Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Zustand des Staatsschatzes

Der vorige König, Friedrich der Große, war ein Philosoph, ein weiser und umsichtiger Mann. In dem von ihm verfassten, die Staatsverwaltung betreffenden Testament heißt es: "für den Staatsschatz eines Landes muss man: Erstens Ursachen und Umstände schaffen zur Hebung von Ackerbau und Bodenkultur. Zweitens die Handwerker so unterstützen, dass sich kein Arbeitsloser im Lande befindet. Drittens muss jeder Staat sich bemühen und anstreben, die Waren und Sachen, die im eigenen Land nicht vorhanden sind und notwendigerweise aus anderen Gegenden bezogen werden müssen, im eigenen Lande zu gewinnen. Dazu viertens, die Handelsbilanz so regeln, dass nur wenig Waren eingeführt, aber viele ausgeführt werden wodurch das Geld des Staates im Lande selbst bleibt. Fünftens muss, wenn der Ochse eines Untertanen verunglückt ist oder sein Getreide von einem Unheil betroffen wurde, ihm ein Ochse und Sämerei gegeben werden, damit er nicht außerstand gesetzt wird, weiterzuarbeiten. Oder wenn einer in dem Dorfe, wo er wohnt, nicht genügend Feld hat, so muss er an einem günstigeren und anbaufähigeren Ort angesiedelt werden. Und wo ein ödes aber für Ackerbau und Landwirtschaft taugliches Land sich findet, da muss durch Fällen der darauf stehenden Wälder Feld gewonnen werden, so dass die Ackerbauer und Landwirte des Landes hieran keinen Mangel haben. Sechstens dürfen die im Lande erzeugten Lebensmittel nicht mit Zwang aus den Händen der Bevölkerung genommen werden, sondern man muss sie sie selbst in die Städte bringen und dort, wie es die Zeit und Verhältnisse erfordern, zu ihrer Zufriedenheit, an wen sie wollen, verkaufen lassen. Siebentens muss man solche Hausierer und Bettler, die im Lande ohne Beruf und Arbeit sind, aber gesunde Gliedmaßen haben, in den errichteten Fabriken unterbringen und dort Arbeit verrichten lassen, damit sie so ihren Lebensunterhalt finden. Achtens muss jeder Staat, der etwas erreichen will, das, was er unternimmt, auf fester Grundlage anordnen können, und diese Anordnung darf weder durch Bitte noch Fürbitte der Gefahr ausgesetzt werden, Einbuße zu erleiden, derart dass das Gesetz immer befolgt und in Kraft gehalten wird. Wenn dies der Fall ist, blüht und gedeiht der Staat, niemand bleibt mittellos; und da jeder imstande ist, sich zu unterhalten, gibt es keinen Raub. Das Land ist in ruhigem Zustande. Dadurch mehren sich seine Erzeugnisse und Waren, wodurch wiederum der Handel Aufschwung nimmt, so dass das Geld des Landes von Tag zu Tag im Steigen ist.

Wo das aber nicht der Fall ist, wird die Staatsordnung Schaden erleiden; jeder wird mit der Absicht, seine Neigung und Begierde auszuführen, auf allerhand Korruption bedacht sein, wodurch die Ehrsamen der Bevölkerung ihrer Ruhe beraubt werden. Außerdem werden die Faulenzer zunehmen und zur Plage der Bevölkerung werden, während die Bevölkerung selbst ohnmächtig und energielos ist. So wird das Land verfallen und unbewohnt werden. Ja wie viel reiche Schätze ein Land auch haben mag, so werden diese durch das Eintreten von Weltgeschehnissen doch gänzlich aufgezehrt werden, und dieser Staat wird dadurch in große Schwierigkeit geraten. Wohingegen jener Staat zu keiner Zeit Schwierigkeit haben wird, wenn seine Bevölkerung und Untertanen in Schutz und Schirm vor Grausamkeit und Ungerechtigkeit, in glücklichen Verhältnissen leben und so gleichsam selbst den Staatsschatz bilden.

Als der vorige verstorbene König den Königsthron bestieg, war das jährliche Staatseinkommen 25 000 Beutel. Durch Befolgung jener feinen Grundsätze jedoch hat er es auf 60000 Beutel gebracht. So berichtet das genannte Testament. Heute ist das jährliche Einkommen des preußischen Staates annähernd 80000 Beutel. Von dieser Summe sind etwa 45 000 Beutel für Militärbesoldung, für Artillerie- und Munitionsarsenale und sonstige Feldzugsbedürfnisse sowie zur Instandsetzung von Festungen und Forts. Ferner werden 23000 Beutel für die königliche Zivilliste nebst den Gehältern der Minister und der mit den übrigen Staatsgeschäften betrauten Beamten sowie für irgendwohin bestimmte 432 Gesandte ausgegeben. Auch die Ausgaben für Brücken- und Weginstandsetzung, wie die Wiederaufrichtung der Häuser der Dörfer, die bei einer durch Gottes Vorsehung entstandenen Feuersbrunst niedergebrannt sind, und sonstige wichtige Angelegenheiten sind hierin einbegriffen. Der danach sich ergebende Rest von 12000 Beutel soll im Kriegsfall ausgegeben werden, um diese Last vom Volk fernzuhalten, und wird in der Schatzkammer des Königs aufbewahrt.

Als der vorige König im Jahre 71 [1758] mit mehreren Ländern 7 Jahre ununterbrochen Krieg führte, wurde sein vorhandener Bestand an Geldmitteln aufgebraucht. Damit nun seine Feinde nicht sagen sollten, er wäre bankrott, ließ er am Ende des Feldzuges außerhalb der 5 bis 6 Stunden von Berlin entfernten Stadt Potsdam, die zur Sommerszeit ein Ausflugsort der preußischen Könige ist, ein großes Schloss bauen. So gab er, wie von unterrichteten Leuten bestätigt wird, den anderen Staaten zu wissen, dass noch ein Teil seines Geldbestandes vorhanden war. (Ich überlasse jedoch die Verantwortung für die Wahrheit dieser Erzählung dem Erzähler.)

 

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