Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Ahmed Azmi Efendi's Bericht seiner Gesandtschaftsreise

Lob sei Gott, welcher gefestigt hat das Fundament der Religion und der Herrschaft durch die diplomatische Weisheit großer Staatsmänner, und der zuverlässige Leute gegeben hat, die voll Wohlwollen und Mitleid den Anliegen der Armen in jeder Lage zum Recht verhelfen.

Und Lobgebet und Gruß sei über den Besten unter den Geschöpfen, Mohammed, der gesandt wurde zur Vollendung der Tugenden der Charaktere und der Vorzüge der natürlichen Anlagen im Menschen, und über seine Familie, sowie seine Genossen, die mit den schönsten Redegaben ausgestattet und mit den besten Taten begabt geschildert werden.

Um zu beginnen: ich, Ahmed Azmi, ein Diener des hohen Staatsrates, bin der ergebenste Schreiber des folgenden amtlichen Berichtes.

Da zur Festigung der zwischen der ewig bleibenden Hohen Pforte und dem preußischen Staate abgeschlossenen schönen Übereinkunft die Absendung eines Gesandten nach Preußen notwendig geworden war, wurde meine geringe Wenigkeit dazu vor meinen Zeitgenossen auserlesen und erkoren. Und durch ein hierfür gnädigst erlassenes kaiserliches Schreiben dorthin beauftragt, setzte man sich Donnerstag, den 4. Rebi ül ewwel 1205 [11. November 1790] von Konstantinopel aus in Bewegung und brach in der beabsichtigten Richtung auf.

Am 7. Tage unserer Abreise von Konstantinopel kamen wir in Adrianopel an. Um unsere Reise-Vorräte zu vervollständigen, hielten wir zu Adrianopel einen Tag Ruhe und Rast und begannen am folgenden Tage nach Widin, das den geraden Weg darstellt, „den Renner des Aufbruchs anzutreiben." So gelangte man von Adrianopel „nach Durchmessung vieler Tagereisen und Durchwandern vieler Stationen, am 27. Tage des erwähnten Monats nach dem vier Stunden vor Widin gelegenen Flecken Aktscher. Da dem Festungskommandanten von Widin, seiner Exzellenz dem hochansehnlichen Ali Pascha, gemeldet worden war, dass wir am nächsten Tage Widin zu betreten beabsichtigten, so kamen uns, als wir uns Widin näherten, der Schatzmeister des vorerwähnten Paschas und der Divankatibi) des Serasker) von Widin, seiner Exzellenz des hochansehnlichen Mehmed Pascha, in Begleitung von etwa 40 bis 50 Kammerdienern zum Empfang entgegen und brachten uns nach dem im Innern der Festung Widin von ihnen vorbereiteten Absteigequartier.

Am Tage nach unserer Ankunft in Widin wurde unser Dolmetscher mit einem, von Seiten des in Konstantinopel bevollmächtigten preußischen Gesandten unserem Gefolge zugeteilten, preußischen Manne nach dem gegenüberliegenden Kalafat geschickt. Da dem mit zehn Mann in Kalafat stationierten ungarischen Kapudan von österreichischer Seite aus angezeigt war, dass wir beabsichtigten, durch österreich nach Preußen zu reisen, und weil zudem am Tage unserer Ankunft in Widin von dem oben erwähnten Serasker dem vorgenannten Kapudan davon Nachricht gegeben worden war, so sorgten unsere hinübergeschickten Männer dafür, dass, ehe wir nach Kalafat kamen, die bis zum Erreichen Karajuwas, der Hauptstadt der Besch Kaza (5 Bezirke) genannten Schwarzen Walachei, nötigen Wagen und Pferde mietweise bereit gestellt wurden. Da unsere ausgesandten Männer mit der Nachricht: "Wann man wünscht, kann man übersetzen" nach Widin zurückkehrten, so schafften wir am Mittwoch, den 1. Rebi ül-achar [8. Dez.] in unbedeckten Schiffen unser Reisegepäck hinüber, und einige Stunden später setzten wir selbst in einem, dem Festungskommandanten von Widin gehörigen, fünfsitzigen Tscheteboote auch hinüber.

In Anbetracht dessen, dass von Kalafat bis Karajuwa die meisten am Wege liegenden Dörfer verwüstet und unbewohnt waren, nahmen wir uns zwar vor, bis nach unserem zweiten Absteigequartier, dem Tscherwi (Ciorviasu) genannten Dorf, in zehn Stunden weiterzuziehen; weil aber keine eigentlichen Postpferde da waren, und man deshalb die in den Dörfern der Umgegend für die Wagen aufgetriebenen, abgemergelten und ausgehungerten Pferde vorgespannt hatte, so wurde bis zum Abend der Herbergsort nicht erreicht. Weil es nun an jenem Tage auch ziemlich viel schneite und am Nachmittag ein heftiger Wind aufkam, so dass unsere Wagenführer auch schon nahe am Erfrieren waren, so wurde, um so schnell wie möglich an Ort und Stelle zu kommen, von den Reitern, die unserem Gefolge zugeteilt waren, einer vorausgeschickt. Auf seine Bitte um 5 bis 10 kräftige Pferde ließ der mit der Schutzgewalt des oben erwähnten Dorfes Tscherwi betraute ungarische Kapudan 9 Kutscher und 18 Pferde zu uns hergelangen. So wurde nachts um 3 Uhr das Absteigequartier erreicht.

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