Brief Pierre Lotis an Plumkett
Lorient, April 1878.
Ich verbringe recht traurige Tage, mein lieber Plumkett,
unendlich langsam entschwindende Tage mit düsteren,
sterbensbangen Abenden.
Zwar habe ich noch Bruder Yves bei mir, aber er ist nicht
mehr der tolle Junge, der Sprünge macht: Unsere Freunde, die
»Brüder von der Küste«, sind alle verstreut, haben sich
eingeschifft; der »Lamotte Picquet« hat unsere letzten nach
der Südsee entführt.
So gibt es denn keine Seeräuberbande mehr, keine
nächtlichen Tumulte, und Mutter Hollichon wird nicht mehr der
Ehre teilhaftig, uns in ihrer Herberge bewirten zu dürfen.
An manchem Abend, wenn die Stadt in die noch kalten Nebel
des April versank, hat man uns beide, Yves und mich, im
Matrosengewand die dunkle Straße hinabwandern gesehen; wir
bogen zum Kai ein und überschritten die Brücke des Kanals.
Dann betraten wir sein Heim und saßen dort den Abend lang vor
dem flackernden Feuer, während Marie, seine Frau, ihre breiten
weißen Kragen plättete und kleine Häubchen nähte für ihr
kommendes erstes Kind.
Seit dem tragischen Schreiben, das ich am 7. März erhielt,
bin ich ohne Nachricht von Aziyadé, und jetzt, da Achmet tot
ist, ist auch jede Verbindung zwischen uns abgeschnitten.
Ich habe es mit einer Menge von Mitteln versucht, schrieb
eine Menge türkischer und französischer Briefe an eine Menge
von Leuten, und erhielt keinerlei Aufschlüsse.
Ich hatte meine letzte Hoffnung auf einen, namens Pogarritz
gesetzt, einen tapferen Jungen, meinen dortigen treuen Freund.
Doch habe ich erfahren, daß er in ein Bataillon ungarischer
Freiwilliger eintrat, und daß auch er von einer russischen
Kugel getötet worden ist.
Die Zeit vergeht, ich weiß nicht mehr, was tun. Ich träume
davon, nach dem Orient zurückzugehen, und der Boden brennt mir
unter den Füßen ...
Wehe Angst schnürt mir das Herz zusammen, wenn ich »ihrer«
gedenke. Ich liebe sie tief, das schwöre ich Ihnen, – ich
liebe sie anders als in den ersten Tagen. Ich würde freudig
Jahre meines Lebens darum geben, könnte mich noch einmal einer
ihrer kleinen Briefe erreichen, die so schwer zu entziffern
waren und so unleserlich ... Ich würde vor Freude weinen, wenn
ich einen erhielte ...