An Bord des »Vaudreuil«
In See (Mündung des Amazonenstroms), August 1871.
Als ich heute nacht zur Wache antrat, ging mir plötzlich
der Bruchteil einer Melodie durch den Sinn, und es machte mir
viel Mühe, zu enträtseln, in welchem Winkel der Welt und in
welcher Epoche meines Lebens sie mir erklungen sein mag. Es
war keiner von den Klängen, die geeignet sind, tausend
Erinnerungen in uns wachzurufen. Nur unklar dämmerte mir das
Denken an den Chorgesang menschlicher Stimmen in der Ferne.
Wie das Vorüberziehen eines Zuges mit Liedern und Musik. Und
bis drei Uhr morgens zerbrach ich mir ergebnislos den Kopf,
ich wühlte in meinen Erinnerungen (was übrigens eine
Nachtwache lang keine unangenehme Beschäftigung ist), ich
beschwor alle möglichen Menschen herauf, Festlichkeiten in den
verschiedensten Städten an allen Enden der Erde. War es ein
Choral, der den Mauern einer Moschee entwich, als ich eines
Abends vorüberging? Ward es von Männern im weißen Burnus in
den krummen Straßen arabischer Städte gesungen? War es ein
wehes Lied nubischer Weiber unter der heißen Sonne am Äquator,
kam es mir von den nordischen Völkern aus Dänemark? Oder aus
Kanada? Vielleicht war es ein Festgesang von Rothäuten,
Polynesien! oder Chinesen? Eine phantastische nächtliche
Negersarabande? Oder war es einfach nur ein Chor aus
irgendeiner Oper? Und dennoch war unklar in mir das ferne
Spiel von Gitarren und Mandolinen, und dazu ein wenig laue
Luft von Andalusien oder Portugal ...
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