.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Lieselotte Sekatsch war
die Herausgeberin der Zeitschrift "Freunde der Islamischen
Revolution".
Geboren am 7. Mai 1930 in Barbi an
der Elbe (damalige DDR), verlor sie schon mit drei Jahren
ihren Vater und ihre Mutter. Ihr Großvater, Ingenieur und eingeschworener
Sozialdemokrat nahm sie in seine Obhut und schickte sie auf
die nahe gelegene Dorfschule. Von sozialkritischen Äußerungen
des Großvaters über das Hitlerreich inspiriert, machte sie
sich bald in der Schule mit Bemerkungen gegen den Krieg
unbeliebt. Deutschland hatte sich zum Krieg entschlossen und
gleich im ersten Jahr sollte der geliebte Großvater sterben.
Fortan hatte das erst neunjährige Mädchen für die unbeholfene
Großmutter und sich selbst zu sorgen. Um zu Überleben musste
sie auf Höfen und in Zechen hamstern. Später einmal gefragt,
wie es denn dazu gekommen sei, dass sie so gar keinen Hang zum
Materiellem habe, antwortete sie: "Schon als Kind habe ich
früh erfahren, dass alles, was ich lieb gewonnen hatte, nicht
von Dauer war."
Mit vierzehn Jahren verlor sie auch ihre Großmutter und kam
zu einer Verwandten, deren Ehemann sie als "Arbeitstier" auf
seinem Hof einsetzte. Auch diese schwere Zeit überstand sie
und siedelte 1948 legal nach Osnabrück über, um Arbeit in
einem Stahlwerk aufzunehmen. Trotz ihrer schweren Kindheit hat
es sie später immer wieder zu ihrem Geburtsort gezogen.
Alljährlich besuchte sie mit ihren Kindern das Grab ihrer
Mutter. Auf einer dieser Reisen begegnete sie ihrem ehemaligen
Lehrer, der sie als exzellente Schülerin in guter Erinnerung
hatte und ihr zur Wiederaufnahme ihrer schulischen Laufbahn
riet. Er wollte ihr sogar zum Stipendium für eine Ausbildung
zur Richterin verhelfen. So sehr es Lieselottes Wunsch gewesen
war, sie entschied sich für ihre Kinder und deren Erziehung.
In den Genuss von Müßiggang oder Luxus war Lieselotte
Sekatsch Zeit ihres Lebens nie gekommen. Aber als sie von den
schrecklichen Erlebnissen eines iranischen Jungen gehört
hatte, ließ ihr das keine Ruhe. Sie selbst schilderte die
Begegnung wie folgt: "Es fing alles damit an, dass mein
ältester Sohn Karl-Heinz eines Abends einen Iranischen Jungen
aus dem Studentenhelm mit nach Hause brachte. Der Junge machte
einen ziemlich verstörten Eindruck. Er erzählte uns, wie sein
Vater von der berüchtigten SAVAK des Schah-Regimes gefoltert
und umgebracht worden war...."
Den unter der Diktatur des Schah leidenden Menschen musste
aus ihrer Sicht irgendwie geholfen werden. Lieselotte Sekatsch
ließ sich in den Kreis iranischer Studentenvereinigungen
einführen, die Opposition zum Schah standen und unterstützte
sie gegen das menschenverachtende Schahregime.
1972 schloss sie sich Amnesty International an, gründete
mit Freunden zusammen das Iran-Komitee in Osnabrück und
setzte ihre Bemühungen zur Freilassung politischer Häftlinge
in Iran intensiver fort als zuvor. Sie verteilte Flugblätter,
sammelte Unterschriften für Petitionen und wirkte bei
Iran-Veranstaltungen mit. Ihr jüngster Sohn Rolf, der ihr
später eine große Stütze bei ihrer Arbeit sein sollte, erlebte
das sozialpolitische Engagement seiner Mutter von Anbeginn
mit.
Dann kam das große Ereignis von dem sie, wie sonst
Übernichts anderes, schwärmerisch erzählte: "Iranische
Studenten hatten mich nach Paris zu
Imam
Chomeini mitgenommen. Der Umgang der muslimischen
Studenten untereinander beeindruckte mich tief. Es war so viel
Herzlichkeit und Brüderlichkeit zu spüren, wie ich sie sonst
nie angetroffen habe. Dann sah ich
Imam
Chomeini. Seine Augen strahlten Wärme und Menschlichkeit
aus. Da wusste ich: Wenn es in Iran zu einer Revolution zum
Wohle des einfachen Volkes kommen sollte, dann nur über diese
Muslime."
Es war inzwischen 1978, das Jahr vor dem Durchbruch der
Islamischen Revolution. Lieselotte Sekatsch hatte sich
vielleicht ihren Traum von "Richterin" verwirklichen wollen.
Auf Zureden ihres ältesten Sohnes, dem sie geistig sehr nahe
stand, begann sie ein Fernstudium in Jura. Sie gründete den
Verein der "Freunde der Islamischen Revolution in Iran" und
gab von Zeit zu Zeit eine Broschüre heraus, in der sie über
bedeutende Ereignisse im
Iran,
Persönlichkeiten und Errungenschaften der Revolution
berichtete.
In den folgenden Jahren bereiste sie mehr als ein
Dutzend Mal den
Iran.
Unermüdlich eilte sie gleich nach ihrer Ankunft auf dem
Teheraner Flughafen von einem Termin zum nächsten. Ihre
Interviews und Aufzeichnungen galten nicht eher hohen
Persönlichkeiten, sondern dem einfachen Volk auf der Straße:
hier eine Hausfrau, dort ein Verkäufer oder ein Arbeiter nach
Werkschluss. Auf noch so holprigen Landstraßen ließ sie sich
in die abgelegendsten Dörfer fahren, um sich selber vor Ort zu
vergewissern, ob die Organisation für Aufbau den Ärmsten der
Armen wie versprochen Strom- und Wasserleitungen gelegt hat.
Sie besichtigte neu gegründete Kooperativen und notierte sich
die Höhe des Darlehens und erkundigte sich, ob es sich
wirklich nur um ein zinsloses Darlehen handelte. Sie
fotografierte Plakate gegen das Rauchen und steckte sich die
Lehrbücher der Organisation für Alphabetisierung ein, um sie
später auf ihren Veranstaltungen Interessenten zu zeigen.
Auch wenn sie oft von Universitäten oder Hochschulen zu
Veranstaltungen eingeladen wurde, wollte sie - wie auch in
ihrer Broschüre - eher den einfachen Menschen als
intellektuelle Kreise ansprechen. Die Völker dieser Erde, die
entrechteten Völker der Erde müssen von der
Islamischen Revolution aufgeklärt werden um eine
Veränderung ihrer Situation schaffen zu können.
Lieselotte Sekatsch hatte schon mit frühen Jahren auf
eigenen Beinen gestanden und sich zu verteidigen gelernt. Um
so mehr kritisierte sie die Haltung von
Muslime im In- und Ausland, die die massiven Hetzkampagnen
der Presse und Medien gegen die
Islamische Revolution kommentarlos hinnahmen. Auf jede
Falschmeldung reagierte sie prompt und sachlich mit einem
Leserbrief.
Wie die Verhetzung der Oberhäupter der
Islamischen Revolution, so deutete sie auch den
Irak-Iran-Krieg als weiteren Beleg dafür, dass die
Islamischen Revolution wahrhaftig den Unterdrückten zu
ihren Rechten verhelfen und die ungerechte ausbeuterische
Wirtschaftsordnung zerschlagen wird. Terroristische Gruppen,
die sich im Westen als Oppositionelle einen Namen gemacht
hatten, waren ihr ein Dorn im Auge. Ihre Sprecher kannte sie
zum Teil persönlich aus ihrer Zeit vor der
Islamischen Revolution, wusste von ihre jeweilige
Abhängigkeit von Großmächten und um ihre Absichten, um jeden
Preis, im
Iran
an die Macht zu kommen. Für sie bedeutete die
Islamische Revolution der Anbeginn einer künftigen
Weltrevolution, die den Schwachen und Unterdrückten endlich zu
ihren Rechten verhelfen werde.
Als Mutter ihren Kindern gegenüber eine eher
protestantisch-konservative Haltung einnehmend, war sie durch
ihr politisches Engagement in den 70ern zunächst einmal ins
Umfeld der "Linken" geraten, mit denen sie Anfang der 80er
endgültig brach, als sie, wie sie sich später immer wieder
äußerte, feststellen musste, dass "den Linken das geistig
spirituelle Rüstzeug" fehle. "Die sind mit sich selber
noch nicht im Klaren", pflegte sie zu sagen. Als sie in
ihren Broschüren die Machenschaften jener terroristischen
Gruppen, mit eigenen Veröffentlichungen und Aussagen
aufdeckte, kündigte auch amnesty international (ai) Lieselotte
Sekatsch die Mitgliedschaft auf, da sich damals ai bezüglich
Iran auf terroristische Quellen berief. Etliche ihrer Briefe
an den Hauptsitz von ai in London, Beweismaterial für die
Unrichtigkeit der schweren Anschuldigungen gegen die Regierung
der
Islamische Republik Iran, blieben unbeantwortet.
Umso unermüdlicher setzte Lieselotte Sekatsch ihre
Bemühungen um Verständnis für die Ziele der
Islamischen Revolution fort. Von ihrem bescheidenen
Häuschen in Lotte/Büren aus, verschickte sie ihre Schriften an
den mehrere 1000 Personen umfassenden Interessentenkreis,
beantwortete unzählige Anfragen ungeachtet der vielen
Drohbriefe, die ihr von iranischen linken Gruppen ins Haus
geschickt wurden.
Wenn ihr die Arbeit in der Druckerei, mit der sie sich über
viele Jahre hin weg ihren Lebensunterhalt bestritt und ihre
politische Tätigkeit über den Kopf wuchsen, war Rolf da. Er
tippte für sie, erledigte die Post und half ihr bei der
Hausarbeit.
Im Frühjahr 1984 erlitt sie einen Schlaganfall, der sie für
die nächsten Jahre an ein Leben im Rollstuhl binden sollte.
Sie ertrug ihr Schicksal mit Geduld und Fassung. Nie war nur
ein Wort der Klage aus ihrem Mund zu vernehmen. Umso mehr
gedachte sie der vielen Märtyrer und Verletzten des
Irak-Iran-Krieges und deren Hinterbliebenen. Ihre Reisen
in den Iran musste sie zunächst einmal einstellen, aber dank
Rolfs liebevollem Einsatz besuchte sie in seiner Begleitung
auch weiterhin Tagungen und Seminare und setzte ihre Arbeit
fort.
"Die Leute hier erfahren viel zu wenig über die
Revolution," schimpfte sie. "Es muss viel mehr getan
werden." Als die
Islamische Republik Iran, Anteilseigner an den Stahlwerken
der Krupp AG, durch ihr Veto die Entlassungen von
Arbeitnehmern verhinderte, kritisierte sie das Versäumnis der
Muslime anhand solcher Beispiele "dem Menschen hier auf
der Straße" zu verdeutlichen, dass die
Islamische Revolution eine humane ist, die die Belange der
Schwachen ins Auge fasst.
Im Sommer 1988 fuhr sie zum letzten Mal mit ihrem Sohn Rolf
in die
Islamische Republik Iran, ohne Rollstuhl, gestützt auf
Krücken. Es war eine anstrengende Reise, voller Termine aber
auch Enttäuschungen aufgrund ihrer großen Erwartungen, die sie
stets an ihre Mitmenschen stellte. "Es ruhen sich so manche
ungestraft auf den Lorbeeren anderer aus. Die Revolution geht
viel zu gut mit ihnen um." Wenn sie etwas leid war, dann
waren es so genannte Revolutionäre, die sich jetzt aufgrund
ihnen aufgetragener Positionen zunehmend in Distanz zum
einfachen Volk bewegt haben. "Sie fahren einen Mercedes und
wohnen im Luxus. Wie wollen sie sich als Vertreter der
Schwachen verstanden wissen?"
Das Ableben
Imam
Chomeinis am 3. Juni 1989 hat sie mit großer Trauer
erfüllt. Die letzten Monate vor ihrem eigenen Ableben hatte
sie ruhig und in Abgeschiedenheit von allem Trubel verbracht.
Hier und da nahm sie Stellung zu den politischen Ereignissen
im Iran,
die sie immer noch intensiv in den Zeitungen und im
Radio/Fernsehen verfolgte. Dass es im iranischen Parlament
Abgeordnete gebe, die nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu
einer Partei sondern ihrer eigenen Persönlichkeit, Fähigkeiten
und Gesinnung wegen vom Wähler direkt ins Parlament gewählt
werden, schätzte sie sehr positiv ein und nannte das iranische
Parlament als einziges wahres Parlament der Erde, in dem
Beschlüsse zum Wohle des einfachen Volkes gefasst werden
könnten.
Ein Leben lang zeichneten Schlichtheit und Bescheidenheit
ihre äußere Erscheinung aus. Auf Veranstaltungen hielt sie
selbst als Redner nur kurze Vorträge und ließ lieber ihre
Zuhörer zu Worte kommen. Wie oft hat sie so manchen
Kontrahenten mit ihren spitzen Äußerungen in Verlegenheit
gebracht. Sentimentalitäten und Ausschweifungen lagen ihr
fern.
Am 2. Februar 1990 wurde Lieselotte Sekatsch, die
unermüdliche Streiterin für die Rechte der Schwachen
abberufen. Sie wurde auf eigenen Wunsch im anonymen Grabfeld
auf dem Heger Friedhof in Osnabrück (Rheiner Landstraße 168,
49078 Osnabrück) beigesetzt.
Al-Fadschr widmete ihr in der Ausgabe 44 (1990) einen
Nachruf, von dem große Teile des obigen Textes stammen.
