Zehntes Capitel - Omar Ibn al Khattab, Abu Jahls Neffe,
übernimmt es, seinen Oheim durch Mohammeds Ermordung zu rächen
– Seine wundervolle Belehrung zum Glauben – Mohammed flieht in
ein Schloß Abu Talebs – Abu Sofian, an der Spitze der
eifersüchtigen Koreischiten-Linie, verfolgt Mohammed und
dessen Anhänger – Er erlangt ein Gesetz über die Aufhebung des
Verkehrs mit ihnen – Mohammed verläßt den Zufluchtsort und
gewinnt während des Wallfahrtsmonats Bekenner – Legende von
der Bekehrung Habib's des Weisen
Abu Jahls Groll gegen den Propheten steigerte sich durch
die strenge Züchtigung, welche er aus Hamzas Händen erhalten
hatte. Er hatte einen Neffen, Namens Omar Ibn al Khattab,
sechs und zwanzig Jahre alt, von riesenmäßiger Gestalt,
ungeheurer Stärke und großem Muthe. Sein wilder Blick machte
den Kühnen erbleichen, und sein bloßer Spazierstock jagte den
Zuschauern größeren Schreck ein als das Schwert eines andern
Mannes. Das sind die Worte des arabischen Geschichtsschreibers
Abu Abdallah Mohammed Ibn Omal Alwakedi, und die folgenden
Thaten dieses Kriegers beweisen, daß sie schwerlich eine
Übertreibung enthalten.
Durch seinen Oheim Abu Jahl aufgestachelt, unternahm es
dieser grimmige Araber, in den Zufluchtsort Mohammeds, welcher
noch in Orkhams Hause war, einzudringen und ihm einen Dolch
ins Herz zu stoßen. Die Koreischiten werden beschuldigt, ihm
hundert Kameele und tausend Unzen Gold für diese Blutthat
versprochen zu haben; aber das ist nicht erweislich, auch
bedurfte der rachgierige Neffe Abu Jahls keiner Bestechung.
Auf dem Wege nach Orkams Hause begegnete er einem Koreischiten,
welchem er seine Absicht mittheilte. Dieser war ein geheimer
Anhänger des Islams und suchte ihn von dem blutigen Vorhaben
abzubringen. »Bevor du Mohammed tödtest«, sagte er, »und dir
die Rache seiner Verwandten zuziehst, so trage Sorge, daß
deine eigenen Angehörigen von Ketzerei frei sind!« »Sind
Etliche von den Meinigen des Abfalls vom Glauben schuldig?«
fragte Omar mit Erstaunen. »Gerade so ist es«, war die
Antwort; »deine Schwester Amina und ihr Ehemann Seid.«
Omar eilte nach der Wohnung der Schwester, und da er
unerwartet in dieselbe eintrat, so fand er sie nebst dem
Ehemanns beim Lesen des Korans. Seid suchte [den Koran vor]
Omar zu verbergen; aber seine Verlegenheit überzeugte ihn von
der Wahrheit der Anklage und erhöhete seine Wuth. In der
Raserei warf er Seid zu Boden, setzte ihm den Fuß auf die
Brust und würde das Schwert in sie gestoßen haben, hätte sich
die Schwester nicht ins Mittel gelegt. Ein Schlag in das
Gesicht begoß ihre Gestalt mit Blut. »Feind Allahs (Gott)!«
stöhnte Amina, »du schlägst mich so, weil ich an den allein
wahren Gott glaube? Trotz dir und deiner Gewaltthätigkeit will
ich bei dem wahren Glauben verharren. Ja,« fügte sie mit
Andacht hinzu, »es ist kein Gott außer Gott, und Mohammed ist
sein Prophet. Und jetzt, Omar, vollende dein Werk!«
Omar hielt inne, bereute sein Ungestüm und zog den Fuß von
Seid's Brust hinweg. »Zeige mir die Schrift«, sagte er. Amina
weigerte sich jedoch ihn die heilige Rolle berühren zu lassen,
bis er die Hände gewaschen hatte. Die Stelle, welche er las,
soll die zwanzigste Sure des Korans gewesen sein. Sie beginnt
in folgender Weise:
»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Den Koran haben wir
dir nicht gesandt, um Unheil über das Menschengeschlecht zu
bringen, sondern als einen Lehrer, um es im Glauben an den
wahren Gott, den Schöpfer der Erde und des erhabenen Himmels
zu unterweisen. – Der Allbarmherzige thronet in der Höhe; ihm
gehöret, was oben im Himmel und unten auf der Erde und in den
Regionen unter der Erde ist. – Verrichtest du deine Gebete mit
lauter Stimme? Wisse, daß es dessen nicht bedarf. Gott kennt
die Geheimnisse deines Herzens, sogar das, was am tiefsten
verborgen ist. – Wahrlich, ich bin Gott; es giebt keinen außer
mir. Diene mir, diene keinem Andern! Keinem außer mir bringe
dein Gebet dar!«
Die Worte des Korans drangen tief in Omars Herz. Er las
weiter und wurde immer mehr gerührt; als er aber an die
Stellen kam, welche von der Auferstehung und dem letzten
Gerichte handeln, war seine Bekehrung vollendet. Er setzte
seinen Weg nach Orkhams Hause fort, aber mit einem
verwandelten Herzen. Demüthig an die Thüre klopfend verlangte
er dringend Einlaß. »Komm herein, Sohn Khattabs,« rief
Mohammed. »Was bringt dich hieher?« »Ich komme, um meinen
Namen in die Zahl der Gläubigen Gottes und seines Propheten
einzureihen.« So sprechend legte er das moslemische
Glaubensbekenntniß ab.
Nicht eher beruhigte er sich, als bis seine Bekehrung
öffentlich bekannt war. Auf sein Gesuch begleitete ihn
Mohammed augenblicklich nach der Kaaba, damit er vor Aller
Augen die Gebräuche des Islams verrichtete. Zur Linken des
Propheten ging Omar, zur Rechten Hamza, um ihn vor Beleidigung
und Beschimpfung zu schützen; von mehr als vierzig Bekennern
wurden sie begleitet. Am hellen Tage schritten sie zum
Erstaunen der Bewohner durch Mekkas Straßen. Sieben Mal
hielten sie den Umgang um die Kaaba, wobei sie jedes Mal den
heiligen schwarzen Stein berührten und alle anderen Ceremonien
verrichteten. Die Koreischiten betrachteten diese Procession
mit Widerwillen, aber sie wagten nicht sich dem Propheten zu
nähern oder ihn zu belästigen, da sie durch die Blicke dieser
schrecklichen Kämpen, Hamza und Omar, zurückgescheucht wurden,
denn diese starrten sie, wie erzählt wird, mit wilden Blicken
an wie Löwinnen, die der Jungen beraubt worden sind.
Furchtlos und entschlossen in jeder Sache ging Omar den
nächsten Tag allein in die Kaaba, um daselbst als Moslem zu
beten, und that dies zur offenbaren Herausforderung der
Koreischiten. Ein anderer Moslem, welcher in den Tempel
eintrat, wurde in seiner Andacht unterbrochen und roh
behandelt; aber Niemand belästigte Omar, weil er Abu Jahls
Neffe war. Omar begab sich wieder zu seinem Oheim. »Ich
verzichte auf deinen Schutz,« sagte er. »Ich will nicht besser
daran sein wie meine Glaubensgenossen.« Seit dieser Zeit
theilte er das Geschick der Nachfolger Mohammeds und war einer
seiner wackersten Vertheidiger.
Das war die wundervolle Bekehrung Omars, des nachher
berühmtesten Streiters für den Islam. Ueber diesen neuen
Triumph Mohammeds wurden die Koreischiten so erbittert, daß
sein Oheim Abu Taleb fürchtete, sie möchten entweder mit
Hinterlist oder mit offenbarer Gewalt dem Neffen nach dem
Leben trachten. Auf seine inständigen Bitten zog sich
Letzterer, von einigen seiner vorzüglichsten Anhänger
begleitet, in eine Art Burg oder Festung zurück, welche Abu
Taleb gehörte und in der Nähe der Stadt lag.
Der Schutz, welchen der Glaubensverschiedenheit ungeachtet
Abu Taleb, das Haupt der Haschemiten, und andere Angehörige
dieser Linie auf solche Weise Mohammed und seinen Anhängern
gewährten, brachte über sie den Ingrimm des eifersüchtigen
Zweiges der Koreischiten und verursachte eine Spaltung in dem
Stamme. Abu Sofian, das Haupt dieses Zweiges, benutzte den
Abfall des Propheten, um nicht blos solche von dessen
Verwandtschaft, welche seinen Glauben angenommen hatten, mit
Schmach zu beladen, sondern die ganze haschemitische Linie,
welche, obgleich von seinen Lehren abweichend, aus reinem
Stammesinteresse ihn beschützte. Es ist ausgemacht, die
Feindseligkeit Abu Sofians entstand nicht blos aus
persönlichem Grolle oder religiösen Bedenklichkeiten, sondern
aus Familienzwietracht. Er war begierig, die Ehrenämter der
Stadt, welche die Haschemiten so lange inne gehabt hatten, auf
seine eigene Familie überzutragen. Die letzte Maßregel des
gutherzigen Abu Taleb, Mohammed außer den Bereich der
Verfolgung zu stellen und ihm ein Schloß als Zufluchtsort
zuzuweisen, wurde von Abu Sofian und seinem Anhange als ein
Vorwand ergriffen, über die andere Linie die allgemeine Acht
auszusprechen. Sie erließen demzufolge ein Gesetz, welches den
übrigen Koreischiten die wechselseitigen Verheirathungen und
jeglichen Verkehr, sogar im Kauf und Verkauf, mit den
Haschemiten untersagte, bis sie ihren Verwandten Mohammed zur
Bestrafung ausliefern würden. Dieses Gesetz, welches im
siebenten Jahr der Sendung Mohammeds erging, wurde auf
Pergament geschrieben und in der Kaaba aufgehängt. Es
versetzte Mohammed und dessen Schüler in große Bedrängniß, da
sie in der Burg, in welche sie sich geflüchtet hatten, zu
Zeiten fast verhungerten. Die Festung wurde von den
Koreischiten bisweilen auch belagert, um die Acht in ihrer
ganzen Strenge geltend zu machen und die Möglichkeit der
Zufuhr abzuschneiden.
Die jährliche Wallfahrtszeit jedoch, wo aus allen Theilen
Arabiens Heere von Pilgern nach Mekka zogen, brachte dem
verfolgten Mohammed vorübergehende Erleichterung. Nach einem
uralten Gesetze und Gebrauche unter den Arabern wurden während
dieser geheiligten Zeit alle Feindseligkeiten eingestellt, und
Krieg führende Stämme kamen in zeitweiligem Frieden zusammen,
um in der Kaaba anzubeten. Zu solchen Zeiten pflegten Mohammed
und seine Schüler sich aus der Festung hinauszuwagen und nach
Mekka zurückzukehren. Ferner pflegte Mohammed, durch das
Vorrecht des heiligen Monats geschützt, mit den Pilgern zu
verkehren, zu predigen und zu beten, seine Lehren vorzutragen
und seine Offenbarungen zu verkündigen. Auf diese Weise gewann
er viele Anhänger, welche bei der Rückkehr in die
unterschiedlichen Heimathsorte den Saamen des neuen Glaubens
nach verschiedenen Gegenden trugen. Unter diesen Bekehrten
befanden sich bisweilen auch Fürsten oder Oberhäupter von
Stämmen, deren Beispiel auf ihre Zugehörigen Einfluß hatte.
Von der Bekehrung eines dieser Fürsten geben arabische
Legenden eine pomphafte und überspannte Erzählung, welche
einer abgekürzten Einschaltung nicht unwerth sein mag, da sie
von einigen der bekanntesten Wunder, die von Mohammed erzählt
werden, begleitet war.
Der in Rede stehende Fürst war Habib Ibn Malek, wegen
seiner umfassenden Gelehrsamkeit und Bildung der Weise
genannt. Denn er war, wie er geschildert wird, in die Magie
(Zauberei) und Wissenschaften tief eingeweiht und mit allen
Religionen bis zu ihren Anfängen hinab bekannt, da er Alles,
was über sie geschrieben worden war, gelesen und auch
praktische Kenntniß erlangt hatte; denn er hatte ihnen allen
der Reihe nach angehört, er war Jude, Christ und Magier
gewesen. Allerdings hatte er zu seinen Studien und seiner
Erfahrung mehr als gewöhnliche Zeit, da er zufolge der
arabischen Legende ein Alter von 140 Jahren erreichte. Jetzt
kam er an der Spitze eines mächtigen Heeres von 20000 Mann
nach Mekka und brachte eine jugendliche Tochter, Namens Satiha,
mit, welche er im hohen Alter gezeugt haben mußte, und für die
er Gebete in der Kaaba verrichtete, weil sie mit Stummheit,
Taubheit und Blindheit geschlagen und des Gebrauchs der
Glieder beraubt war.
Nach der arabischen Sage hielten Abu Sofian und Abu Jahl
die Gegenwart dieses sehr mächtigen, sehr abgöttischen und
sehr weisen Fürstengreises an der Spitze eines so furchtbaren
Heeres für eine günstige Gelegenheit, den Sturz Mohammeds zu
bewerkstelligen. Demzufolge unterrichteten sie Habib den
Weisen von den Irrlehren des angeblichen Propheten und bewogen
den ehrwürdigen Fürsten, denselben in seinem Lager im
Kieselthale vor sich zu laden, damit er daselbst seine Lehren
vertheidige; sie thaten dies in der Hoffnung, daß ihm das
hartnäckige Verharren im Irrthume Verbannung oder Tod zuziehen
würde.
Die Sage giebt eine hochtrabende Beschreibung von dem
Erscheinen der abgöttischen Koreischiten, welche in prächtigem
Anzuge, zu Roß und zu Fuß, von Abu Sofian und Abu Jahl
geführt, ankamen, um die große Untersuchung im Kieselthale
abzuwarten, und von dem orientalischen Gepränge, mit welchem
sie von Habib dem Weisen empfangen wurden. Er saß unter einem
Zelte von Carmosin auf einem Throne von Ebenholz, der mit
Elfenbein und Sandelholz ausgelegt und mit Goldblechen bedeckt
war.
Mohammed befand sich in Kadidschahs Wohnung, als er die
Ladung vor diesen fürchterlichen Richterstuhl erhielt.
Kadidschah äußerte laut ihre Unruhe, und die Töchter hingen
weinend und klagend an seinem Halse, weil sie dachten, daß er
einem gewissen Tode entgegenginge; aber er tadelte sanft ihre
Befürchtungen und bat sie, auf Allah zu vertrauen.
Unähnlich der prahlerischen Pracht seiner Feinde, Abu
Sofian und Abu Jahl, nahte er sich dem Schauplatze des Verhörs
in einfachem Anzuge, bekleidet mit einem weißen Gewande, mit
einem schwarzen Turban und einem Mantel, welcher seinem
Großvater Abd al Motalleb gehört hatte und aus Adener Stoffe
gefertigt war. Das Haar wallte über die Schultern hinab, das
geheimnißvolle prophetische Licht strahlte aus seinem
Gesichte, und obgleich er den Bart nicht gesalbt, noch irgend
welche Wohlgerüche, etwas Moschus und Kampher in das Haar der
Oberlippe ausgenommen, angewendet hatte: so verbreitete sich
doch allenthalben, wo er ging, ein milder Duft ringsum, was,
nach Aussage der arabischen Schriftsteller, die wohlriechenden
Ausströmungen aus seiner Person waren.
Ihm voran schritt der glaubenseifrige Abu Beker; er war mit
einem scharlachenen Rocke und weißen Turban nebst seidenem
Mantel bekleidet, welchen er unter die Arme zurückschlug, so
daß sich die scharlachenen Pantoffel zeigten.
Eine stille Ehrfurcht, fährt die Legende fort, ergriff die
ungeheure Versammlung, als der Prophet nahte. Kein Gemurmel,
kein Geflüster wurde gehört. Sogar die unvernünftigen Thiere
wurden zum Schweigen fortgerissen, und das Wiehern der Rosse,
das Blöken der Kameele und das Schreien der Esel verstummte.
Der ehrwürdige Habib empfing ihn huldreich; seine erste
Frage galt der Hauptsache. »Man sagt, daß du ein von Gott
gesandter Prophet zu sein behauptest? Verhält es sich so?«
»Ganz so«, erwiderte Mohammed. »Allah hat mich gesendet,
den wahren Glauben zu verkündigen.«
»Gut«, entgegnete der bedächtige Weise, »aber jeder Prophet
hat durch Zeichen und Wunder seine Sendung bewiesen. Noah
hatte seinen Regenbogen; Salomo seinen geheimnißvollen Ring;
Abraham das Feuer des Ofens, welches auf seinen Befehl sich
abkühlte; Isaak den Widder, der an seiner Stelle geopfert
wurde; Moses seinen Wunder wirkenden Stab, und Jesus brachte
Todte zum Leben und stillte Stürme mit einem Worte. Wenn du
denn wirklich ein Prophet bist, so gieb uns ein Wunder zum
Beweise.«
Mohammeds Anhänger zitterten für ihn, als sie diese
Forderung hörten, und Abu Jahl klatschte in die Hände und
pries die Weisheit Habibs des Weisen. Aber der Prophet that
ihm mit Verachtung Einhalt. »Still, du Hund deines
Geschlechtes!« rief er aus; »du Schandfleck deines Hauses und
deines Stammes!« Hierauf schritt er ruhig vorwärts, um die
Wünsche Habibs zu erfüllen.
Das erste von Mohammed verlangte Wunder bestand darin, zu
offenbaren, was Habib innerhalb seines Zeltes hätte, und warum
er es nach Mekka gebracht hätte. Darauf, sagt die Legende,
beugte sich Mohammed zur Erde und zeichnete Figuren in den
Sand. Dann erwiderte er, das Haupt erhebend: »O Habib! du hast
deine Tochter Satiha, welche taub und stumm und lahm und blind
ist, in der Hoffnung, vom Himmel Hülfe zu erlangen, hieher
mitgebracht. Gehe in dein Zelt, sprich mit ihr und höre ihre
Antwort und erkenne, daß Gott allmächtig ist.« Der hochbetagte
Fürst eilte in das Zelt. Die Tochter kam ihm in leichtem
Schritte und mit ausgestreckten Armen entgegen; sie hatte alle
Fähigkeiten vollständig, die Augen strahlten vor Freude, über
das Gesicht verbreitete sich Lächeln, und sie war schöner als
der Mond in einer wolkenlosen Nacht.
Das zweite Wunder, welches Habib verlangt hatte, war noch
schwieriger. Es bestand darin, daß Mohammed den mittägigen
Himmel mit übernatürlicher Finsterniß bedecken und dem Monde
befehlen sollte, herniederzusteigen und auf der Spitze der
Kaaba stehen zu bleiben. Der Prophet verrichtete dieses mit
eben solcher Leichtigkeit wie das erste. Auf seinen Ruf
löschte Finsterniß das ganze Tageslicht aus. Man sah dann den
Mond aus seiner Bahn weichen und über das Firmament wandern.
Durch die unwiderstehliche Gewalt des Propheten wurde er vom
Himmel gezogen und ruhte auf der Spitze der Kaaba. Hierauf
hielt er nach Art der Pilger den siebenmaligen Umgang um die
Kaaba und nachdem er Mohammed eine tiefe, ehrfurchtsvolle
Verbeugung gemacht hatte, blieb er in flimmernder, hin und her
wankender Bewegung wie ein flammendes Schwert vor ihm stehen,
indem er ihm den Friedensgruß zurief und als einem Propheten
Heil wünschte. – Nicht zufrieden mit diesem Wunder, fährt die
Legende fort, zwang Mohammed das gehorsame Gestirn, zum
rechten Aermel seines Mantels hinein und zum linken
hinauszugehen, sich in zwei Hälften zu theilen, von denen die
eine nach Westen, die andere nach Osten schwebte, und dann, in
der Mitte des Firmamentes zusammenkommend, sich zu einer
runden und strahlenden Scheibe vereinigten.
Es ist unnöthig zu sagen, daß Habib der Weise, wie auch 450
Bewohner Mekkas durch diese Wunder überzeugt und bekehrt
wurden. Abu Jahl hatte sich jedoch im Unglauben verhärtet und
rief aus, daß Alles durch Mohammeds gauklerische Künste
erzeugte Täuschung und Zauberei wäre.
Anmerkung. Die hier erzählten Wunder werden in den
Schriften des sorgfältigen Abulfeda nicht gefunden, auch
werden sie von keinem der ernsteren unter den moslemischen
Schriftstellern behauptet; aber sie sind in der Sage vorhanden
und werden von den unglaubwürdigen Autoren, welche darauf
beharren, daß auf sie in der 54. Sure des Korans Rücksicht
genommen würde, mit großer Ausführlichkeit behandelt. Sie sind
muthmaßlich so wahr, wie viele andere der Wunder, welche von
dem Propheten erzählt werden. Es muß erinnert werden, daß er
selbst nur ein Wunder, nämlich den Koran, in Anspruch nahm.