er die arabischen
Bogen mit geeigneten Pfeilen und Lanzen und untersagte seinen
Anhängern den Gebrauch der persischen.
Mohammed suchte jetzt nicht länger die Juden zu gewinnen;
sie wurden im Gegentheile Gegenstand seiner religiösen
Feindseligkeit. Er widerrief die Anordnung, nach welcher er
Jerusalem zum Kebla oder zum Gebetspuncte gemacht hatte, und
setzte Mekka an dessen Stelle; dahin wenden seitdem die
Mohammedaner stets das Gesicht, wenn sie ihre Andacht
verrichten.
Der Tod Rokaia's, der Tochter des Propheten, war von ihrem
Gatten Othman geziemend betrauert worden. Um den Letzteren
wegen seines Verlustes zu trösten, bot ihm sein Waffenbruder
Omar im Laufe des Jahres seine Tochter Hafza zum Weibe an. Sie
war die Wittwe Habasch's, eines Suhamiten, achtzehn Jahre alt
und von reizender Schönheit; dennoch wich Othman der Partie
aus. Omar war über die Geringschätzung, welche seiner Tochter
und ihm widerfuhr, aufgebracht und beklagte sich darüber bei
Mohammed. »Bekümmere dich nicht deshalb, Omar,« entgegnete ihm
der Prophet, »ein besseres Weib ist für Othman bestimmt und
ein besserer Gatte für deine Tochter.« Er gab wirklich die
eigene Tochter Omm Kolthum dem Othman und nahm die schöne
Hafza sich zum Weibe. Durch diese politischen Verbindungen
fesselte er Beide, Othman und Omar, fester an seine Seite,
während er die eigene Neigung für weibliche Schönheit
befriedigte. Hafza war nächst Ayescha die begünstigste unter
seinen Frauen und hatte den Koffer mit den Suren und Versen
des Korans, wie sie geoffenbaret wurden, in Verwahrung.